Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen auch nur im geringsten weniger Glaubwürdigkeit beimessen sollte als den von Es geht aus diesen Zeugenaussagen hervor, daß eine große Anzahl von Aber welcher Partei soll man nun glauben? fragt Gad. Dies zu ent¬ Immer wieder stehen, sagt Gad, scheinbar unbedingt überzeugende Be¬ Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen auch nur im geringsten weniger Glaubwürdigkeit beimessen sollte als den von Es geht aus diesen Zeugenaussagen hervor, daß eine große Anzahl von Aber welcher Partei soll man nun glauben? fragt Gad. Dies zu ent¬ Immer wieder stehen, sagt Gad, scheinbar unbedingt überzeugende Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329920"/> <fw type="header" place="top"> Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen</fw><lb/> <p xml:id="ID_836" prev="#ID_835"> auch nur im geringsten weniger Glaubwürdigkeit beimessen sollte als den von<lb/> den französischen, englischen und belgischen Regierungskommissionen herbei¬<lb/> geschafften Berichten!</p><lb/> <p xml:id="ID_837"> Es geht aus diesen Zeugenaussagen hervor, daß eine große Anzahl von<lb/> Zivilpersonen ohne irgendwelche militärischen Abzeichen wieder und wieder die<lb/> deutschen Truppen überfallen, daß sogar Kinder an der Beschießung teilgenommen<lb/> haben, daß das Rote Kreuz mißbraucht worden ist, und daß deutsche Soldaten<lb/> auf verschiedene Art von der Bevölkerung mißhandelt worden sind. All dies<lb/> geht ebenso deutlich und ebenso zuverlässig bekräftigt aus den deutschen Be¬<lb/> richten hervor, wie aus den französisch-englisch-belgischen Berichten hervorgeht,<lb/> daß die Belgier sich nichts von alledem zuschulden kommen ließen, und daß die<lb/> Deutschen ohne den geringsten Grund gemordet, gebrannt und zerstört haben,<lb/> soviel sie nur konnten."</p><lb/> <p xml:id="ID_838"> Aber welcher Partei soll man nun glauben? fragt Gad. Dies zu ent¬<lb/> scheiden, sei natürlich außerordentlich schwierig, aber die Methode des Glöckners,<lb/> blindlings der einen Partei Glaubwürdigkeit zuzuwenden und der anderen ab¬<lb/> zusprechen, sei jedenfalls untauglich. Jörgensen führt z.B. Ren6 Chambry<lb/> als Zeugen dafür an, daß die Bevölkerung von Löwen ganz unschuldig an<lb/> dem Schicksal war. daß die Stadt betroffen hat. „Aber welchen Wert hat die<lb/> Versicherung Reus Chambrus, daß jeder dem Befehl, die Waffen auf dem<lb/> Rathause abzuliefern, Folge geleistet hätte, gegenüber den beeidigten und aus¬<lb/> führlichen Berichten von 50 deutschen Offizieren darüber, daß am 25. August<lb/> abends auf ein gegebenes Signal ein heftiger Angriff gegen die deutschen<lb/> Truppen gerichtet wurde, indem aus Kellern, Fenstern und besonders aus den<lb/> Dachluken der Häuser geschossen wurde, ein Angriff, der sich zu einem erbitterten<lb/> Kampf entwickelte, welcher sich über mehrere Tage erstreckte und belgischerseits<lb/> von Zivilisten geführt wurde."</p><lb/> <p xml:id="ID_839"> Immer wieder stehen, sagt Gad, scheinbar unbedingt überzeugende Be¬<lb/> hauptungen einander gegenüber, unterstützt von den beeidigten Aussagen von<lb/> Augenzeugen. Ja, was soll man da tun? Natürlich kann niemand den Leuten<lb/> verbieten, die Wahl nach ihren persönlichen Sympathien zu treffen. Aber es<lb/> muß nur festgehalten werden, daß auf solche Art erzielte Ergebnisse keinerlei<lb/> Wert haben in bezug auf die Klarlegung der historischen Tatsachen. „Nein,<lb/> will man im Interesse der Wahrheit arbeiten, so muß man einen anderen Weg<lb/> gehen. Man muß ehrlich die Zeugnisse von beiden Seiten prüfen und dann<lb/> eine Beurteilung auf Grundlage einer Wahrscheinlichkeitsschätzung vornehmen.<lb/> Wenn man nicht im voraus vormteilsvoll meint, daß die eine Partei der<lb/> Kämpfenden aus Barbaren bestehe und deshalb zu Verbrechen jeglicher Art<lb/> imstande sei, dann müssen Berichte von Grausamkeiten im ersten Augenblick unwahr¬<lb/> scheinlich wirken, um so unwahrscheinlicher, je mehr sie sich von dem entfernen,<lb/> was man erwarten konnte. Das will natürlich nicht sagen, daß man einen gut<lb/> bezeugten Bericht mit der Begründung, daß er unwahrscheinlich sei, verwerfen soll.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0252]
Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen
auch nur im geringsten weniger Glaubwürdigkeit beimessen sollte als den von
den französischen, englischen und belgischen Regierungskommissionen herbei¬
geschafften Berichten!
Es geht aus diesen Zeugenaussagen hervor, daß eine große Anzahl von
Zivilpersonen ohne irgendwelche militärischen Abzeichen wieder und wieder die
deutschen Truppen überfallen, daß sogar Kinder an der Beschießung teilgenommen
haben, daß das Rote Kreuz mißbraucht worden ist, und daß deutsche Soldaten
auf verschiedene Art von der Bevölkerung mißhandelt worden sind. All dies
geht ebenso deutlich und ebenso zuverlässig bekräftigt aus den deutschen Be¬
richten hervor, wie aus den französisch-englisch-belgischen Berichten hervorgeht,
daß die Belgier sich nichts von alledem zuschulden kommen ließen, und daß die
Deutschen ohne den geringsten Grund gemordet, gebrannt und zerstört haben,
soviel sie nur konnten."
Aber welcher Partei soll man nun glauben? fragt Gad. Dies zu ent¬
scheiden, sei natürlich außerordentlich schwierig, aber die Methode des Glöckners,
blindlings der einen Partei Glaubwürdigkeit zuzuwenden und der anderen ab¬
zusprechen, sei jedenfalls untauglich. Jörgensen führt z.B. Ren6 Chambry
als Zeugen dafür an, daß die Bevölkerung von Löwen ganz unschuldig an
dem Schicksal war. daß die Stadt betroffen hat. „Aber welchen Wert hat die
Versicherung Reus Chambrus, daß jeder dem Befehl, die Waffen auf dem
Rathause abzuliefern, Folge geleistet hätte, gegenüber den beeidigten und aus¬
führlichen Berichten von 50 deutschen Offizieren darüber, daß am 25. August
abends auf ein gegebenes Signal ein heftiger Angriff gegen die deutschen
Truppen gerichtet wurde, indem aus Kellern, Fenstern und besonders aus den
Dachluken der Häuser geschossen wurde, ein Angriff, der sich zu einem erbitterten
Kampf entwickelte, welcher sich über mehrere Tage erstreckte und belgischerseits
von Zivilisten geführt wurde."
Immer wieder stehen, sagt Gad, scheinbar unbedingt überzeugende Be¬
hauptungen einander gegenüber, unterstützt von den beeidigten Aussagen von
Augenzeugen. Ja, was soll man da tun? Natürlich kann niemand den Leuten
verbieten, die Wahl nach ihren persönlichen Sympathien zu treffen. Aber es
muß nur festgehalten werden, daß auf solche Art erzielte Ergebnisse keinerlei
Wert haben in bezug auf die Klarlegung der historischen Tatsachen. „Nein,
will man im Interesse der Wahrheit arbeiten, so muß man einen anderen Weg
gehen. Man muß ehrlich die Zeugnisse von beiden Seiten prüfen und dann
eine Beurteilung auf Grundlage einer Wahrscheinlichkeitsschätzung vornehmen.
Wenn man nicht im voraus vormteilsvoll meint, daß die eine Partei der
Kämpfenden aus Barbaren bestehe und deshalb zu Verbrechen jeglicher Art
imstande sei, dann müssen Berichte von Grausamkeiten im ersten Augenblick unwahr¬
scheinlich wirken, um so unwahrscheinlicher, je mehr sie sich von dem entfernen,
was man erwarten konnte. Das will natürlich nicht sagen, daß man einen gut
bezeugten Bericht mit der Begründung, daß er unwahrscheinlich sei, verwerfen soll.
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