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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die Lage der Unternehmerschaft

als eine Art Geschäft. Der Ausspruch Winston Churchills -- "Ku8me88 As
U8nat" ist zur Richtschnur geworden. So ist beispielsweise die Kriegszeit jür
die englische Handelsmarine stets die Zeit der Ernte gewesen. Nicht nur, daß
sie infolge der Ausschaltung des Wettbewerbs die Frachtsätze beinahe bis ins Un-
gemessene steigern kann, bietet sich auch eine günstige Gelegenheit zur Vergrößerung
des Schiffsbestandes durch Ankauf der zahlreichen feindlichen Handelsschiffe, die
zu Anfang des Krieges der britischen Übermacht zur See zum Opfer gefallen
sind. Interessant ist es nun ohne Frage, zu beobachten, wie die englischen
Reederkreise gegen die kürzlich eingeführte Kriegsgewinnsteuer, die nach Mit¬
teilungen der "Times" auch auf das Schiffcchrtsgewerbe ausgedehnt werden soll,
zu Felde ziehen. Jedenfalls ist dies so recht ein Zeichen für die Opferwilligkeit
der englischen Unternehmerschaft. Nicht zuletzt bestätigen dies auch die bisher
so überaus kläglichen Ergebnisse der verschiedenen Kriegsanleihen in England.
Der Teil der englischen Unternehmerschaft, dessen Lage sich durch die durch den
Krieg bedingten Verhältnisse, wie Heereslieferungen usw., günstiger gestaltet hat,
ist aber der bei weitem kleinste; die Mehrzahl der englischen Arbeitgeber hat
teilweise ganz beträchtlich unter den Folgen des Krieges zu leiden. Nach Be¬
richten aus Kreisen der englischen Industrie liegen besonders der Hoch- und
Tiefbau sowie Teile des Maschinenbaues und die Fahrzeugherstellung ganz
darnieder.

Ungünstig liegen auch die Verhältnisse in der englischen Stahlindustrie.
Nach Mitteilungen vom April 1915 sind eine ganze Anzahl von Betrieben, die
nicht mit Heeresaufträgen beschäftigt sind, ganz geschlossen. Besonders schwer
hat unter dem Kriege aber die englische Textilindustrie gelitten, die hauptsächlichste
Exportindustrie Englands, welche allein ungefähr ein Drittel des gesamten eng¬
lischen Ausfuhrhandels ausmacht und damit eine der Hauptstützen der englischen
Volkswirtschaft bildet. Die Ausfuhr der Textilindustrie ist nämlich in den Mo¬
naten Januar bis August von 116.2 Millionen Pfund Sterling im Jahre 1914
auf 87,7 Millionen Pfund Sterling im Jahre 1915 gesunken, hat also gegen
das Vorjahr einen Verlust von nicht weniger als 28,5 Millionen Pfund Sterling
erlitten. Der Hauptverlust entfällt dabei auf die Baumwollindustrie, die um
rund 22,5 Millionen Pfund Sterling zurückgegangen ist. In der englischen
Textilindustrie standen nach Berichten des "Board of Trade Journal" in der
Woche vom 8. bis 13. März 1915 115 844 Webstuhle ganz leer und an
weiteren 136 740 wurde mit abgekürzter Arbeitszeit gearbeitet. Der englische
Baumwollsachverständige und Fachschriftsteller W. Tattersall in Manchester hat
eine Übersicht über die Geschäftsergebnisse von 66 Baumwollspinnereigesellschaften
von Lancashire während der Monate Dezember 1914 bis November 1915 aus¬
gearbeitet, nach welcher diese Gesellschaften nach Abzug von Anleihezinsen und
Abschreibungen nur einen Nettogewinn von 5509 Pfund Sterling erzielten.
Auf das Aktienkapital berechnet, beträgt der Gewinn für das Jahr 1915 somit
weniger als 1 Prozent, und wenn manche Gesellschaften Dividenden haben zahlen


Der Weltkrieg und die Lage der Unternehmerschaft

als eine Art Geschäft. Der Ausspruch Winston Churchills — „Ku8me88 As
U8nat" ist zur Richtschnur geworden. So ist beispielsweise die Kriegszeit jür
die englische Handelsmarine stets die Zeit der Ernte gewesen. Nicht nur, daß
sie infolge der Ausschaltung des Wettbewerbs die Frachtsätze beinahe bis ins Un-
gemessene steigern kann, bietet sich auch eine günstige Gelegenheit zur Vergrößerung
des Schiffsbestandes durch Ankauf der zahlreichen feindlichen Handelsschiffe, die
zu Anfang des Krieges der britischen Übermacht zur See zum Opfer gefallen
sind. Interessant ist es nun ohne Frage, zu beobachten, wie die englischen
Reederkreise gegen die kürzlich eingeführte Kriegsgewinnsteuer, die nach Mit¬
teilungen der „Times" auch auf das Schiffcchrtsgewerbe ausgedehnt werden soll,
zu Felde ziehen. Jedenfalls ist dies so recht ein Zeichen für die Opferwilligkeit
der englischen Unternehmerschaft. Nicht zuletzt bestätigen dies auch die bisher
so überaus kläglichen Ergebnisse der verschiedenen Kriegsanleihen in England.
Der Teil der englischen Unternehmerschaft, dessen Lage sich durch die durch den
Krieg bedingten Verhältnisse, wie Heereslieferungen usw., günstiger gestaltet hat,
ist aber der bei weitem kleinste; die Mehrzahl der englischen Arbeitgeber hat
teilweise ganz beträchtlich unter den Folgen des Krieges zu leiden. Nach Be¬
richten aus Kreisen der englischen Industrie liegen besonders der Hoch- und
Tiefbau sowie Teile des Maschinenbaues und die Fahrzeugherstellung ganz
darnieder.

Ungünstig liegen auch die Verhältnisse in der englischen Stahlindustrie.
Nach Mitteilungen vom April 1915 sind eine ganze Anzahl von Betrieben, die
nicht mit Heeresaufträgen beschäftigt sind, ganz geschlossen. Besonders schwer
hat unter dem Kriege aber die englische Textilindustrie gelitten, die hauptsächlichste
Exportindustrie Englands, welche allein ungefähr ein Drittel des gesamten eng¬
lischen Ausfuhrhandels ausmacht und damit eine der Hauptstützen der englischen
Volkswirtschaft bildet. Die Ausfuhr der Textilindustrie ist nämlich in den Mo¬
naten Januar bis August von 116.2 Millionen Pfund Sterling im Jahre 1914
auf 87,7 Millionen Pfund Sterling im Jahre 1915 gesunken, hat also gegen
das Vorjahr einen Verlust von nicht weniger als 28,5 Millionen Pfund Sterling
erlitten. Der Hauptverlust entfällt dabei auf die Baumwollindustrie, die um
rund 22,5 Millionen Pfund Sterling zurückgegangen ist. In der englischen
Textilindustrie standen nach Berichten des „Board of Trade Journal" in der
Woche vom 8. bis 13. März 1915 115 844 Webstuhle ganz leer und an
weiteren 136 740 wurde mit abgekürzter Arbeitszeit gearbeitet. Der englische
Baumwollsachverständige und Fachschriftsteller W. Tattersall in Manchester hat
eine Übersicht über die Geschäftsergebnisse von 66 Baumwollspinnereigesellschaften
von Lancashire während der Monate Dezember 1914 bis November 1915 aus¬
gearbeitet, nach welcher diese Gesellschaften nach Abzug von Anleihezinsen und
Abschreibungen nur einen Nettogewinn von 5509 Pfund Sterling erzielten.
Auf das Aktienkapital berechnet, beträgt der Gewinn für das Jahr 1915 somit
weniger als 1 Prozent, und wenn manche Gesellschaften Dividenden haben zahlen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/281>, abgerufen am 15.01.2025.