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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Aufgaben der Elektrotechnik im Kriege

dem Kriege bekannten Methoden für die Gewinnung des wichtigsten Bestand¬
teils des Salpeters aus der Luft auf eine breitere Basis zu stellen. Die der
in manchen Gegenden Deutschlands in großen Mengen vorhandenen Braunkohle
innewohnende kalorische Energie wird in Großkraftwerken in elektrische und in
angrenzenden Fabrikanlagen in eine chemische Energie umgewandelt. Auf diese
Weise ist man in der Lage, sowohl die für die Kriegsführung erforderlichen
Explosivstoffe herzustellen, als auch der friedlichen Landwirtschaft die benötigten
Düngemittel zuzuführen, damit das Korn wachse und eine reichliche Ernte die
Aushungerungspläne unserer Feinde vereitle.

Mit diesen Ausführungen ist das weite Gebiet der Verwendungsmöglich¬
keiten der Elektrizität im Kriege bei weitem nicht erschöpft. An Hand der ge¬
nannten Beispiele kann man jedoch immerhin die Größe der Aufgabe erkennen,
welche die elektrotechnische Industrie zu bewältigen hat. Sie hat die ihr ge¬
stellten Aufgaben gelöst, obwohl ihr manche Schwierigkeiten auch dadurch erwachsen
sind, daß ein Teil der Arbeitsmaschinen für die Herstellung von Kriegsmaterial,
irisbesondere sür dieGeschoßfabrikation, verwendet werden mußte. DieseUmschaltung
der Fabrikation auf Heeresbedarf, die Schnelligkeit und patriotische Hingabe,
mit welcher sich die Leiter und ausführenden Organe den neuen Verhältnissen
anpaßten, bilden ein Ruhmesblatt der Fabrikorganisution.

Das größte Hemmnis sür die freie und unbeschränkte Entfaltung der Her¬
stellung elektrotechnischer Erzeugnisse bildete die bereits eingangs erwähnte Rohstoff¬
frage. Umfassende Vorkehrungen mußten seitens der Regierung getroffen werden,
um die Rohstoffe für die Herstellung der für die Kriegsführung notwendigen
Erzeugnisse zu sichern. Durch die Beschlagnahme der im Lande befindlichen
Vorräte werden für diesen Zweck nun auch genügend Rohstoffe verfügbar und
selbst, wenn der Krieg noch jahrelang dauern sollte, werden wir nicht in Ver¬
legenheit kommen. Selbstverständlich sucht die Industrie auch die Bedürfnisse
derjenigen Kreise zu befriedigen, die mit der Kriegsführung unmittelbar nichts
zu tun haben, erstens, um ihnen aus der Verlegenheit zu helfen, zweitens, um
die Grundlage, auf welcher nach dem Kriege der Wiederaufbau der friedlichen
wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen soll, nicht ganz zu verlieren.

Diese Leitsätze forderten gebieterisch die weitestgehende Verwendung von
Ersatzstoffen. Diese lassen sich in manchen elektrischen Anlagen oder Teilen
von Maschinen, Apparaten und Instrumenten ohne Nachteil für die gute
Wirkungsweise derselben verwenden. Bei anderen zieht die Verwendung von
Ersatzstoffen eine Verschlechterung des Nutzeffektes und eine kürzere Lebensdauer
nach sich. Es wäre dennoch verkehrt, wenn man diese Nachteile als genügenden
Grund ansehen würde, um den Gebrauch der Ersatzstoffe vollständig zu ver¬
werfen. Es muß vielmehr in jedem einzelnen Falle geprüft werden, ob die
durch die geringeren Anschaffungskosten erzielten finanziellen Vorteile, bezogen
auf die durchschnittliche Lebensdauer der mit normalen Materialien hergestellten
Gegenstände, also die Ersparnisse an Zinsen und Amortisation, nicht doch noch


Aufgaben der Elektrotechnik im Kriege

dem Kriege bekannten Methoden für die Gewinnung des wichtigsten Bestand¬
teils des Salpeters aus der Luft auf eine breitere Basis zu stellen. Die der
in manchen Gegenden Deutschlands in großen Mengen vorhandenen Braunkohle
innewohnende kalorische Energie wird in Großkraftwerken in elektrische und in
angrenzenden Fabrikanlagen in eine chemische Energie umgewandelt. Auf diese
Weise ist man in der Lage, sowohl die für die Kriegsführung erforderlichen
Explosivstoffe herzustellen, als auch der friedlichen Landwirtschaft die benötigten
Düngemittel zuzuführen, damit das Korn wachse und eine reichliche Ernte die
Aushungerungspläne unserer Feinde vereitle.

Mit diesen Ausführungen ist das weite Gebiet der Verwendungsmöglich¬
keiten der Elektrizität im Kriege bei weitem nicht erschöpft. An Hand der ge¬
nannten Beispiele kann man jedoch immerhin die Größe der Aufgabe erkennen,
welche die elektrotechnische Industrie zu bewältigen hat. Sie hat die ihr ge¬
stellten Aufgaben gelöst, obwohl ihr manche Schwierigkeiten auch dadurch erwachsen
sind, daß ein Teil der Arbeitsmaschinen für die Herstellung von Kriegsmaterial,
irisbesondere sür dieGeschoßfabrikation, verwendet werden mußte. DieseUmschaltung
der Fabrikation auf Heeresbedarf, die Schnelligkeit und patriotische Hingabe,
mit welcher sich die Leiter und ausführenden Organe den neuen Verhältnissen
anpaßten, bilden ein Ruhmesblatt der Fabrikorganisution.

Das größte Hemmnis sür die freie und unbeschränkte Entfaltung der Her¬
stellung elektrotechnischer Erzeugnisse bildete die bereits eingangs erwähnte Rohstoff¬
frage. Umfassende Vorkehrungen mußten seitens der Regierung getroffen werden,
um die Rohstoffe für die Herstellung der für die Kriegsführung notwendigen
Erzeugnisse zu sichern. Durch die Beschlagnahme der im Lande befindlichen
Vorräte werden für diesen Zweck nun auch genügend Rohstoffe verfügbar und
selbst, wenn der Krieg noch jahrelang dauern sollte, werden wir nicht in Ver¬
legenheit kommen. Selbstverständlich sucht die Industrie auch die Bedürfnisse
derjenigen Kreise zu befriedigen, die mit der Kriegsführung unmittelbar nichts
zu tun haben, erstens, um ihnen aus der Verlegenheit zu helfen, zweitens, um
die Grundlage, auf welcher nach dem Kriege der Wiederaufbau der friedlichen
wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen soll, nicht ganz zu verlieren.

Diese Leitsätze forderten gebieterisch die weitestgehende Verwendung von
Ersatzstoffen. Diese lassen sich in manchen elektrischen Anlagen oder Teilen
von Maschinen, Apparaten und Instrumenten ohne Nachteil für die gute
Wirkungsweise derselben verwenden. Bei anderen zieht die Verwendung von
Ersatzstoffen eine Verschlechterung des Nutzeffektes und eine kürzere Lebensdauer
nach sich. Es wäre dennoch verkehrt, wenn man diese Nachteile als genügenden
Grund ansehen würde, um den Gebrauch der Ersatzstoffe vollständig zu ver¬
werfen. Es muß vielmehr in jedem einzelnen Falle geprüft werden, ob die
durch die geringeren Anschaffungskosten erzielten finanziellen Vorteile, bezogen
auf die durchschnittliche Lebensdauer der mit normalen Materialien hergestellten
Gegenstände, also die Ersparnisse an Zinsen und Amortisation, nicht doch noch


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[0250] Aufgaben der Elektrotechnik im Kriege dem Kriege bekannten Methoden für die Gewinnung des wichtigsten Bestand¬ teils des Salpeters aus der Luft auf eine breitere Basis zu stellen. Die der in manchen Gegenden Deutschlands in großen Mengen vorhandenen Braunkohle innewohnende kalorische Energie wird in Großkraftwerken in elektrische und in angrenzenden Fabrikanlagen in eine chemische Energie umgewandelt. Auf diese Weise ist man in der Lage, sowohl die für die Kriegsführung erforderlichen Explosivstoffe herzustellen, als auch der friedlichen Landwirtschaft die benötigten Düngemittel zuzuführen, damit das Korn wachse und eine reichliche Ernte die Aushungerungspläne unserer Feinde vereitle. Mit diesen Ausführungen ist das weite Gebiet der Verwendungsmöglich¬ keiten der Elektrizität im Kriege bei weitem nicht erschöpft. An Hand der ge¬ nannten Beispiele kann man jedoch immerhin die Größe der Aufgabe erkennen, welche die elektrotechnische Industrie zu bewältigen hat. Sie hat die ihr ge¬ stellten Aufgaben gelöst, obwohl ihr manche Schwierigkeiten auch dadurch erwachsen sind, daß ein Teil der Arbeitsmaschinen für die Herstellung von Kriegsmaterial, irisbesondere sür dieGeschoßfabrikation, verwendet werden mußte. DieseUmschaltung der Fabrikation auf Heeresbedarf, die Schnelligkeit und patriotische Hingabe, mit welcher sich die Leiter und ausführenden Organe den neuen Verhältnissen anpaßten, bilden ein Ruhmesblatt der Fabrikorganisution. Das größte Hemmnis sür die freie und unbeschränkte Entfaltung der Her¬ stellung elektrotechnischer Erzeugnisse bildete die bereits eingangs erwähnte Rohstoff¬ frage. Umfassende Vorkehrungen mußten seitens der Regierung getroffen werden, um die Rohstoffe für die Herstellung der für die Kriegsführung notwendigen Erzeugnisse zu sichern. Durch die Beschlagnahme der im Lande befindlichen Vorräte werden für diesen Zweck nun auch genügend Rohstoffe verfügbar und selbst, wenn der Krieg noch jahrelang dauern sollte, werden wir nicht in Ver¬ legenheit kommen. Selbstverständlich sucht die Industrie auch die Bedürfnisse derjenigen Kreise zu befriedigen, die mit der Kriegsführung unmittelbar nichts zu tun haben, erstens, um ihnen aus der Verlegenheit zu helfen, zweitens, um die Grundlage, auf welcher nach dem Kriege der Wiederaufbau der friedlichen wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen soll, nicht ganz zu verlieren. Diese Leitsätze forderten gebieterisch die weitestgehende Verwendung von Ersatzstoffen. Diese lassen sich in manchen elektrischen Anlagen oder Teilen von Maschinen, Apparaten und Instrumenten ohne Nachteil für die gute Wirkungsweise derselben verwenden. Bei anderen zieht die Verwendung von Ersatzstoffen eine Verschlechterung des Nutzeffektes und eine kürzere Lebensdauer nach sich. Es wäre dennoch verkehrt, wenn man diese Nachteile als genügenden Grund ansehen würde, um den Gebrauch der Ersatzstoffe vollständig zu ver¬ werfen. Es muß vielmehr in jedem einzelnen Falle geprüft werden, ob die durch die geringeren Anschaffungskosten erzielten finanziellen Vorteile, bezogen auf die durchschnittliche Lebensdauer der mit normalen Materialien hergestellten Gegenstände, also die Ersparnisse an Zinsen und Amortisation, nicht doch noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/250>, abgerufen am 22.07.2024.