Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der Weltkrieg und die Tage der Unternehmerschaft konnten, so ist das meistens nur mit Hilfe der Reserven geschehen. Ähnlich Schlechter noch als in England liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in Der Weltkrieg und die Tage der Unternehmerschaft konnten, so ist das meistens nur mit Hilfe der Reserven geschehen. Ähnlich Schlechter noch als in England liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329950"/> <fw type="header" place="top"> Der Weltkrieg und die Tage der Unternehmerschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_945" prev="#ID_944"> konnten, so ist das meistens nur mit Hilfe der Reserven geschehen. Ähnlich<lb/> ungünstig liegen auch die Verhältnisse in dem überaus wichtigen Kohlenbergbau<lb/> Englands. (Vergl. Ur. 38 der Grenzboten 1915: „Der Weltkrieg und die<lb/> Prüfe von Kohle und Eisen in den europäischen Staaten".) Bei den leitenden<lb/> Kreisen von Englands Industrie und Handel war es bei Ausbrvch des Krieges<lb/> ausgemachte Sache, daß England bald triumphieren und der unbequeme<lb/> deutsche Konkurrent bald am Boden liegen werde. Wie in so mancher anderen<lb/> Beziehung, so hat auch der Krieg in dieser Hinsicht dem englischen Volke eine<lb/> bittere Enttäuschung gebracht. Bekanntlich hat die englische Regierung ver¬<lb/> schiedentlich die Erfahrung machen müssen, daß der mit so großen Hoffnungen<lb/> begonnene Kampf gegen die deutschen Jndustrieerzeugnisse die Kräfte der eng¬<lb/> lischen Industrie bei weitem übersteigt. So laufen nach Mitteilungen des<lb/> „Board of Trade Journal" jetzt, nachdem die deutschen Waren in England<lb/> und seinen Kolonien allmählich verbraucht worden sind, allwöchentlich zahlreiche<lb/> Nachfragen nach Jndustrieerzeugnissen aller Art beim englischen Handelsamt ein,<lb/> für die jedoch trotz aller bisherigen Bemühungen in England Ersatz nicht beschafft<lb/> werden konnte. Man nehme nur die stetigen Klagen über den Mangel an<lb/> deutschen Farbstoffen in der englischen textilindustriellen Fachpresse. Interessant<lb/> ist wohl überhaupt ein kurzer Einblick in die englische Handelsstatistik. So<lb/> beträgt beispielsweise in den fünfzehn ersten Kriegsmonaten der Einfuhr¬<lb/> überschuß, d. h. der Mehrwert des Warenimports gegenüber dem Warenexport,<lb/> nicht weniger als 531 Millionen Pfund Sterling. Das sind rund 233 Millionen<lb/> Pfund Sterling mehr als in den fünfzehn Monaten vom August 1913 bis<lb/> Ende Oktober 1914, wobei in Betracht gezogen werden muß, daß die Monate<lb/> Angust bis Oktober 1914 ebenfalls schon Kriegsmonate waren, der Unterschied<lb/> von 233 Millionen Pfund Sterling also noch als zu niedrig gelten muß.<lb/> Hierzu kommt noch, daß, abgesehen von einigen Rohstoffen, wie beispielsweise<lb/> Baumwolle, durchweg alle Waren beträchtlich im Preise gestiegen sind, 20, 30,<lb/> 40 Prozent und mehr, so daß England heute für 10 Millionen Pfund Sterling<lb/> vielfach eine geringere Warenmenge erhält, als früher für 8 oder 7 Millionen<lb/> Pfund Sterling. Und während Englands Kaufmannschaft ihre aus den nord¬<lb/> amerikanischen Ländern bezogenen Waren prompt bezahlen muß, ist sie ge¬<lb/> zwungen, ihren Abnehmern in den verbündeten Staaten, wenn sie überhaupt<lb/> darin Geschäfte machen will, einen langfristigen Kredit einzuräumen, ganz<lb/> abgesehen davon, daß manche Posten wohl überhaupt nie bezahlt werden<lb/> dürsten.</p><lb/> <p xml:id="ID_946" next="#ID_947"> Schlechter noch als in England liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in<lb/> Frankreich. Der Hauptsitz der französischen Schwerindustrie, besonders der<lb/> Metall- und Textilindustrie, befindet sich im Norden und Osten. Diese Gebiete<lb/> sind entweder von den deutschen Truppen besetzt oder befinden sich in der<lb/> Kampflinie, so daß von einer geregelten Produktion nicht die Rede sein kann.<lb/> Hier sei gleich noch bemerkt, daß die industrielle Bedeutung der von uns besetzten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
Der Weltkrieg und die Tage der Unternehmerschaft
konnten, so ist das meistens nur mit Hilfe der Reserven geschehen. Ähnlich
ungünstig liegen auch die Verhältnisse in dem überaus wichtigen Kohlenbergbau
Englands. (Vergl. Ur. 38 der Grenzboten 1915: „Der Weltkrieg und die
Prüfe von Kohle und Eisen in den europäischen Staaten".) Bei den leitenden
Kreisen von Englands Industrie und Handel war es bei Ausbrvch des Krieges
ausgemachte Sache, daß England bald triumphieren und der unbequeme
deutsche Konkurrent bald am Boden liegen werde. Wie in so mancher anderen
Beziehung, so hat auch der Krieg in dieser Hinsicht dem englischen Volke eine
bittere Enttäuschung gebracht. Bekanntlich hat die englische Regierung ver¬
schiedentlich die Erfahrung machen müssen, daß der mit so großen Hoffnungen
begonnene Kampf gegen die deutschen Jndustrieerzeugnisse die Kräfte der eng¬
lischen Industrie bei weitem übersteigt. So laufen nach Mitteilungen des
„Board of Trade Journal" jetzt, nachdem die deutschen Waren in England
und seinen Kolonien allmählich verbraucht worden sind, allwöchentlich zahlreiche
Nachfragen nach Jndustrieerzeugnissen aller Art beim englischen Handelsamt ein,
für die jedoch trotz aller bisherigen Bemühungen in England Ersatz nicht beschafft
werden konnte. Man nehme nur die stetigen Klagen über den Mangel an
deutschen Farbstoffen in der englischen textilindustriellen Fachpresse. Interessant
ist wohl überhaupt ein kurzer Einblick in die englische Handelsstatistik. So
beträgt beispielsweise in den fünfzehn ersten Kriegsmonaten der Einfuhr¬
überschuß, d. h. der Mehrwert des Warenimports gegenüber dem Warenexport,
nicht weniger als 531 Millionen Pfund Sterling. Das sind rund 233 Millionen
Pfund Sterling mehr als in den fünfzehn Monaten vom August 1913 bis
Ende Oktober 1914, wobei in Betracht gezogen werden muß, daß die Monate
Angust bis Oktober 1914 ebenfalls schon Kriegsmonate waren, der Unterschied
von 233 Millionen Pfund Sterling also noch als zu niedrig gelten muß.
Hierzu kommt noch, daß, abgesehen von einigen Rohstoffen, wie beispielsweise
Baumwolle, durchweg alle Waren beträchtlich im Preise gestiegen sind, 20, 30,
40 Prozent und mehr, so daß England heute für 10 Millionen Pfund Sterling
vielfach eine geringere Warenmenge erhält, als früher für 8 oder 7 Millionen
Pfund Sterling. Und während Englands Kaufmannschaft ihre aus den nord¬
amerikanischen Ländern bezogenen Waren prompt bezahlen muß, ist sie ge¬
zwungen, ihren Abnehmern in den verbündeten Staaten, wenn sie überhaupt
darin Geschäfte machen will, einen langfristigen Kredit einzuräumen, ganz
abgesehen davon, daß manche Posten wohl überhaupt nie bezahlt werden
dürsten.
Schlechter noch als in England liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in
Frankreich. Der Hauptsitz der französischen Schwerindustrie, besonders der
Metall- und Textilindustrie, befindet sich im Norden und Osten. Diese Gebiete
sind entweder von den deutschen Truppen besetzt oder befinden sich in der
Kampflinie, so daß von einer geregelten Produktion nicht die Rede sein kann.
Hier sei gleich noch bemerkt, daß die industrielle Bedeutung der von uns besetzten
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