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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Das jungen'lische Programm

nicht unbedeutende wirtschaftliche Schwierigkeiten entgegen. Da man im In¬
lands die Mittel hierzu nicht besitzt, so ist man wiederum auf den ausländischen
Kapitalmarkt, und zwar diesmal auf Deutschland allein angewiesen. Es ist
aber nicht zu leugnen, daß bei den Milliardenausgaben des Krieges, auch
deutsches Kapital nicht so rasch fließen wird, wie es dem Verbündeten er¬
wünscht wäre. Immerhin ist der Plan des Auflaufs französischer Eisenbahnen
durch die türkische Regierung insofern wirtschaftlich unbedenklich, als die Bahnen
bereits bedeutende Erträge abwerfen und keine Zuschüsse erfordern, so daß sie
keinesfalls eine Belastung des türkischen Budgets bedeuten würden. Dagegen
bleibt die Ausführung der von Frankreich im vorigen Jahre neu erworbenen
Konzessionen im Sande stecken. Diese aufzunehmen wäre ein weiteres Ver¬
dienst Deutschlands um den befreundeten Staat.

Der Ausbau der deutschen Kapitalintercssm in der Türkei hängt aber in
erster Linie von einer völligen Umbildung des türkischen Rechts ab. Denn
solange diese Umbildung nicht erfolgt ist, wird der noch bestehenden Rechts¬
unsicherheit wegen die Entwicklung nur langsam vor sich gehen können. In
diesem Sinne hat sich Midhat Schnkri Bey geäußert: "Wir sind uns voll¬
kommen klar darüber, daß wir nach Aufhebung der Kapitulationen unsere
Rechtsprechung vollkommen umbilden müssen, um dem deutschen Kapital alle
Rechtssicherheit zu bieten. Die Hauptsache ist, daß wir unverzüglich ans Werk
gehen, damit uns der Friedensschluß nicht unvorbereitet trifft." Dieser Aus¬
spruch kann als die Überzeugung aller Jungtürken angesehen werden.

Die Durchtränkung der türkischen Volkswirtschaft mit deutschem Kapital,
deutscher Kultur, und deutschem Unternehm ergeist wird gesteigert und gefördert
werden durch die bis zum Enthusiasmus gesteigerte Einsicht aller türkischen
Kreise in ihre Notwendigkeit als Mittel zur Gnmdsteiuleguug einer türkischen
Großmacht. "Die Türken wissen, daß sie sich vertrauensvoll an Deutschland
wenden können, weil sie von der aufrichtigen Gesinnung Deutschlands überzeugt
sind. Wenn wir früher fremde Beiräte beriefen, wußten wir, daß sie das
Interesse des eigenen Landes, nicht das der Türkei zu fördern suchen würden,
und sind voller Mißtrauen gegen fremde Hilfe gewesen. Wir wissen aber,
daß unser wirtschaftliches wie politisches Erstarken ein wichtiges Interesse
Deutschlands ist. Deshalb können wir unbedingt auf Deutschland vertrauen"
-- so sagte Midhat Schnkri Bey.




Das jungen'lische Programm

nicht unbedeutende wirtschaftliche Schwierigkeiten entgegen. Da man im In¬
lands die Mittel hierzu nicht besitzt, so ist man wiederum auf den ausländischen
Kapitalmarkt, und zwar diesmal auf Deutschland allein angewiesen. Es ist
aber nicht zu leugnen, daß bei den Milliardenausgaben des Krieges, auch
deutsches Kapital nicht so rasch fließen wird, wie es dem Verbündeten er¬
wünscht wäre. Immerhin ist der Plan des Auflaufs französischer Eisenbahnen
durch die türkische Regierung insofern wirtschaftlich unbedenklich, als die Bahnen
bereits bedeutende Erträge abwerfen und keine Zuschüsse erfordern, so daß sie
keinesfalls eine Belastung des türkischen Budgets bedeuten würden. Dagegen
bleibt die Ausführung der von Frankreich im vorigen Jahre neu erworbenen
Konzessionen im Sande stecken. Diese aufzunehmen wäre ein weiteres Ver¬
dienst Deutschlands um den befreundeten Staat.

Der Ausbau der deutschen Kapitalintercssm in der Türkei hängt aber in
erster Linie von einer völligen Umbildung des türkischen Rechts ab. Denn
solange diese Umbildung nicht erfolgt ist, wird der noch bestehenden Rechts¬
unsicherheit wegen die Entwicklung nur langsam vor sich gehen können. In
diesem Sinne hat sich Midhat Schnkri Bey geäußert: „Wir sind uns voll¬
kommen klar darüber, daß wir nach Aufhebung der Kapitulationen unsere
Rechtsprechung vollkommen umbilden müssen, um dem deutschen Kapital alle
Rechtssicherheit zu bieten. Die Hauptsache ist, daß wir unverzüglich ans Werk
gehen, damit uns der Friedensschluß nicht unvorbereitet trifft." Dieser Aus¬
spruch kann als die Überzeugung aller Jungtürken angesehen werden.

Die Durchtränkung der türkischen Volkswirtschaft mit deutschem Kapital,
deutscher Kultur, und deutschem Unternehm ergeist wird gesteigert und gefördert
werden durch die bis zum Enthusiasmus gesteigerte Einsicht aller türkischen
Kreise in ihre Notwendigkeit als Mittel zur Gnmdsteiuleguug einer türkischen
Großmacht. „Die Türken wissen, daß sie sich vertrauensvoll an Deutschland
wenden können, weil sie von der aufrichtigen Gesinnung Deutschlands überzeugt
sind. Wenn wir früher fremde Beiräte beriefen, wußten wir, daß sie das
Interesse des eigenen Landes, nicht das der Türkei zu fördern suchen würden,
und sind voller Mißtrauen gegen fremde Hilfe gewesen. Wir wissen aber,
daß unser wirtschaftliches wie politisches Erstarken ein wichtiges Interesse
Deutschlands ist. Deshalb können wir unbedingt auf Deutschland vertrauen"
— so sagte Midhat Schnkri Bey.




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[0114] Das jungen'lische Programm nicht unbedeutende wirtschaftliche Schwierigkeiten entgegen. Da man im In¬ lands die Mittel hierzu nicht besitzt, so ist man wiederum auf den ausländischen Kapitalmarkt, und zwar diesmal auf Deutschland allein angewiesen. Es ist aber nicht zu leugnen, daß bei den Milliardenausgaben des Krieges, auch deutsches Kapital nicht so rasch fließen wird, wie es dem Verbündeten er¬ wünscht wäre. Immerhin ist der Plan des Auflaufs französischer Eisenbahnen durch die türkische Regierung insofern wirtschaftlich unbedenklich, als die Bahnen bereits bedeutende Erträge abwerfen und keine Zuschüsse erfordern, so daß sie keinesfalls eine Belastung des türkischen Budgets bedeuten würden. Dagegen bleibt die Ausführung der von Frankreich im vorigen Jahre neu erworbenen Konzessionen im Sande stecken. Diese aufzunehmen wäre ein weiteres Ver¬ dienst Deutschlands um den befreundeten Staat. Der Ausbau der deutschen Kapitalintercssm in der Türkei hängt aber in erster Linie von einer völligen Umbildung des türkischen Rechts ab. Denn solange diese Umbildung nicht erfolgt ist, wird der noch bestehenden Rechts¬ unsicherheit wegen die Entwicklung nur langsam vor sich gehen können. In diesem Sinne hat sich Midhat Schnkri Bey geäußert: „Wir sind uns voll¬ kommen klar darüber, daß wir nach Aufhebung der Kapitulationen unsere Rechtsprechung vollkommen umbilden müssen, um dem deutschen Kapital alle Rechtssicherheit zu bieten. Die Hauptsache ist, daß wir unverzüglich ans Werk gehen, damit uns der Friedensschluß nicht unvorbereitet trifft." Dieser Aus¬ spruch kann als die Überzeugung aller Jungtürken angesehen werden. Die Durchtränkung der türkischen Volkswirtschaft mit deutschem Kapital, deutscher Kultur, und deutschem Unternehm ergeist wird gesteigert und gefördert werden durch die bis zum Enthusiasmus gesteigerte Einsicht aller türkischen Kreise in ihre Notwendigkeit als Mittel zur Gnmdsteiuleguug einer türkischen Großmacht. „Die Türken wissen, daß sie sich vertrauensvoll an Deutschland wenden können, weil sie von der aufrichtigen Gesinnung Deutschlands überzeugt sind. Wenn wir früher fremde Beiräte beriefen, wußten wir, daß sie das Interesse des eigenen Landes, nicht das der Türkei zu fördern suchen würden, und sind voller Mißtrauen gegen fremde Hilfe gewesen. Wir wissen aber, daß unser wirtschaftliches wie politisches Erstarken ein wichtiges Interesse Deutschlands ist. Deshalb können wir unbedingt auf Deutschland vertrauen" — so sagte Midhat Schnkri Bey.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/114>, abgerufen am 27.12.2024.