Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Das jungtürkische Programm dingen sich gegenseitig, deshalb muß die Forderung der Ausdehnung der Von nicht geringer Bedeutung für die deutsche Investitionstätigkeit in der Einen integrierender Bestandteil der Reformen bildet ferner die Aus¬ Das jungtürkische Programm dingen sich gegenseitig, deshalb muß die Forderung der Ausdehnung der Von nicht geringer Bedeutung für die deutsche Investitionstätigkeit in der Einen integrierender Bestandteil der Reformen bildet ferner die Aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324521"/> <fw type="header" place="top"> Das jungtürkische Programm</fw><lb/> <p xml:id="ID_361" prev="#ID_360"> dingen sich gegenseitig, deshalb muß die Forderung der Ausdehnung der<lb/> deutschen Banktätigkeit im Orient erhoben werden. Gemeine ist nicht nur die<lb/> reguläre Banktätigkeit, sondern auch diejenige der Hypothekenbanken. Während<lb/> die bereits bestehenden rührigen deutschen Banken die „Schrittmacher für<lb/> Handel und Industrie" im Orient sind, wird eine zu gründende Hypotheken¬<lb/> bank „der Schrittmacher für die türkische Landwirtschaft" sein. Nicht zum ge¬<lb/> ringen Teil verschuldet der absolute Mangel an Agrarkredit die Rückständigkeit<lb/> der türkischen Landwirtschaft. Wenn die deutschen Baumwollspinner für Baum¬<lb/> wollanbau in der Türkei zu sorgen bestrebt sind, so müssen sie den türkischen<lb/> Bauern genügenden Land- und Betriebskredit zur Verfügung stellen, ebenso<lb/> müssen die deutschen Verkehrsgesellschaften, um ihren Betrieb zu erhöhen, moderne<lb/> landwirtschaftliche Geräte verteilen, wodurch die Intensität des Lo.ndbm-.es<lb/> gefördert wird. Sobald das türkische Parlament ein modernes Hypotheken¬<lb/> gesetz votiere haben wird, wird die Hypothekenbankfrage aktuell werden. Die<lb/> Kapitalarmut der Türkei wird der Aufbringung der Mittel für einen gro߬<lb/> zügigen Betrieb einer Hypothekenbank hinderlich sein. Auch hier steht also die<lb/> Frage offen, ob diese Mittel durch eine Anleihe beschafft, oder ob die Aktien<lb/> und die Pfandbriefe deutschen Inhabern zur Verfügung gestellt werden sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_362"> Von nicht geringer Bedeutung für die deutsche Investitionstätigkeit in der<lb/> Türkei ist die Erhebung der „Freigabe aller Konzessionen" zum Grundsatz.<lb/> Da die Kapitulationen mit ihrer Gefährdung der Staatssouveränität die bis¬<lb/> herige „Konzessionspolitik" der Pforte verschuldet haben, dürfte mit ihrer Ab¬<lb/> schaffung die Freigabe jedes Industrie- und Gewerbebetriebs als bevorstehend<lb/> erachtet werden. Diese „Freigabe" bildet eine wichtige Ergänzung zum neuen<lb/> „Jndustrieförderungsgesetz", das für sich allein illusorisch geblieben wäre. Tat¬<lb/> sächlich hat die türkische Negierung in letzter Zeit mit der Freigabe der Papier¬<lb/> fabrikation den Anfang einer praktischen Anwendung gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_363" next="#ID_364"> Einen integrierender Bestandteil der Reformen bildet ferner die Aus¬<lb/> gestaltung des Aktienrechts, die mit der Umarbeitung des gesamten Rechts sowie<lb/> der Rechtsprechung erfolgen dürfte. Diese Umbildung muß von dem Ge¬<lb/> sichtspunkt der Erleichterung des Betriebes ausländischer Aktiengesellschaften<lb/> im Reiche ausgehen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens würde die<lb/> Forderung türkischer Staatszugehörigkeit aller Unternehmungen die Erschwerung<lb/> des Aktienabsatzes in Deutschland und im Ausland im allgemeinen nach sich<lb/> ziehen; ein fremdes Papier erschwert ungemein die Orientierung über seine<lb/> Sicherheit und begegnet als „exotisches" Papier äußerstem Mißtrauen. Die<lb/> „deutsche" Eigenschaft einer Aktie, deren Unternehmung in der Türkei arbeitet,<lb/> ist an und für sich beim deutschen Publikum beliebter, und findet deshalb<lb/> leichter Absatz und höhere Bewertung. Zweitens trägt eine deutsche Aktien¬<lb/> gesellschaft eine genügend hohe Steuerbelastung in Deutschland, als daß sie<lb/> noch eine zweite türkische Aktiensteuer ertragen könnte. Letztere müßte erhoben<lb/> werden, wenn jede Aktiengesellschaft gezwungen wäre, sich im türkischen Handels-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
Das jungtürkische Programm
dingen sich gegenseitig, deshalb muß die Forderung der Ausdehnung der
deutschen Banktätigkeit im Orient erhoben werden. Gemeine ist nicht nur die
reguläre Banktätigkeit, sondern auch diejenige der Hypothekenbanken. Während
die bereits bestehenden rührigen deutschen Banken die „Schrittmacher für
Handel und Industrie" im Orient sind, wird eine zu gründende Hypotheken¬
bank „der Schrittmacher für die türkische Landwirtschaft" sein. Nicht zum ge¬
ringen Teil verschuldet der absolute Mangel an Agrarkredit die Rückständigkeit
der türkischen Landwirtschaft. Wenn die deutschen Baumwollspinner für Baum¬
wollanbau in der Türkei zu sorgen bestrebt sind, so müssen sie den türkischen
Bauern genügenden Land- und Betriebskredit zur Verfügung stellen, ebenso
müssen die deutschen Verkehrsgesellschaften, um ihren Betrieb zu erhöhen, moderne
landwirtschaftliche Geräte verteilen, wodurch die Intensität des Lo.ndbm-.es
gefördert wird. Sobald das türkische Parlament ein modernes Hypotheken¬
gesetz votiere haben wird, wird die Hypothekenbankfrage aktuell werden. Die
Kapitalarmut der Türkei wird der Aufbringung der Mittel für einen gro߬
zügigen Betrieb einer Hypothekenbank hinderlich sein. Auch hier steht also die
Frage offen, ob diese Mittel durch eine Anleihe beschafft, oder ob die Aktien
und die Pfandbriefe deutschen Inhabern zur Verfügung gestellt werden sollen.
Von nicht geringer Bedeutung für die deutsche Investitionstätigkeit in der
Türkei ist die Erhebung der „Freigabe aller Konzessionen" zum Grundsatz.
Da die Kapitulationen mit ihrer Gefährdung der Staatssouveränität die bis¬
herige „Konzessionspolitik" der Pforte verschuldet haben, dürfte mit ihrer Ab¬
schaffung die Freigabe jedes Industrie- und Gewerbebetriebs als bevorstehend
erachtet werden. Diese „Freigabe" bildet eine wichtige Ergänzung zum neuen
„Jndustrieförderungsgesetz", das für sich allein illusorisch geblieben wäre. Tat¬
sächlich hat die türkische Negierung in letzter Zeit mit der Freigabe der Papier¬
fabrikation den Anfang einer praktischen Anwendung gemacht.
Einen integrierender Bestandteil der Reformen bildet ferner die Aus¬
gestaltung des Aktienrechts, die mit der Umarbeitung des gesamten Rechts sowie
der Rechtsprechung erfolgen dürfte. Diese Umbildung muß von dem Ge¬
sichtspunkt der Erleichterung des Betriebes ausländischer Aktiengesellschaften
im Reiche ausgehen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens würde die
Forderung türkischer Staatszugehörigkeit aller Unternehmungen die Erschwerung
des Aktienabsatzes in Deutschland und im Ausland im allgemeinen nach sich
ziehen; ein fremdes Papier erschwert ungemein die Orientierung über seine
Sicherheit und begegnet als „exotisches" Papier äußerstem Mißtrauen. Die
„deutsche" Eigenschaft einer Aktie, deren Unternehmung in der Türkei arbeitet,
ist an und für sich beim deutschen Publikum beliebter, und findet deshalb
leichter Absatz und höhere Bewertung. Zweitens trägt eine deutsche Aktien¬
gesellschaft eine genügend hohe Steuerbelastung in Deutschland, als daß sie
noch eine zweite türkische Aktiensteuer ertragen könnte. Letztere müßte erhoben
werden, wenn jede Aktiengesellschaft gezwungen wäre, sich im türkischen Handels-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |