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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Aus Lmcmuel Geibels Schülerzeit

ein hübsches Mädchen, "blauäugig und blondlockig", und ist der Gegenstand
der ersten Jugendschwärmerei des Sekundaners gewesen; "wir liebten wie die
Knaben, stumm und zart", sagt er von jener Zeit. Sie selbst hat später nie
davon gesprochen, doch wußte man in der Familie darum. Auch wird er wohl
sie, wie Gaedertz meint, im Sinn gehabt haben, wenn es in seinem ersten
gedruckten, von Chamisso und Gustav Schwab in den Musenalmanach für 1834
aufgenommenen Gedichte "Vergessen" heißt:

Daß diese Liebe nicht allzu tief gegangen war, zeigt der an Uhlands
"Entschuldigung" erinnernde Schluß des Geburtstagsbriefes, und zwei Verse im
Festspiel zu seines Lehrers Classen Hochzeit mit Wilhelm Wattenbachs Schwester
Karoline, zu Ostern 1834:

Und doch hatte der achtzehnjährige Oberprimaner schon am 6. November 1833
beim ersten Zusammentreffen mit der ihm gleichalterigen Cäcilie Wattenbach eine
tiefe, dauernde, auch erwiderte Liebe für diese liebreizende, die Base Maria, die
noch dazu damals fern in Hanau lebte, überstrahlende Erscheinung gefaßt**).

Beide Mädchen sind unvermählt geblieben; denn auch das nahe Verhältnis
-- es ist auch schon Verlöbnis genannt worden -- Geisels zu Cäcilie, dem
wir so manches herrliche Gedicht aus der folgenden Zeit verdanken***), hat sich
nach sieben Jahren, im Dezember 1840, gelöst, weil des Dichters Zukunft zu
unsicher schien und er das entscheidende Wort nicht finden konnte; das hat
beiden viel Leid gebracht; erst im späteren Leben haben sie sich wieder zu
beglückender Freundschaft zusammengefunden, und der Tod der Jugendgeliebten
im Februar 1883 ist das letzte schwere Leid für ihn gewesen.





*) Vergleiche auch G, W. I. S. 149 "Einem Freunde".
**) Gaedertz, E. G,, S. 67 meint, die Gestalten beider Mädchen seien in Geibels Jugend¬
liedern gleichsam zu einem Bilde bereinigt. Über das erste Zusammentreffen mit Cäcilie
s. G. W. V, 90.
***) Eine Anzahl der bisher auf Cäcilie bezogenen Gedichte sind an Pauline Trummer.
die jüngere Schwester von Geibels ihm nach dreijähriger glücklichster Ehe 18os durch den
Tod entrissenen jugendlichen Gattin Ananda (Ada), geb. Trummer. gerichtet gewesen.
Vergl. Weigle. E. G.'s Jugendlyrik. S. 10. -- Auch durch Henriette v. d. Malsburg, f 1912
als Gräfin von Holnstein, ist Geibel zwar zu mehreren Gedichten angeregt worden, doch hat
er selbst ihr erklärt, daß er nur im "Minnelied" sie gemeint habe. Es sei hier berichtigend
zugefügt, daß er weder sie noch ihren Vater um ihre Hand gebeten hat; sie war auch bei
seiner Ankunft in Escheberg erst 18Vs Jahr alt und hat von seiner aufkeimenden Neigung
überhaupt damals nichts erfahren. Geibel hat diese unterdrückt, als auf eine leise Anfrage
seines dem Freiherrn befreundeten Vaters, der des Sohnes Gefühle erkannt hatte, jener.ihm
keine Hoffnungen machte.
Aus Lmcmuel Geibels Schülerzeit

ein hübsches Mädchen, „blauäugig und blondlockig", und ist der Gegenstand
der ersten Jugendschwärmerei des Sekundaners gewesen; „wir liebten wie die
Knaben, stumm und zart", sagt er von jener Zeit. Sie selbst hat später nie
davon gesprochen, doch wußte man in der Familie darum. Auch wird er wohl
sie, wie Gaedertz meint, im Sinn gehabt haben, wenn es in seinem ersten
gedruckten, von Chamisso und Gustav Schwab in den Musenalmanach für 1834
aufgenommenen Gedichte „Vergessen" heißt:

Daß diese Liebe nicht allzu tief gegangen war, zeigt der an Uhlands
„Entschuldigung" erinnernde Schluß des Geburtstagsbriefes, und zwei Verse im
Festspiel zu seines Lehrers Classen Hochzeit mit Wilhelm Wattenbachs Schwester
Karoline, zu Ostern 1834:

Und doch hatte der achtzehnjährige Oberprimaner schon am 6. November 1833
beim ersten Zusammentreffen mit der ihm gleichalterigen Cäcilie Wattenbach eine
tiefe, dauernde, auch erwiderte Liebe für diese liebreizende, die Base Maria, die
noch dazu damals fern in Hanau lebte, überstrahlende Erscheinung gefaßt**).

Beide Mädchen sind unvermählt geblieben; denn auch das nahe Verhältnis
— es ist auch schon Verlöbnis genannt worden — Geisels zu Cäcilie, dem
wir so manches herrliche Gedicht aus der folgenden Zeit verdanken***), hat sich
nach sieben Jahren, im Dezember 1840, gelöst, weil des Dichters Zukunft zu
unsicher schien und er das entscheidende Wort nicht finden konnte; das hat
beiden viel Leid gebracht; erst im späteren Leben haben sie sich wieder zu
beglückender Freundschaft zusammengefunden, und der Tod der Jugendgeliebten
im Februar 1883 ist das letzte schwere Leid für ihn gewesen.





*) Vergleiche auch G, W. I. S. 149 „Einem Freunde".
**) Gaedertz, E. G,, S. 67 meint, die Gestalten beider Mädchen seien in Geibels Jugend¬
liedern gleichsam zu einem Bilde bereinigt. Über das erste Zusammentreffen mit Cäcilie
s. G. W. V, 90.
***) Eine Anzahl der bisher auf Cäcilie bezogenen Gedichte sind an Pauline Trummer.
die jüngere Schwester von Geibels ihm nach dreijähriger glücklichster Ehe 18os durch den
Tod entrissenen jugendlichen Gattin Ananda (Ada), geb. Trummer. gerichtet gewesen.
Vergl. Weigle. E. G.'s Jugendlyrik. S. 10. — Auch durch Henriette v. d. Malsburg, f 1912
als Gräfin von Holnstein, ist Geibel zwar zu mehreren Gedichten angeregt worden, doch hat
er selbst ihr erklärt, daß er nur im „Minnelied" sie gemeint habe. Es sei hier berichtigend
zugefügt, daß er weder sie noch ihren Vater um ihre Hand gebeten hat; sie war auch bei
seiner Ankunft in Escheberg erst 18Vs Jahr alt und hat von seiner aufkeimenden Neigung
überhaupt damals nichts erfahren. Geibel hat diese unterdrückt, als auf eine leise Anfrage
seines dem Freiherrn befreundeten Vaters, der des Sohnes Gefühle erkannt hatte, jener.ihm
keine Hoffnungen machte.
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[0062] Aus Lmcmuel Geibels Schülerzeit ein hübsches Mädchen, „blauäugig und blondlockig", und ist der Gegenstand der ersten Jugendschwärmerei des Sekundaners gewesen; „wir liebten wie die Knaben, stumm und zart", sagt er von jener Zeit. Sie selbst hat später nie davon gesprochen, doch wußte man in der Familie darum. Auch wird er wohl sie, wie Gaedertz meint, im Sinn gehabt haben, wenn es in seinem ersten gedruckten, von Chamisso und Gustav Schwab in den Musenalmanach für 1834 aufgenommenen Gedichte „Vergessen" heißt: Daß diese Liebe nicht allzu tief gegangen war, zeigt der an Uhlands „Entschuldigung" erinnernde Schluß des Geburtstagsbriefes, und zwei Verse im Festspiel zu seines Lehrers Classen Hochzeit mit Wilhelm Wattenbachs Schwester Karoline, zu Ostern 1834: Und doch hatte der achtzehnjährige Oberprimaner schon am 6. November 1833 beim ersten Zusammentreffen mit der ihm gleichalterigen Cäcilie Wattenbach eine tiefe, dauernde, auch erwiderte Liebe für diese liebreizende, die Base Maria, die noch dazu damals fern in Hanau lebte, überstrahlende Erscheinung gefaßt**). Beide Mädchen sind unvermählt geblieben; denn auch das nahe Verhältnis — es ist auch schon Verlöbnis genannt worden — Geisels zu Cäcilie, dem wir so manches herrliche Gedicht aus der folgenden Zeit verdanken***), hat sich nach sieben Jahren, im Dezember 1840, gelöst, weil des Dichters Zukunft zu unsicher schien und er das entscheidende Wort nicht finden konnte; das hat beiden viel Leid gebracht; erst im späteren Leben haben sie sich wieder zu beglückender Freundschaft zusammengefunden, und der Tod der Jugendgeliebten im Februar 1883 ist das letzte schwere Leid für ihn gewesen. *) Vergleiche auch G, W. I. S. 149 „Einem Freunde". **) Gaedertz, E. G,, S. 67 meint, die Gestalten beider Mädchen seien in Geibels Jugend¬ liedern gleichsam zu einem Bilde bereinigt. Über das erste Zusammentreffen mit Cäcilie s. G. W. V, 90. ***) Eine Anzahl der bisher auf Cäcilie bezogenen Gedichte sind an Pauline Trummer. die jüngere Schwester von Geibels ihm nach dreijähriger glücklichster Ehe 18os durch den Tod entrissenen jugendlichen Gattin Ananda (Ada), geb. Trummer. gerichtet gewesen. Vergl. Weigle. E. G.'s Jugendlyrik. S. 10. — Auch durch Henriette v. d. Malsburg, f 1912 als Gräfin von Holnstein, ist Geibel zwar zu mehreren Gedichten angeregt worden, doch hat er selbst ihr erklärt, daß er nur im „Minnelied" sie gemeint habe. Es sei hier berichtigend zugefügt, daß er weder sie noch ihren Vater um ihre Hand gebeten hat; sie war auch bei seiner Ankunft in Escheberg erst 18Vs Jahr alt und hat von seiner aufkeimenden Neigung überhaupt damals nichts erfahren. Geibel hat diese unterdrückt, als auf eine leise Anfrage seines dem Freiherrn befreundeten Vaters, der des Sohnes Gefühle erkannt hatte, jener.ihm keine Hoffnungen machte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/62>, abgerufen am 22.07.2024.