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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die russischen Finanzen

lande hatte, wurde verdoppelt durch die wahrhaft unstaatsmännische Politik,
die die russische Regierung dem ausländischen Kapital und den ausländischen
Unternehmungen gegenüber im Laufe des Krieges verfolgte. Ein vernünftiger
russischer Handelsminister und Finanzminister hätte sich sagen müssen, daß es
in Rußlands Interesse lag, sich möglichst die von fremdem Gelde geschaffenen
Einrichtungen zu erhalten, daß eine entgegengesetzte Politik erstlich dem Lande
außerordentlich schädlich sein, sodann aber auch auf immer das Vertrauen zu
der wirtschaftlichen Gebahrung des Landes erschüttern und eine gesunde Finanz¬
politik auch nach dem Kriege unmöglich machen müßte. Die nationalistischen
Leidenschaften trübten den klaren Blick und eine unweise Maßregel im Geiste
der Nowoje Wremja und ihrer Hintermänner folgte auf die andere. Rußland
vernichtete systematisch das Werk der Wyschnegradski und Witte.

Die Goldwährung des Landes fiel in sich zusammen. Wir sehen das an
den Kursen der russischen Valuta an solchen Märkten wie London und Paris.
Der Rubel wurde um ein Drittel und mehr entwertet und es besteht keine
Aussicht, daß das anders wird.

Rußland vermochte nur zu einem geringen Teil die Kosten, die der Krieg
brachte, in feste Anleihen umzusetzen. Daß es diesen Teil aufbringen konnte,
ist ein Wunder, das niemand erwartet hatte.

Nach den Anhaltspunkten, die wir zur Zeit haben, gibt Nußland für
den Krieg etwas weniger als 23 Millionen Rubel pro Tag aus. Gegen
Ende dieses Jahres wird ihm also der Krieg 9^ bis 10 Milliarden Rubel
gekostet haben. Von dieser Summe sind bisher nur 1,9 Milliarden Rubel
aus festen Anleihen aufgebracht worden. Wenn wir damit rechnen, daß die
gegenwärtige Anleihe einen vollen Erfolg hat, also bis zum Ende dieses
Jahres die programmäßig vorgesehenen Einnahmen von 70 Prozent aus
dem etwa auf 920 Millionen Rubel zu schätzenden Anleiheerlös einkommen,
so würde sich folgendes Resultat ergeben. Rußland hätte von den zehn
Milliarden Kriegsschulden nur 2550 Millionen Rubel*), das heißt ungefähr
25 Prozent aus Anleihen aufgebracht. Drei Viertel seiner gesamten Kriegs¬
schuld hängen also in der Lust.



) a) die 6 prozentige innere Anleihe von 1914 hat ergeben . . Rubel 111 790 069
b) im Rechnungsjahr 1916 sind noch eingezahlt darauf ... " 24 800 000
o) die 6 prozentige Anleihe von 1916 ergab....... " 162 200 000
es die 5V, prozentige Anleihe von 1916 ergab...... " 977 400 000
s) voraussichtliches Ergebnis der letzten 6'/g Prozentige" Anleihe
für den Fall des Erfolgs, 70 Prozent von 920 Rubeln ._,. 644 000 000
Rubel insgesamt 2 550 190 069
*
Nicht mit eingerechnet als nicht zu den festen Anleihen gehörend sind die sogenannten
Billette der Reichsrentei, aus deren Erlös
im Jahre 1911 ..... 266 720 760 Rubel
im Jahre 1916 .... 633 300 000___"
'
insgesamt also 850 020 760 Rubel
vereinnahmt worden sind.
Die russischen Finanzen

lande hatte, wurde verdoppelt durch die wahrhaft unstaatsmännische Politik,
die die russische Regierung dem ausländischen Kapital und den ausländischen
Unternehmungen gegenüber im Laufe des Krieges verfolgte. Ein vernünftiger
russischer Handelsminister und Finanzminister hätte sich sagen müssen, daß es
in Rußlands Interesse lag, sich möglichst die von fremdem Gelde geschaffenen
Einrichtungen zu erhalten, daß eine entgegengesetzte Politik erstlich dem Lande
außerordentlich schädlich sein, sodann aber auch auf immer das Vertrauen zu
der wirtschaftlichen Gebahrung des Landes erschüttern und eine gesunde Finanz¬
politik auch nach dem Kriege unmöglich machen müßte. Die nationalistischen
Leidenschaften trübten den klaren Blick und eine unweise Maßregel im Geiste
der Nowoje Wremja und ihrer Hintermänner folgte auf die andere. Rußland
vernichtete systematisch das Werk der Wyschnegradski und Witte.

Die Goldwährung des Landes fiel in sich zusammen. Wir sehen das an
den Kursen der russischen Valuta an solchen Märkten wie London und Paris.
Der Rubel wurde um ein Drittel und mehr entwertet und es besteht keine
Aussicht, daß das anders wird.

Rußland vermochte nur zu einem geringen Teil die Kosten, die der Krieg
brachte, in feste Anleihen umzusetzen. Daß es diesen Teil aufbringen konnte,
ist ein Wunder, das niemand erwartet hatte.

Nach den Anhaltspunkten, die wir zur Zeit haben, gibt Nußland für
den Krieg etwas weniger als 23 Millionen Rubel pro Tag aus. Gegen
Ende dieses Jahres wird ihm also der Krieg 9^ bis 10 Milliarden Rubel
gekostet haben. Von dieser Summe sind bisher nur 1,9 Milliarden Rubel
aus festen Anleihen aufgebracht worden. Wenn wir damit rechnen, daß die
gegenwärtige Anleihe einen vollen Erfolg hat, also bis zum Ende dieses
Jahres die programmäßig vorgesehenen Einnahmen von 70 Prozent aus
dem etwa auf 920 Millionen Rubel zu schätzenden Anleiheerlös einkommen,
so würde sich folgendes Resultat ergeben. Rußland hätte von den zehn
Milliarden Kriegsschulden nur 2550 Millionen Rubel*), das heißt ungefähr
25 Prozent aus Anleihen aufgebracht. Drei Viertel seiner gesamten Kriegs¬
schuld hängen also in der Lust.



) a) die 6 prozentige innere Anleihe von 1914 hat ergeben . . Rubel 111 790 069
b) im Rechnungsjahr 1916 sind noch eingezahlt darauf ... „ 24 800 000
o) die 6 prozentige Anleihe von 1916 ergab....... „ 162 200 000
es die 5V, prozentige Anleihe von 1916 ergab...... „ 977 400 000
s) voraussichtliches Ergebnis der letzten 6'/g Prozentige» Anleihe
für den Fall des Erfolgs, 70 Prozent von 920 Rubeln ._,. 644 000 000
Rubel insgesamt 2 550 190 069
*
Nicht mit eingerechnet als nicht zu den festen Anleihen gehörend sind die sogenannten
Billette der Reichsrentei, aus deren Erlös
im Jahre 1911 ..... 266 720 760 Rubel
im Jahre 1916 .... 633 300 000___„
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vereinnahmt worden sind.
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[0331] Die russischen Finanzen lande hatte, wurde verdoppelt durch die wahrhaft unstaatsmännische Politik, die die russische Regierung dem ausländischen Kapital und den ausländischen Unternehmungen gegenüber im Laufe des Krieges verfolgte. Ein vernünftiger russischer Handelsminister und Finanzminister hätte sich sagen müssen, daß es in Rußlands Interesse lag, sich möglichst die von fremdem Gelde geschaffenen Einrichtungen zu erhalten, daß eine entgegengesetzte Politik erstlich dem Lande außerordentlich schädlich sein, sodann aber auch auf immer das Vertrauen zu der wirtschaftlichen Gebahrung des Landes erschüttern und eine gesunde Finanz¬ politik auch nach dem Kriege unmöglich machen müßte. Die nationalistischen Leidenschaften trübten den klaren Blick und eine unweise Maßregel im Geiste der Nowoje Wremja und ihrer Hintermänner folgte auf die andere. Rußland vernichtete systematisch das Werk der Wyschnegradski und Witte. Die Goldwährung des Landes fiel in sich zusammen. Wir sehen das an den Kursen der russischen Valuta an solchen Märkten wie London und Paris. Der Rubel wurde um ein Drittel und mehr entwertet und es besteht keine Aussicht, daß das anders wird. Rußland vermochte nur zu einem geringen Teil die Kosten, die der Krieg brachte, in feste Anleihen umzusetzen. Daß es diesen Teil aufbringen konnte, ist ein Wunder, das niemand erwartet hatte. Nach den Anhaltspunkten, die wir zur Zeit haben, gibt Nußland für den Krieg etwas weniger als 23 Millionen Rubel pro Tag aus. Gegen Ende dieses Jahres wird ihm also der Krieg 9^ bis 10 Milliarden Rubel gekostet haben. Von dieser Summe sind bisher nur 1,9 Milliarden Rubel aus festen Anleihen aufgebracht worden. Wenn wir damit rechnen, daß die gegenwärtige Anleihe einen vollen Erfolg hat, also bis zum Ende dieses Jahres die programmäßig vorgesehenen Einnahmen von 70 Prozent aus dem etwa auf 920 Millionen Rubel zu schätzenden Anleiheerlös einkommen, so würde sich folgendes Resultat ergeben. Rußland hätte von den zehn Milliarden Kriegsschulden nur 2550 Millionen Rubel*), das heißt ungefähr 25 Prozent aus Anleihen aufgebracht. Drei Viertel seiner gesamten Kriegs¬ schuld hängen also in der Lust. ) a) die 6 prozentige innere Anleihe von 1914 hat ergeben . . Rubel 111 790 069 b) im Rechnungsjahr 1916 sind noch eingezahlt darauf ... „ 24 800 000 o) die 6 prozentige Anleihe von 1916 ergab....... „ 162 200 000 es die 5V, prozentige Anleihe von 1916 ergab...... „ 977 400 000 s) voraussichtliches Ergebnis der letzten 6'/g Prozentige» Anleihe für den Fall des Erfolgs, 70 Prozent von 920 Rubeln ._,. 644 000 000 Rubel insgesamt 2 550 190 069 * Nicht mit eingerechnet als nicht zu den festen Anleihen gehörend sind die sogenannten Billette der Reichsrentei, aus deren Erlös im Jahre 1911 ..... 266 720 760 Rubel im Jahre 1916 .... 633 300 000___„ ' insgesamt also 850 020 760 Rubel vereinnahmt worden sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/331>, abgerufen am 24.08.2024.