Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
"?

Auf einem Blatt in groß Achtel findet sich ein Geburtstagsgedicht, vielleicht
an Luise Ganslandt, die wenigstens an diesem Tage geboren war. Das Jahr
ist nicht angegeben. Das Hochzcitsgedicht Geisels für sie s. bei Gaedertz, S. 175.

7.

Den 26. Januar
Die Sonne steigt. In Purpurwolken hüllet
Der weite Horizont sich flammend ein,
Und aus der hehren Feuerkugel auillet
Ein rosafarbner, blendend Heller Schein;
Von leichtem Nebel ist die Luft erfüllet,
Er wallet rötlich über Feld und Hain,
Und wie empor des Morgens Lichter schweben,
Erblühen rings von neuem Lust und Leben. Zwar siehst du nicht die dunkle Rose blühen
Und findest nicht das Veilchen auf der Spur,
Doch herrlich scheint der frische Reif zu glühen,
Im Rosenschimmer liegt die Weiße Flur;
Des Winters düstre Schucegewölke fliehen,
Der Himmel strahlt wie Gold und wie Azur,
Des Stromes Flut, die silberreinen Bäche,
Sie gleichen einer hell kristallnen Fläche, Da tönt von fern ein feierlich Geläute,
Das weit und herrlich durch die Auen hallt,
Nicht weisz ich, was der schöne Klang bedeute,
Er dringt ins Herz mit inniger Gewalt.
Welch hohes Fest begehen wir denn heute?
Was ist's, warum die Feierglocke schallt?
So frag ich selbst mich, aber nicht ersinnen
Kann ich das Fest, das heute wir beginnen. Doch sieh, wie Plötzlich jetzt die Nebel schwinden,
Und wie empor ein Wolkenvorhang rollt,
Vom Glänze will das Auge mir erblinden,
ES strahlt wie Purpur, Rosenrot und Gold;
Und tausend bunte Blumenkränze winden
Um Weiße Säulen blühend sich und hold,
Und tausend helle Lichtgestalten wallen
Rings in des Strahlentempels goldnen Hallen. Und wie ich schau, und wie ich staunend frage,
Weshalb ich hier so hohen Glanz gewahrt,
Da rührt's mich an mit leisem Zauberschlage,
Und das Geheimnis ward mir offenbart.
Jetzt wußt' ich es, warum am heut'gen Tage
In der Natur ein Fest begangen ward:
An diesem Tag war einst im Flug der Hören
Für unser Haus ein lichter Stern geboren. Doch heute, da in feierlicher Stunde
Das alte Jahr dem neuen sich verschlingt,
Da jeder dir mit freudevollem Munde
Den frohen Gruß, den treuen Glückwunsch bringt:
Da gäb' auch ich dir gerne einmal Kunde
Von dem, was mir im tiefsten Herzen klingt,
Doch meinen Wunsch, mein Hoffen und mein Bangen
Vermag ich nicht mit Worten zu umfangen.

»?

Auf einem Blatt in groß Achtel findet sich ein Geburtstagsgedicht, vielleicht
an Luise Ganslandt, die wenigstens an diesem Tage geboren war. Das Jahr
ist nicht angegeben. Das Hochzcitsgedicht Geisels für sie s. bei Gaedertz, S. 175.

7.

Den 26. Januar
Die Sonne steigt. In Purpurwolken hüllet
Der weite Horizont sich flammend ein,
Und aus der hehren Feuerkugel auillet
Ein rosafarbner, blendend Heller Schein;
Von leichtem Nebel ist die Luft erfüllet,
Er wallet rötlich über Feld und Hain,
Und wie empor des Morgens Lichter schweben,
Erblühen rings von neuem Lust und Leben. Zwar siehst du nicht die dunkle Rose blühen
Und findest nicht das Veilchen auf der Spur,
Doch herrlich scheint der frische Reif zu glühen,
Im Rosenschimmer liegt die Weiße Flur;
Des Winters düstre Schucegewölke fliehen,
Der Himmel strahlt wie Gold und wie Azur,
Des Stromes Flut, die silberreinen Bäche,
Sie gleichen einer hell kristallnen Fläche, Da tönt von fern ein feierlich Geläute,
Das weit und herrlich durch die Auen hallt,
Nicht weisz ich, was der schöne Klang bedeute,
Er dringt ins Herz mit inniger Gewalt.
Welch hohes Fest begehen wir denn heute?
Was ist's, warum die Feierglocke schallt?
So frag ich selbst mich, aber nicht ersinnen
Kann ich das Fest, das heute wir beginnen. Doch sieh, wie Plötzlich jetzt die Nebel schwinden,
Und wie empor ein Wolkenvorhang rollt,
Vom Glänze will das Auge mir erblinden,
ES strahlt wie Purpur, Rosenrot und Gold;
Und tausend bunte Blumenkränze winden
Um Weiße Säulen blühend sich und hold,
Und tausend helle Lichtgestalten wallen
Rings in des Strahlentempels goldnen Hallen. Und wie ich schau, und wie ich staunend frage,
Weshalb ich hier so hohen Glanz gewahrt,
Da rührt's mich an mit leisem Zauberschlage,
Und das Geheimnis ward mir offenbart.
Jetzt wußt' ich es, warum am heut'gen Tage
In der Natur ein Fest begangen ward:
An diesem Tag war einst im Flug der Hören
Für unser Haus ein lichter Stern geboren. Doch heute, da in feierlicher Stunde
Das alte Jahr dem neuen sich verschlingt,
Da jeder dir mit freudevollem Munde
Den frohen Gruß, den treuen Glückwunsch bringt:
Da gäb' auch ich dir gerne einmal Kunde
Von dem, was mir im tiefsten Herzen klingt,
Doch meinen Wunsch, mein Hoffen und mein Bangen
Vermag ich nicht mit Worten zu umfangen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324508"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> »?</head><lb/>
          <p xml:id="ID_311"> Auf einem Blatt in groß Achtel findet sich ein Geburtstagsgedicht, vielleicht<lb/>
an Luise Ganslandt, die wenigstens an diesem Tage geboren war. Das Jahr<lb/>
ist nicht angegeben. Das Hochzcitsgedicht Geisels für sie s. bei Gaedertz, S. 175.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_312"> 7.</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_17" type="poem">
            <head> Den 26. Januar</head>
            <l> Die Sonne steigt. In Purpurwolken hüllet<lb/>
Der weite Horizont sich flammend ein,<lb/>
Und aus der hehren Feuerkugel auillet<lb/>
Ein rosafarbner, blendend Heller Schein;<lb/>
Von leichtem Nebel ist die Luft erfüllet,<lb/>
Er wallet rötlich über Feld und Hain,<lb/>
Und wie empor des Morgens Lichter schweben,<lb/>
Erblühen rings von neuem Lust und Leben. Zwar siehst du nicht die dunkle Rose blühen<lb/>
Und findest nicht das Veilchen auf der Spur,<lb/>
Doch herrlich scheint der frische Reif zu glühen,<lb/>
Im Rosenschimmer liegt die Weiße Flur;<lb/>
Des Winters düstre Schucegewölke fliehen,<lb/>
Der Himmel strahlt wie Gold und wie Azur,<lb/>
Des Stromes Flut, die silberreinen Bäche,<lb/>
Sie gleichen einer hell kristallnen Fläche, Da tönt von fern ein feierlich Geläute,<lb/>
Das weit und herrlich durch die Auen hallt,<lb/>
Nicht weisz ich, was der schöne Klang bedeute,<lb/>
Er dringt ins Herz mit inniger Gewalt.<lb/>
Welch hohes Fest begehen wir denn heute?<lb/>
Was ist's, warum die Feierglocke schallt?<lb/>
So frag ich selbst mich, aber nicht ersinnen<lb/>
Kann ich das Fest, das heute wir beginnen. Doch sieh, wie Plötzlich jetzt die Nebel schwinden,<lb/>
Und wie empor ein Wolkenvorhang rollt,<lb/>
Vom Glänze will das Auge mir erblinden,<lb/>
ES strahlt wie Purpur, Rosenrot und Gold;<lb/>
Und tausend bunte Blumenkränze winden<lb/>
Um Weiße Säulen blühend sich und hold,<lb/>
Und tausend helle Lichtgestalten wallen<lb/>
Rings in des Strahlentempels goldnen Hallen. Und wie ich schau, und wie ich staunend frage,<lb/>
Weshalb ich hier so hohen Glanz gewahrt,<lb/>
Da rührt's mich an mit leisem Zauberschlage,<lb/>
Und das Geheimnis ward mir offenbart.<lb/>
Jetzt wußt' ich es, warum am heut'gen Tage<lb/>
In der Natur ein Fest begangen ward:<lb/>
An diesem Tag war einst im Flug der Hören<lb/>
Für unser Haus ein lichter Stern geboren. Doch heute, da in feierlicher Stunde<lb/>
Das alte Jahr dem neuen sich verschlingt,<lb/>
Da jeder dir mit freudevollem Munde<lb/>
Den frohen Gruß, den treuen Glückwunsch bringt:<lb/>
Da gäb' auch ich dir gerne einmal Kunde<lb/>
Von dem, was mir im tiefsten Herzen klingt,<lb/>
Doch meinen Wunsch, mein Hoffen und mein Bangen<lb/>
Vermag ich nicht mit Worten zu umfangen. </l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0099] »? Auf einem Blatt in groß Achtel findet sich ein Geburtstagsgedicht, vielleicht an Luise Ganslandt, die wenigstens an diesem Tage geboren war. Das Jahr ist nicht angegeben. Das Hochzcitsgedicht Geisels für sie s. bei Gaedertz, S. 175. 7. Den 26. Januar Die Sonne steigt. In Purpurwolken hüllet Der weite Horizont sich flammend ein, Und aus der hehren Feuerkugel auillet Ein rosafarbner, blendend Heller Schein; Von leichtem Nebel ist die Luft erfüllet, Er wallet rötlich über Feld und Hain, Und wie empor des Morgens Lichter schweben, Erblühen rings von neuem Lust und Leben. Zwar siehst du nicht die dunkle Rose blühen Und findest nicht das Veilchen auf der Spur, Doch herrlich scheint der frische Reif zu glühen, Im Rosenschimmer liegt die Weiße Flur; Des Winters düstre Schucegewölke fliehen, Der Himmel strahlt wie Gold und wie Azur, Des Stromes Flut, die silberreinen Bäche, Sie gleichen einer hell kristallnen Fläche, Da tönt von fern ein feierlich Geläute, Das weit und herrlich durch die Auen hallt, Nicht weisz ich, was der schöne Klang bedeute, Er dringt ins Herz mit inniger Gewalt. Welch hohes Fest begehen wir denn heute? Was ist's, warum die Feierglocke schallt? So frag ich selbst mich, aber nicht ersinnen Kann ich das Fest, das heute wir beginnen. Doch sieh, wie Plötzlich jetzt die Nebel schwinden, Und wie empor ein Wolkenvorhang rollt, Vom Glänze will das Auge mir erblinden, ES strahlt wie Purpur, Rosenrot und Gold; Und tausend bunte Blumenkränze winden Um Weiße Säulen blühend sich und hold, Und tausend helle Lichtgestalten wallen Rings in des Strahlentempels goldnen Hallen. Und wie ich schau, und wie ich staunend frage, Weshalb ich hier so hohen Glanz gewahrt, Da rührt's mich an mit leisem Zauberschlage, Und das Geheimnis ward mir offenbart. Jetzt wußt' ich es, warum am heut'gen Tage In der Natur ein Fest begangen ward: An diesem Tag war einst im Flug der Hören Für unser Haus ein lichter Stern geboren. Doch heute, da in feierlicher Stunde Das alte Jahr dem neuen sich verschlingt, Da jeder dir mit freudevollem Munde Den frohen Gruß, den treuen Glückwunsch bringt: Da gäb' auch ich dir gerne einmal Kunde Von dem, was mir im tiefsten Herzen klingt, Doch meinen Wunsch, mein Hoffen und mein Bangen Vermag ich nicht mit Worten zu umfangen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/99
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/99>, abgerufen am 22.07.2024.