Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Die französische Internationale zöstsche Delegierte schon einen Monat später (die Basler Zusammenkunft im Juli 1914. Der Krieg droht. Jetzt konnten sie zeigen, daß sie es mit Es wäre falsch, die Verleugnung der gerade von den Franzosen gepriesenen Die französische Internationale zöstsche Delegierte schon einen Monat später (die Basler Zusammenkunft im Juli 1914. Der Krieg droht. Jetzt konnten sie zeigen, daß sie es mit Es wäre falsch, die Verleugnung der gerade von den Franzosen gepriesenen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329943"/> <fw type="header" place="top"> Die französische Internationale</fw><lb/> <p xml:id="ID_928" prev="#ID_927"> zöstsche Delegierte schon einen Monat später (die Basler Zusammenkunft im<lb/> Mai gehört wegen ihrer opportunistisch-parlamentarischen Gesinnung nicht hierher)<lb/> wieder dieselbe aufrührerische Pose an. nämlich auf dem internationalen Transport¬<lb/> arbeiterkongresse zu London, wo die Syndikalisten im Gegensatz zu dem Bericht<lb/> des aus deutschen Mitgliedern bestehenden Zentralrates passive Resistenz und<lb/> Streiks bei einer Mobilmachung forderten. „Es sei Pflicht eines jeden Transport¬<lb/> arbeiters, sich zu weigern, an der Vorbereitung an einem Kriege teilzunehmen.<lb/> Auch der internationale Bergarbeiterkongreß habe erklärt, daß bei einer Kriegs¬<lb/> erklärung sofort die Förderung der Kohle eingestellt werden solle." (Bericht des<lb/> B. T. 1913, Ur. 441.)</p><lb/> <p xml:id="ID_929"> Juli 1914. Der Krieg droht. Jetzt konnten sie zeigen, daß sie es mit<lb/> ihren Theorieen ernst meinten, daß der internationale Gedanke nicht nur ein<lb/> nebelhaftes Wort war, sondern eine wirkliche Kulturmacht, mit der der nationale<lb/> Staat rechnen mußte. Der Generalstreik, die Revolution blieb aus. Einige<lb/> AntiMilitaristen schrieen „nieder mit dem Krieg!" und stimmten die Jnternatonale<lb/> an, als ihnen die ewige Marseillaise auf die Nerven fiel. Die Gewerkler wagten<lb/> einige Worte: „Wir berufen Euch zu Volksversammlungen (die von der Polizei<lb/> verboten wurden), um den unerschütterlichen Friedenswillen des zielbewußter<lb/> Proletariats auszudrücken. Die Gefahr ist im Anzüge. Die regierenden Kreise,<lb/> die Euch im Frieden knechten, verachten und ausbeuten, wollen Euch zu Kanonen¬<lb/> futter machen. Wir wollen keinen Krieg, nieder mit dem Krieg, es lebe die<lb/> internationale Versöhnung." Aber daneben steht schon die Phrase aus dem<lb/> „Matin": „Die Forderung dieser Regierung (Österreichs) hatte eine Brutalität<lb/> und sie kann nur den Zweck haben, den Krieg heraufzubeschwören." Die<lb/> sozialistische Kammergruppe mißtraut Rußland und den „willkürlichen Deutungen<lb/> geheimer Vorträge", kopiert aber die Dreiverbandssprache, wenn sie vom „streit¬<lb/> süchtigen kaiserlichen Germanismus" redet. Heros, der angeblich schon 1907<lb/> den französischen Generalstab in der Tasche hatte, legt das verspätete Bekenntnis<lb/> ab: „Da wir unser Unvermögen feststellen müssen, den Krieg durch einen ver¬<lb/> abredeten und gleichzeitig in allen Ländern ins Werk gesetzten allgemeinen Auf¬<lb/> stand zu verhindern, ist es unsere Pflicht, den Herd der Freiheit zu verteidigen".<lb/> Die allgemeine Mobilmachung wird angesagt. Keiner stellt die Arbeit ein,<lb/> keiner widersetzt sich, für den „Kapitalistenstaat", mit dem „das zielbewußte<lb/> Proletariat" nichts gemein haben wollte, die Waffe in die Hand zu nehmen.<lb/> Die einzige revolutionäre Tat war die Ermordung des Sozialisten Jaurös.<lb/> Mit diesem Symbol beginnt der Krieg; die Internationale ist zum zweiten<lb/> Male vom Krieg erschlagen. Die nationale Sammlung, die „Union sacrös"<lb/> wurde erklärt, und bald traten Sembat und Guesde ins Ministerium.</p><lb/> <p xml:id="ID_930" next="#ID_931"> Es wäre falsch, die Verleugnung der gerade von den Franzosen gepriesenen<lb/> revolutionären, anarchistischen Grundsätze als gemeinen Verrat und Unfall zu<lb/> charakterisieren. Im Frieden haben sie wahrscheinlich ehrlich an die Möglichkeit<lb/> des Generalstreiks gedacht und an ihr Vermögen geglaubt. Daß ihre Organi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
Die französische Internationale
zöstsche Delegierte schon einen Monat später (die Basler Zusammenkunft im
Mai gehört wegen ihrer opportunistisch-parlamentarischen Gesinnung nicht hierher)
wieder dieselbe aufrührerische Pose an. nämlich auf dem internationalen Transport¬
arbeiterkongresse zu London, wo die Syndikalisten im Gegensatz zu dem Bericht
des aus deutschen Mitgliedern bestehenden Zentralrates passive Resistenz und
Streiks bei einer Mobilmachung forderten. „Es sei Pflicht eines jeden Transport¬
arbeiters, sich zu weigern, an der Vorbereitung an einem Kriege teilzunehmen.
Auch der internationale Bergarbeiterkongreß habe erklärt, daß bei einer Kriegs¬
erklärung sofort die Förderung der Kohle eingestellt werden solle." (Bericht des
B. T. 1913, Ur. 441.)
Juli 1914. Der Krieg droht. Jetzt konnten sie zeigen, daß sie es mit
ihren Theorieen ernst meinten, daß der internationale Gedanke nicht nur ein
nebelhaftes Wort war, sondern eine wirkliche Kulturmacht, mit der der nationale
Staat rechnen mußte. Der Generalstreik, die Revolution blieb aus. Einige
AntiMilitaristen schrieen „nieder mit dem Krieg!" und stimmten die Jnternatonale
an, als ihnen die ewige Marseillaise auf die Nerven fiel. Die Gewerkler wagten
einige Worte: „Wir berufen Euch zu Volksversammlungen (die von der Polizei
verboten wurden), um den unerschütterlichen Friedenswillen des zielbewußter
Proletariats auszudrücken. Die Gefahr ist im Anzüge. Die regierenden Kreise,
die Euch im Frieden knechten, verachten und ausbeuten, wollen Euch zu Kanonen¬
futter machen. Wir wollen keinen Krieg, nieder mit dem Krieg, es lebe die
internationale Versöhnung." Aber daneben steht schon die Phrase aus dem
„Matin": „Die Forderung dieser Regierung (Österreichs) hatte eine Brutalität
und sie kann nur den Zweck haben, den Krieg heraufzubeschwören." Die
sozialistische Kammergruppe mißtraut Rußland und den „willkürlichen Deutungen
geheimer Vorträge", kopiert aber die Dreiverbandssprache, wenn sie vom „streit¬
süchtigen kaiserlichen Germanismus" redet. Heros, der angeblich schon 1907
den französischen Generalstab in der Tasche hatte, legt das verspätete Bekenntnis
ab: „Da wir unser Unvermögen feststellen müssen, den Krieg durch einen ver¬
abredeten und gleichzeitig in allen Ländern ins Werk gesetzten allgemeinen Auf¬
stand zu verhindern, ist es unsere Pflicht, den Herd der Freiheit zu verteidigen".
Die allgemeine Mobilmachung wird angesagt. Keiner stellt die Arbeit ein,
keiner widersetzt sich, für den „Kapitalistenstaat", mit dem „das zielbewußte
Proletariat" nichts gemein haben wollte, die Waffe in die Hand zu nehmen.
Die einzige revolutionäre Tat war die Ermordung des Sozialisten Jaurös.
Mit diesem Symbol beginnt der Krieg; die Internationale ist zum zweiten
Male vom Krieg erschlagen. Die nationale Sammlung, die „Union sacrös"
wurde erklärt, und bald traten Sembat und Guesde ins Ministerium.
Es wäre falsch, die Verleugnung der gerade von den Franzosen gepriesenen
revolutionären, anarchistischen Grundsätze als gemeinen Verrat und Unfall zu
charakterisieren. Im Frieden haben sie wahrscheinlich ehrlich an die Möglichkeit
des Generalstreiks gedacht und an ihr Vermögen geglaubt. Daß ihre Organi-
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