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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Nochmals: Die heutige Soldatcnsprache

Zeit kommen, wo wir außerstande sind, der Nachfrage nach Formern zu ent¬
sprechen, können wir darauf eingehen, daß die Belgier Arbeit unter der Be¬
dingung enthalten, daß die Unternehmer versprechen, daß, im Falle Entlassungen vor¬
genommen werden müssen, dann die belgischen Former zuerst an die Reihe
kommen." Ähnliche Schwierigkeiten wurden in England auch, wie der "Daily
Telegraph" im Juli 1915 berichtet, bei der Einstellung der kanadischen Mechaniker
beobachtet. Dasselbe Bild liefert aber auch Frankreich. Nach Mitteilungen von
"Rasche Slowo" vom Februar 1915 über eine Versammlung des Arbeitersyndikats
im Pariser Schneidergewerbe, dem sehr viele Russen angehören, kennzeichnet der
Organisationsleiter die Zustände im Gewerbe -- "eine ausländische Invasion."
Jedenfalls liefern diese paar Beispiele unter anderem auch eine treffliche Illustration
zu der Legende von den deutschen Barbaren.




Nochmals: Die heutige Soldatensprache -- ein
Vorschlag zu ihrer Sammlung
Professor Dr. Karl Bergmann von

n Ur. 32 der "Grenzboten" macht Dr. Alfred Wolfs den Vor-
schlag, die neueste deutsche Soldatensprache zu sammeln als ein
bleibendes Zeugnis für die gestaltende Kraft schöpferischen Volks¬
geistes und als ein kriegsgeschichtliches Dokument, in dem sich
Stimmungen, Situationen, Gefühle und Bedürfnisse unserer Feld¬
grauen niederschlagen. Alle Freunde unserer Muttersprache und unseres tapferen
Heeres werden diesen Vorschlag mit Freuden begrüßen. Auch die Art und
Weise, wie Wolff sich die Ausführung seines Planes denkt, nämlich die Samm¬
lung Aufgabe der Allgemeinheit sein zu lassen unter Leitung einer einheitlich
zusammengefaßten wissenschaftlichen Kommission, deren Ziel auch die Verarbeitung
des gesammelten Stoffes wäre, wird auf allgemeine Zustimmung rechnen dürfen.
Trotzdem läßt sich dem Wolffschen Vorschlag gegenüber noch ein anderer Stand¬
punkt einnehmen, und dieser Standpunkt sei hier in aller Kürze vertreten.

Es ist eine bekannte Tatsache, daß von wissenschaftlichen Vereinigungen
unternommene Arbeiten unter mancherlei Schwierigkeiten zu leiden haben.
Zunächst werden bei der Zusammensetzung der Kommission zeitraubende Hinder¬
nisse zu überwinden sein. Ist sie dann glücklich gebildet, so kommt die Samm¬
lung des gewaltigen Stoffes und seine Verarbeitung zu einer Darstellung, die
doch so gehalten sein muß, daß sie allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt


Nochmals: Die heutige Soldatcnsprache

Zeit kommen, wo wir außerstande sind, der Nachfrage nach Formern zu ent¬
sprechen, können wir darauf eingehen, daß die Belgier Arbeit unter der Be¬
dingung enthalten, daß die Unternehmer versprechen, daß, im Falle Entlassungen vor¬
genommen werden müssen, dann die belgischen Former zuerst an die Reihe
kommen." Ähnliche Schwierigkeiten wurden in England auch, wie der „Daily
Telegraph" im Juli 1915 berichtet, bei der Einstellung der kanadischen Mechaniker
beobachtet. Dasselbe Bild liefert aber auch Frankreich. Nach Mitteilungen von
„Rasche Slowo" vom Februar 1915 über eine Versammlung des Arbeitersyndikats
im Pariser Schneidergewerbe, dem sehr viele Russen angehören, kennzeichnet der
Organisationsleiter die Zustände im Gewerbe — „eine ausländische Invasion."
Jedenfalls liefern diese paar Beispiele unter anderem auch eine treffliche Illustration
zu der Legende von den deutschen Barbaren.




Nochmals: Die heutige Soldatensprache — ein
Vorschlag zu ihrer Sammlung
Professor Dr. Karl Bergmann von

n Ur. 32 der „Grenzboten" macht Dr. Alfred Wolfs den Vor-
schlag, die neueste deutsche Soldatensprache zu sammeln als ein
bleibendes Zeugnis für die gestaltende Kraft schöpferischen Volks¬
geistes und als ein kriegsgeschichtliches Dokument, in dem sich
Stimmungen, Situationen, Gefühle und Bedürfnisse unserer Feld¬
grauen niederschlagen. Alle Freunde unserer Muttersprache und unseres tapferen
Heeres werden diesen Vorschlag mit Freuden begrüßen. Auch die Art und
Weise, wie Wolff sich die Ausführung seines Planes denkt, nämlich die Samm¬
lung Aufgabe der Allgemeinheit sein zu lassen unter Leitung einer einheitlich
zusammengefaßten wissenschaftlichen Kommission, deren Ziel auch die Verarbeitung
des gesammelten Stoffes wäre, wird auf allgemeine Zustimmung rechnen dürfen.
Trotzdem läßt sich dem Wolffschen Vorschlag gegenüber noch ein anderer Stand¬
punkt einnehmen, und dieser Standpunkt sei hier in aller Kürze vertreten.

Es ist eine bekannte Tatsache, daß von wissenschaftlichen Vereinigungen
unternommene Arbeiten unter mancherlei Schwierigkeiten zu leiden haben.
Zunächst werden bei der Zusammensetzung der Kommission zeitraubende Hinder¬
nisse zu überwinden sein. Ist sie dann glücklich gebildet, so kommt die Samm¬
lung des gewaltigen Stoffes und seine Verarbeitung zu einer Darstellung, die
doch so gehalten sein muß, daß sie allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt


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[0199] Nochmals: Die heutige Soldatcnsprache Zeit kommen, wo wir außerstande sind, der Nachfrage nach Formern zu ent¬ sprechen, können wir darauf eingehen, daß die Belgier Arbeit unter der Be¬ dingung enthalten, daß die Unternehmer versprechen, daß, im Falle Entlassungen vor¬ genommen werden müssen, dann die belgischen Former zuerst an die Reihe kommen." Ähnliche Schwierigkeiten wurden in England auch, wie der „Daily Telegraph" im Juli 1915 berichtet, bei der Einstellung der kanadischen Mechaniker beobachtet. Dasselbe Bild liefert aber auch Frankreich. Nach Mitteilungen von „Rasche Slowo" vom Februar 1915 über eine Versammlung des Arbeitersyndikats im Pariser Schneidergewerbe, dem sehr viele Russen angehören, kennzeichnet der Organisationsleiter die Zustände im Gewerbe — „eine ausländische Invasion." Jedenfalls liefern diese paar Beispiele unter anderem auch eine treffliche Illustration zu der Legende von den deutschen Barbaren. Nochmals: Die heutige Soldatensprache — ein Vorschlag zu ihrer Sammlung Professor Dr. Karl Bergmann von n Ur. 32 der „Grenzboten" macht Dr. Alfred Wolfs den Vor- schlag, die neueste deutsche Soldatensprache zu sammeln als ein bleibendes Zeugnis für die gestaltende Kraft schöpferischen Volks¬ geistes und als ein kriegsgeschichtliches Dokument, in dem sich Stimmungen, Situationen, Gefühle und Bedürfnisse unserer Feld¬ grauen niederschlagen. Alle Freunde unserer Muttersprache und unseres tapferen Heeres werden diesen Vorschlag mit Freuden begrüßen. Auch die Art und Weise, wie Wolff sich die Ausführung seines Planes denkt, nämlich die Samm¬ lung Aufgabe der Allgemeinheit sein zu lassen unter Leitung einer einheitlich zusammengefaßten wissenschaftlichen Kommission, deren Ziel auch die Verarbeitung des gesammelten Stoffes wäre, wird auf allgemeine Zustimmung rechnen dürfen. Trotzdem läßt sich dem Wolffschen Vorschlag gegenüber noch ein anderer Stand¬ punkt einnehmen, und dieser Standpunkt sei hier in aller Kürze vertreten. Es ist eine bekannte Tatsache, daß von wissenschaftlichen Vereinigungen unternommene Arbeiten unter mancherlei Schwierigkeiten zu leiden haben. Zunächst werden bei der Zusammensetzung der Kommission zeitraubende Hinder¬ nisse zu überwinden sein. Ist sie dann glücklich gebildet, so kommt die Samm¬ lung des gewaltigen Stoffes und seine Verarbeitung zu einer Darstellung, die doch so gehalten sein muß, daß sie allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/199>, abgerufen am 27.12.2024.