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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Nochmals: Die heutige Soldatensprache

und einen Einblick in die deutsche Volksseele bietet. Bei der bekannten Langsam¬
keit aber, mit der solche wissenschaftliche Körperschaften zu arbeiten pflegen
-- es sei nur an die Göttinger Kommission für das Grimmsche Wörterbuch
erinnert -- ist als sicher anzunehmen, daß Jahre vergehen, bis die Kommission
mit ihrem Werke über die deutsche Soldatensprache an die Öffentlichkeit treten
kann. Und dieses Werk würde so umfangreich und demgemäß auch so kost"
spielig sein, daß, ganz abgesehen von seiner allzu wissenschaftlichen Tarstellungs-
weise, es für die Gesamtheit nicht in Betracht käme. Der Verfasser hält es
daher für wünschenswert, diesem großen Werke ein anderes vorauszuschicken,
das in bescheideneren Umfangs auch einen Ausschnitt aus der großen Zeit
gäbe, aber eben durch seinen geringeren Umfang für die breiteste Allgemeinheit
erschwinglich und bei aller wissenschaftlichen Zuverlässigkeit doch so verständlich
gehalten wäre, daß es eine wertvolle Erinnerungsgabe für das deutsche Volk,
insbesondere für unsere Krieger bildete.

Es ergibt sich nun die Frage, wie der Stoff zu einer solchen Arbeit
herbeizuschaffen ist. Der von Dr. Wolff für das große Werk gemachte Vor¬
schlag, die Sammlung Aufgabe der Allgemeinheit sein zu lassen, weil ihr ja
dieTräger nndSchöpfer dieserSvrache angehören, gilt selbstverständlich auch für das
kleinere Wer?. Daß der Ruf an die Allgemeinheit nicht umsonst verhallen wird, dafür
bürgen die Erfahrungen, die sowohl Dr. Wolff als auch der Schreiber dieser
Zeilen gemacht haben. Es bietet sich ja überall, im Feindesland wie zu Hause,
für alle, die Lust und Lhebe zur deutschen Sprache und zu unserem Heere
haben, reichlich Gelegenheit, Stoff für die neueste Soldatensprache heranzuschaffen.
In der Etappe wird manche langweilige Stunde bei der Besatzungstruppe
durch das Sammeln der einschlägigen Ausdrücke ausgefüllt werden können;
daß auch in den Ruhestellungen unmittelbar hinter der Front vielen unserer
Soldaten der Sinn für solche militärisch-sprachliche Fragen nicht abhanden
kommt, beweisen zahlreiche Einsendungen, ja selbst aus den bombensicheren
Unterstäuben unter feindlichem Artilleriefener bekam der Verfasser manchen Bei¬
trag geschickt. Und auch im Inlands wird vieles zutage gefördert werden können.
Feldpostbriefe bergen manchen Ausdruck; noch unmittelbarer und dadurch er¬
folgreicher wird natürlich der mündliche Verkehr mit unseren Soldaten wirken,
die als Verwundete und Kranke, oder auch auf Erholungsurlaub zu Hause weilen.
Es kann sich da manche Gelegenheit bieten, Neubildungen der Soldatensprache
kennen zu lernen. Gewiß ist nicht jeder unserer Feldgrauen geneigt und auch
befähigt, Rede und Antwort zu stehen, aber im allgemeinen wird man auf
freundliche Bereitwilligkeit zur Auskunfterteilung stoßen. Natürlich muß der
Sammler sich vorher genau überlegen, über welche Gebiete des vielgestaltigen
militärischen Lebens er sich unterrichten will. Da kann man sich belehren lassen
über die soldatischen Bezeichnungen der artilleristischen und infanteristischen
Geschosse, der Maschinengewehre, Minen, Handgranaten, über die Benennungen
der Waffen, Kleidungsstücke, Ausrüstungsgegeustände, der Speisen, der Liebes-


Nochmals: Die heutige Soldatensprache

und einen Einblick in die deutsche Volksseele bietet. Bei der bekannten Langsam¬
keit aber, mit der solche wissenschaftliche Körperschaften zu arbeiten pflegen
— es sei nur an die Göttinger Kommission für das Grimmsche Wörterbuch
erinnert — ist als sicher anzunehmen, daß Jahre vergehen, bis die Kommission
mit ihrem Werke über die deutsche Soldatensprache an die Öffentlichkeit treten
kann. Und dieses Werk würde so umfangreich und demgemäß auch so kost"
spielig sein, daß, ganz abgesehen von seiner allzu wissenschaftlichen Tarstellungs-
weise, es für die Gesamtheit nicht in Betracht käme. Der Verfasser hält es
daher für wünschenswert, diesem großen Werke ein anderes vorauszuschicken,
das in bescheideneren Umfangs auch einen Ausschnitt aus der großen Zeit
gäbe, aber eben durch seinen geringeren Umfang für die breiteste Allgemeinheit
erschwinglich und bei aller wissenschaftlichen Zuverlässigkeit doch so verständlich
gehalten wäre, daß es eine wertvolle Erinnerungsgabe für das deutsche Volk,
insbesondere für unsere Krieger bildete.

Es ergibt sich nun die Frage, wie der Stoff zu einer solchen Arbeit
herbeizuschaffen ist. Der von Dr. Wolff für das große Werk gemachte Vor¬
schlag, die Sammlung Aufgabe der Allgemeinheit sein zu lassen, weil ihr ja
dieTräger nndSchöpfer dieserSvrache angehören, gilt selbstverständlich auch für das
kleinere Wer?. Daß der Ruf an die Allgemeinheit nicht umsonst verhallen wird, dafür
bürgen die Erfahrungen, die sowohl Dr. Wolff als auch der Schreiber dieser
Zeilen gemacht haben. Es bietet sich ja überall, im Feindesland wie zu Hause,
für alle, die Lust und Lhebe zur deutschen Sprache und zu unserem Heere
haben, reichlich Gelegenheit, Stoff für die neueste Soldatensprache heranzuschaffen.
In der Etappe wird manche langweilige Stunde bei der Besatzungstruppe
durch das Sammeln der einschlägigen Ausdrücke ausgefüllt werden können;
daß auch in den Ruhestellungen unmittelbar hinter der Front vielen unserer
Soldaten der Sinn für solche militärisch-sprachliche Fragen nicht abhanden
kommt, beweisen zahlreiche Einsendungen, ja selbst aus den bombensicheren
Unterstäuben unter feindlichem Artilleriefener bekam der Verfasser manchen Bei¬
trag geschickt. Und auch im Inlands wird vieles zutage gefördert werden können.
Feldpostbriefe bergen manchen Ausdruck; noch unmittelbarer und dadurch er¬
folgreicher wird natürlich der mündliche Verkehr mit unseren Soldaten wirken,
die als Verwundete und Kranke, oder auch auf Erholungsurlaub zu Hause weilen.
Es kann sich da manche Gelegenheit bieten, Neubildungen der Soldatensprache
kennen zu lernen. Gewiß ist nicht jeder unserer Feldgrauen geneigt und auch
befähigt, Rede und Antwort zu stehen, aber im allgemeinen wird man auf
freundliche Bereitwilligkeit zur Auskunfterteilung stoßen. Natürlich muß der
Sammler sich vorher genau überlegen, über welche Gebiete des vielgestaltigen
militärischen Lebens er sich unterrichten will. Da kann man sich belehren lassen
über die soldatischen Bezeichnungen der artilleristischen und infanteristischen
Geschosse, der Maschinengewehre, Minen, Handgranaten, über die Benennungen
der Waffen, Kleidungsstücke, Ausrüstungsgegeustände, der Speisen, der Liebes-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/200>, abgerufen am 22.07.2024.