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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Das jungtürkische Programm

register eintragen zu lassen. Die deutsche Muttergesellschaft würde dann in
der Zwangslage sein, einerseits für ihre eigenen Aktien Steuern zu zahlen,
anderseits die Aktien der türkischen Tochtergesellschaft zu versteuern, was
naturgemäß eine Erhöhung der Betriebskosten und eine Erschwerung der
Gründungstätigkeit nach sich ziehen würde. Die Vetriebsverteuerung würden
beispielsweise die Munizipalverwaltungen zu spüren bekommen. Die Ver¬
pachtung der Gas-, Licht-, Wasser- und Straßenbetriebe durch Munizipalver¬
waltungen an deutsche Gesellschaften würde durch eine Doppelbesteuerung
leiden und die Belastung hätte die Bevölkerung zu tragen. Drittens
fällt mit den Kapitulationen ein Grund mehr für die Forderung türkischer
Staatszugehörigkeit aller Gesellschaften fremden Kapitals. Nach ersteren war
die Türkei gezwungen, fremden Gesellschaften die administrativ-judiziellen
Privilegien allen Fremden zu gewähren, was sie jetzt natürlich nicht mehr zu
tun braucht.

Ein weiteres Hemmnis jeder Jnvestitions- und Unternehmertätigkeit ist zu
beseitigen, nämlich die schweren Bestimmungen des Bergbaugesetzes. Da mit
den neuen Waffentaten ein neuer Geist eingezogen ist, so ist zu hoffen, daß
die dem Bergbau abgeneigten Vorschriften des Korans, durch moderne, jede
Initiative fördernde Bergbaugesetze ersetzt werden. Als Beispiel dafür, wie
schwer die bisherigen Gesetze auf dem Bergbau lasteten, möge folgende hohe
Besteuerung erwähnt sein: 1. Einmalige Abgabe von 50 bis 100 türkischen
Pfund für den die Konzession erteilenden Firman; 2. Jährliche fixe Steuer
von 10 Piastern für den Djerib; 3. Proportionelle Steuer nach Fläche,
Art und Reichtum der Mine, der Schwierigkeit der Ausbeutung, Transport¬
entfernung usw.; und zwar wird diese Steuer nach dem Bruttoertrag der
Ausbeute erhoben, 2) von ein Prozent bis fünf Prozent für in Aderform ge¬
lagerte Mineralien wie Kupfer, Bleisilber Kohle usw.; b) zehn Prozent bis
zwanzig Prozent für Mineralien wie Schmirgel, Meerschaum, Chrom, Mineral¬
wässer, Petroleum, Asphalt usw.

Es braucht hier nicht hervorgehoben zu werden, welche Bedeutung der
Bergbau bei dem Schätzereichtum des türkischen Bodens sowohl für die Türkei
als für Deutschland erlangen kann.

Deutschlands bisheriges größtes Kapitalinteresse in der Türkei liegt bei den
Eisenbahnen, mit deren Ausbau bereits während der ersten wirtschaftlichen
Annäherung begonnen worden war. Auch England und Frankreich haben be¬
deutende Kapitalien in Verkehrsunternehmungen angelegt. Seit dem Kriegs¬
ausbruch geht eine Bewegung durch die türkische öffentliche Meinung, sich von
dem wirtschaftlichen Einfluß der feindlichen Mächte zu befreien, um ihnen da-
mit den politischen Ast, auf dem sie sitzen, abzusägen. Den Anfang in dieser
Richtung hat die türkische Regierung mit dem Beschluß gemacht, alle from
zösischen Eisenbahnen auszulaufen. Wenn dies auch eine politische Maßregel
par exellence ist, so stehen doch der Liquidation feindlicher Kapitalanlagen


Das jungtürkische Programm

register eintragen zu lassen. Die deutsche Muttergesellschaft würde dann in
der Zwangslage sein, einerseits für ihre eigenen Aktien Steuern zu zahlen,
anderseits die Aktien der türkischen Tochtergesellschaft zu versteuern, was
naturgemäß eine Erhöhung der Betriebskosten und eine Erschwerung der
Gründungstätigkeit nach sich ziehen würde. Die Vetriebsverteuerung würden
beispielsweise die Munizipalverwaltungen zu spüren bekommen. Die Ver¬
pachtung der Gas-, Licht-, Wasser- und Straßenbetriebe durch Munizipalver¬
waltungen an deutsche Gesellschaften würde durch eine Doppelbesteuerung
leiden und die Belastung hätte die Bevölkerung zu tragen. Drittens
fällt mit den Kapitulationen ein Grund mehr für die Forderung türkischer
Staatszugehörigkeit aller Gesellschaften fremden Kapitals. Nach ersteren war
die Türkei gezwungen, fremden Gesellschaften die administrativ-judiziellen
Privilegien allen Fremden zu gewähren, was sie jetzt natürlich nicht mehr zu
tun braucht.

Ein weiteres Hemmnis jeder Jnvestitions- und Unternehmertätigkeit ist zu
beseitigen, nämlich die schweren Bestimmungen des Bergbaugesetzes. Da mit
den neuen Waffentaten ein neuer Geist eingezogen ist, so ist zu hoffen, daß
die dem Bergbau abgeneigten Vorschriften des Korans, durch moderne, jede
Initiative fördernde Bergbaugesetze ersetzt werden. Als Beispiel dafür, wie
schwer die bisherigen Gesetze auf dem Bergbau lasteten, möge folgende hohe
Besteuerung erwähnt sein: 1. Einmalige Abgabe von 50 bis 100 türkischen
Pfund für den die Konzession erteilenden Firman; 2. Jährliche fixe Steuer
von 10 Piastern für den Djerib; 3. Proportionelle Steuer nach Fläche,
Art und Reichtum der Mine, der Schwierigkeit der Ausbeutung, Transport¬
entfernung usw.; und zwar wird diese Steuer nach dem Bruttoertrag der
Ausbeute erhoben, 2) von ein Prozent bis fünf Prozent für in Aderform ge¬
lagerte Mineralien wie Kupfer, Bleisilber Kohle usw.; b) zehn Prozent bis
zwanzig Prozent für Mineralien wie Schmirgel, Meerschaum, Chrom, Mineral¬
wässer, Petroleum, Asphalt usw.

Es braucht hier nicht hervorgehoben zu werden, welche Bedeutung der
Bergbau bei dem Schätzereichtum des türkischen Bodens sowohl für die Türkei
als für Deutschland erlangen kann.

Deutschlands bisheriges größtes Kapitalinteresse in der Türkei liegt bei den
Eisenbahnen, mit deren Ausbau bereits während der ersten wirtschaftlichen
Annäherung begonnen worden war. Auch England und Frankreich haben be¬
deutende Kapitalien in Verkehrsunternehmungen angelegt. Seit dem Kriegs¬
ausbruch geht eine Bewegung durch die türkische öffentliche Meinung, sich von
dem wirtschaftlichen Einfluß der feindlichen Mächte zu befreien, um ihnen da-
mit den politischen Ast, auf dem sie sitzen, abzusägen. Den Anfang in dieser
Richtung hat die türkische Regierung mit dem Beschluß gemacht, alle from
zösischen Eisenbahnen auszulaufen. Wenn dies auch eine politische Maßregel
par exellence ist, so stehen doch der Liquidation feindlicher Kapitalanlagen


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[0113] Das jungtürkische Programm register eintragen zu lassen. Die deutsche Muttergesellschaft würde dann in der Zwangslage sein, einerseits für ihre eigenen Aktien Steuern zu zahlen, anderseits die Aktien der türkischen Tochtergesellschaft zu versteuern, was naturgemäß eine Erhöhung der Betriebskosten und eine Erschwerung der Gründungstätigkeit nach sich ziehen würde. Die Vetriebsverteuerung würden beispielsweise die Munizipalverwaltungen zu spüren bekommen. Die Ver¬ pachtung der Gas-, Licht-, Wasser- und Straßenbetriebe durch Munizipalver¬ waltungen an deutsche Gesellschaften würde durch eine Doppelbesteuerung leiden und die Belastung hätte die Bevölkerung zu tragen. Drittens fällt mit den Kapitulationen ein Grund mehr für die Forderung türkischer Staatszugehörigkeit aller Gesellschaften fremden Kapitals. Nach ersteren war die Türkei gezwungen, fremden Gesellschaften die administrativ-judiziellen Privilegien allen Fremden zu gewähren, was sie jetzt natürlich nicht mehr zu tun braucht. Ein weiteres Hemmnis jeder Jnvestitions- und Unternehmertätigkeit ist zu beseitigen, nämlich die schweren Bestimmungen des Bergbaugesetzes. Da mit den neuen Waffentaten ein neuer Geist eingezogen ist, so ist zu hoffen, daß die dem Bergbau abgeneigten Vorschriften des Korans, durch moderne, jede Initiative fördernde Bergbaugesetze ersetzt werden. Als Beispiel dafür, wie schwer die bisherigen Gesetze auf dem Bergbau lasteten, möge folgende hohe Besteuerung erwähnt sein: 1. Einmalige Abgabe von 50 bis 100 türkischen Pfund für den die Konzession erteilenden Firman; 2. Jährliche fixe Steuer von 10 Piastern für den Djerib; 3. Proportionelle Steuer nach Fläche, Art und Reichtum der Mine, der Schwierigkeit der Ausbeutung, Transport¬ entfernung usw.; und zwar wird diese Steuer nach dem Bruttoertrag der Ausbeute erhoben, 2) von ein Prozent bis fünf Prozent für in Aderform ge¬ lagerte Mineralien wie Kupfer, Bleisilber Kohle usw.; b) zehn Prozent bis zwanzig Prozent für Mineralien wie Schmirgel, Meerschaum, Chrom, Mineral¬ wässer, Petroleum, Asphalt usw. Es braucht hier nicht hervorgehoben zu werden, welche Bedeutung der Bergbau bei dem Schätzereichtum des türkischen Bodens sowohl für die Türkei als für Deutschland erlangen kann. Deutschlands bisheriges größtes Kapitalinteresse in der Türkei liegt bei den Eisenbahnen, mit deren Ausbau bereits während der ersten wirtschaftlichen Annäherung begonnen worden war. Auch England und Frankreich haben be¬ deutende Kapitalien in Verkehrsunternehmungen angelegt. Seit dem Kriegs¬ ausbruch geht eine Bewegung durch die türkische öffentliche Meinung, sich von dem wirtschaftlichen Einfluß der feindlichen Mächte zu befreien, um ihnen da- mit den politischen Ast, auf dem sie sitzen, abzusägen. Den Anfang in dieser Richtung hat die türkische Regierung mit dem Beschluß gemacht, alle from zösischen Eisenbahnen auszulaufen. Wenn dies auch eine politische Maßregel par exellence ist, so stehen doch der Liquidation feindlicher Kapitalanlagen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/113>, abgerufen am 24.08.2024.