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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die Tage der Unternehmerschaft

eingeführt, welche die besten Früchte trägt und hoffentlich auch zu den dauernden
Errungenschaften des Krieges gehören wird. Nach Mitteilungen aus industriellen
Kreisen Österreichs ist die Metallindustrie stark beschäftigt; ebenso der Bergbau
gut, teilweise auch die Holzindustrie. Einen guten Absatz zeigen auch die Be¬
kleidungsgewerbe. Für das Baugewerbe haben sich infolge der günstigen Kriegs¬
gestaltung allerlei Arbeitsmöglichkeiten eröffnet, so beispielsweise der Wiederaufbau
des von den Russen verwüsteten Galiziens. Schlimmer daran sind natürlich
jene Unternehmungen Österreichs, die unter dem Mangel an Roh- oder Hilfs¬
stoffen leiden, sowie diejenigen, die hauptsächlich für den Export arbeiteten und
keine Möglichkeit hatten, sich auf ein anderes Gebiet zu werfen. Verhältnis¬
mäßig sind dies aber nur eine geringe Anzahl von Betrieben. Jedenfalls wird
die allgemeine Lage hierdurch nicht wesentlich beeinflußt. Dies zeigt schon die
starke Zunahme der Einlagen bei den Banken und Sparkassen und die trotz
der Kriegsperiode günstigen Bilanzen der Jndustrieunternehmungen. Jedenfalls
ist der Beweis erbracht worden, daß die finanzielle und wirtschaftliche Kraft der
österreich-ungarischen Monarchie ebenso ungebrochen dasteht wie ihre militärische
auf den Schlachtfeldern Europas. Erfreulich ist ohne Frage, daß der Gedanke
eines dauernden Wirtschaftsverbandes der Zentralmächts immer mehr und mehr
Boden faßt. Bedeutsame Vorteile böten sich hier sicherlich allen Beteiligten.
Durch Festsetzung gemeinsamer Außenzölle gegenüber anderen Staaten und ent¬
sprechender Binnenzölle im Zwischenverkehr für solche Produkte, die noch des
Schutzes bedürfen, würden manche Zölle auf Rohmaterialien abgebaut werden
können, wodurch die Leistungsfähigkeit der verarbeitenden Industrien gesteigert
würde. Jedenfalls beweisen aber auch schon die Anstrengungen unserer Gegner
in punkto der Niederringung des wirtschaftlichen Lebens der Zentralmächte,
wie beispielsweise die englische Liga zur Vernichtung des deutschen Handels,
den kürzlich von dem "Guerre Sociale" gemeldeten Versuch eines wirtschaft¬
lichen Zusammenschlusses zwischen Italien und Frankreich usw., die Notwendigkeit
eines engeren Wirtschaftsbundes der Zentralmächte.

Die Fehler der industriellen Produktion in England sind der Mangel an
Organisation und gründlicher wissenschaftlicher Durchbildung. Die Badische
Anilinfabrik, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, die Kruppschen Werke usw.
-- diese sichtbarsten Früchte deutscher Organisation und deutscher Wissenschaft --
sind für England unlösbare Rätsel. Selbst heute nach anderthalbjähriger
Kriegsdauer laboriert man in England immer noch daran, daß die englische
Industrie es nicht verstanden hat, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen.
Die stetigen Klagen über die mangelnde Munitionserzeugung in der englischen
Presse sind ein schlüssiger Beweis hierfür.

Gleichwie die englische Nation ihre Kriege von jeher von dem Standpunkte
des geschäftlichen Unternehmens betrachtet hat, indem sie Söldner, möglichst
fremder Nationen, kaufte und mit diesem Einsatz wirtschaftliche oder praktische
Erfolge zu erzielen versuchte, betrachtet auch der englische Unternehmer den Krieg


Der Weltkrieg und die Tage der Unternehmerschaft

eingeführt, welche die besten Früchte trägt und hoffentlich auch zu den dauernden
Errungenschaften des Krieges gehören wird. Nach Mitteilungen aus industriellen
Kreisen Österreichs ist die Metallindustrie stark beschäftigt; ebenso der Bergbau
gut, teilweise auch die Holzindustrie. Einen guten Absatz zeigen auch die Be¬
kleidungsgewerbe. Für das Baugewerbe haben sich infolge der günstigen Kriegs¬
gestaltung allerlei Arbeitsmöglichkeiten eröffnet, so beispielsweise der Wiederaufbau
des von den Russen verwüsteten Galiziens. Schlimmer daran sind natürlich
jene Unternehmungen Österreichs, die unter dem Mangel an Roh- oder Hilfs¬
stoffen leiden, sowie diejenigen, die hauptsächlich für den Export arbeiteten und
keine Möglichkeit hatten, sich auf ein anderes Gebiet zu werfen. Verhältnis¬
mäßig sind dies aber nur eine geringe Anzahl von Betrieben. Jedenfalls wird
die allgemeine Lage hierdurch nicht wesentlich beeinflußt. Dies zeigt schon die
starke Zunahme der Einlagen bei den Banken und Sparkassen und die trotz
der Kriegsperiode günstigen Bilanzen der Jndustrieunternehmungen. Jedenfalls
ist der Beweis erbracht worden, daß die finanzielle und wirtschaftliche Kraft der
österreich-ungarischen Monarchie ebenso ungebrochen dasteht wie ihre militärische
auf den Schlachtfeldern Europas. Erfreulich ist ohne Frage, daß der Gedanke
eines dauernden Wirtschaftsverbandes der Zentralmächts immer mehr und mehr
Boden faßt. Bedeutsame Vorteile böten sich hier sicherlich allen Beteiligten.
Durch Festsetzung gemeinsamer Außenzölle gegenüber anderen Staaten und ent¬
sprechender Binnenzölle im Zwischenverkehr für solche Produkte, die noch des
Schutzes bedürfen, würden manche Zölle auf Rohmaterialien abgebaut werden
können, wodurch die Leistungsfähigkeit der verarbeitenden Industrien gesteigert
würde. Jedenfalls beweisen aber auch schon die Anstrengungen unserer Gegner
in punkto der Niederringung des wirtschaftlichen Lebens der Zentralmächte,
wie beispielsweise die englische Liga zur Vernichtung des deutschen Handels,
den kürzlich von dem „Guerre Sociale" gemeldeten Versuch eines wirtschaft¬
lichen Zusammenschlusses zwischen Italien und Frankreich usw., die Notwendigkeit
eines engeren Wirtschaftsbundes der Zentralmächte.

Die Fehler der industriellen Produktion in England sind der Mangel an
Organisation und gründlicher wissenschaftlicher Durchbildung. Die Badische
Anilinfabrik, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, die Kruppschen Werke usw.
— diese sichtbarsten Früchte deutscher Organisation und deutscher Wissenschaft —
sind für England unlösbare Rätsel. Selbst heute nach anderthalbjähriger
Kriegsdauer laboriert man in England immer noch daran, daß die englische
Industrie es nicht verstanden hat, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen.
Die stetigen Klagen über die mangelnde Munitionserzeugung in der englischen
Presse sind ein schlüssiger Beweis hierfür.

Gleichwie die englische Nation ihre Kriege von jeher von dem Standpunkte
des geschäftlichen Unternehmens betrachtet hat, indem sie Söldner, möglichst
fremder Nationen, kaufte und mit diesem Einsatz wirtschaftliche oder praktische
Erfolge zu erzielen versuchte, betrachtet auch der englische Unternehmer den Krieg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/280>, abgerufen am 15.01.2025.