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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Baumwolle als Bannware

Jetzt zeigt es sich wieder einmal, was der oft betonte "Schutz der neu¬
tralen Interessen" durch die Engländer zu bedeuten hat. Anstatt weitgehende
Rücksicht auf den Baumwollhandel Hollands, Schwedens, Norwegens, Däne¬
marks usw. zu nehmen, haben die Briten ihnen seit Monaten die Baumwoll¬
zufuhr erschwert und sie ihnen jetzt völlig unmöglich gemacht, solange die neu¬
tralen Empfänger nicht imstande sind, den Beweis zu erbringen, daß die ein¬
zuführende Rohbaumwolle in ihrem Lande selbst zur Verarbeitung gelangen und
nicht an feindliche Länder weitergegeben werden soll. Es ist ohne weiteres
einleuchtend, daß die sich hierdurch für die Baumwollinteressenten der neutralen
Nord- und Mitteleuropäischen Länder ergebenden gewalügen Nachteile sich in
vielleicht noch höherem Maße auf die Baumwollpflanzer und Exporteure in den
Vereinigten Staaten übertragen, und für diese um so mehr in das Gewicht
fallen, als sie gerade im laufenden Jahre über eine gute Ernte verfügen, zu
der noch 4000000 unverkaufte Ballen aus der vorjährigen kommen, die sie
absetzen müssen, wenn sie vermeiden wollen, daß die nicht verkauften, also über¬
schüssigen Vorräte im nächsten Jahre die Preisbildung stark beeinflussen.

England hat sich angeblich erboten, den Amerikanern aus besonderen: Ent¬
gegenkommen 1,5 Millionen Ballen aus den überschüssigen Vorräten dieses Jahres
abzukaufen, um ihnen damit ein Pflaster auf die Wunde zu legen, die ihnen
die englischerseits angezettelte Baumwollsperre schlagen muß. Es ist jedoch
Grund zu der Annahme vorhanden, daß das Angebot, vorausgesetzt, daß es
tatsächlich gemacht ist, lediglich ein solches bleiben wird, da es den Briten, die
schon jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um in den Vereinigten Staaten ihren
Geldbedarf für sich und ihre Verbündeten auf dem Wege der Anleihe zu decken,
im Hinblick auf ihre zunehmende Geldknappheit und den dauernd sinkenden
Sterlingkurs kaum möglich sein wird, es zu erfüllen.

Auch die steigende Tendenz der Baumwollpreise in den Vereinigten Staaten,
die Anfang September nach dem Bekanntwerden des von Deutschland aus in
Amerika gemachten Kaufangebots auf eine Million Ballen Baumwolle ein¬
setzte, kann dafür mitbestimmend sein. Es ist jedenfalls bemerkenswert, daß
die deutsche Offerte bei den Engländern ein gewisses Mißbehagen hervor¬
gerufen hat, über das sie das Ausland gern hinwegtäuschen möchten.
Die "Times" sind jedenfalls bemüht gewesen, bei ihren Lesern den Eindruck
zu erwecken, als ob das wohlüberlegte und sicher nicht ungeschickte Vorgehen
der deutschen Baumwollinteressenten nicht ernst zu nehmen sei. Das Londoner
Blatt ging mit einigen spöttischen Bemerkungen über die Sache hinweg, deren
Entwicklung hier nach Angaben von zuständiger Seite noch einmal ausführ¬
licher dargelegt sei, um zu beweisen, daß von einer von der Baumwoll-Jmport-
Gesellschaft "erfundenen Offerte", wie sie die Times zu unterstellen beliebten,
keine Rede sein kann. Man wird sich erinnern, daß am 24. August dieses
Jahres in der Bremer Handelskammer auf Anregung der gesamten am Baum¬
wollimport interessierten deutschen und österreichischen Kreise unter dem Namen


Baumwolle als Bannware

Jetzt zeigt es sich wieder einmal, was der oft betonte „Schutz der neu¬
tralen Interessen" durch die Engländer zu bedeuten hat. Anstatt weitgehende
Rücksicht auf den Baumwollhandel Hollands, Schwedens, Norwegens, Däne¬
marks usw. zu nehmen, haben die Briten ihnen seit Monaten die Baumwoll¬
zufuhr erschwert und sie ihnen jetzt völlig unmöglich gemacht, solange die neu¬
tralen Empfänger nicht imstande sind, den Beweis zu erbringen, daß die ein¬
zuführende Rohbaumwolle in ihrem Lande selbst zur Verarbeitung gelangen und
nicht an feindliche Länder weitergegeben werden soll. Es ist ohne weiteres
einleuchtend, daß die sich hierdurch für die Baumwollinteressenten der neutralen
Nord- und Mitteleuropäischen Länder ergebenden gewalügen Nachteile sich in
vielleicht noch höherem Maße auf die Baumwollpflanzer und Exporteure in den
Vereinigten Staaten übertragen, und für diese um so mehr in das Gewicht
fallen, als sie gerade im laufenden Jahre über eine gute Ernte verfügen, zu
der noch 4000000 unverkaufte Ballen aus der vorjährigen kommen, die sie
absetzen müssen, wenn sie vermeiden wollen, daß die nicht verkauften, also über¬
schüssigen Vorräte im nächsten Jahre die Preisbildung stark beeinflussen.

England hat sich angeblich erboten, den Amerikanern aus besonderen: Ent¬
gegenkommen 1,5 Millionen Ballen aus den überschüssigen Vorräten dieses Jahres
abzukaufen, um ihnen damit ein Pflaster auf die Wunde zu legen, die ihnen
die englischerseits angezettelte Baumwollsperre schlagen muß. Es ist jedoch
Grund zu der Annahme vorhanden, daß das Angebot, vorausgesetzt, daß es
tatsächlich gemacht ist, lediglich ein solches bleiben wird, da es den Briten, die
schon jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um in den Vereinigten Staaten ihren
Geldbedarf für sich und ihre Verbündeten auf dem Wege der Anleihe zu decken,
im Hinblick auf ihre zunehmende Geldknappheit und den dauernd sinkenden
Sterlingkurs kaum möglich sein wird, es zu erfüllen.

Auch die steigende Tendenz der Baumwollpreise in den Vereinigten Staaten,
die Anfang September nach dem Bekanntwerden des von Deutschland aus in
Amerika gemachten Kaufangebots auf eine Million Ballen Baumwolle ein¬
setzte, kann dafür mitbestimmend sein. Es ist jedenfalls bemerkenswert, daß
die deutsche Offerte bei den Engländern ein gewisses Mißbehagen hervor¬
gerufen hat, über das sie das Ausland gern hinwegtäuschen möchten.
Die „Times" sind jedenfalls bemüht gewesen, bei ihren Lesern den Eindruck
zu erwecken, als ob das wohlüberlegte und sicher nicht ungeschickte Vorgehen
der deutschen Baumwollinteressenten nicht ernst zu nehmen sei. Das Londoner
Blatt ging mit einigen spöttischen Bemerkungen über die Sache hinweg, deren
Entwicklung hier nach Angaben von zuständiger Seite noch einmal ausführ¬
licher dargelegt sei, um zu beweisen, daß von einer von der Baumwoll-Jmport-
Gesellschaft „erfundenen Offerte", wie sie die Times zu unterstellen beliebten,
keine Rede sein kann. Man wird sich erinnern, daß am 24. August dieses
Jahres in der Bremer Handelskammer auf Anregung der gesamten am Baum¬
wollimport interessierten deutschen und österreichischen Kreise unter dem Namen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/70>, abgerufen am 27.12.2024.