Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ans Lmcmuel Geibels Schülerzeit
"Denn heut' muß beginnen die Frühlingszeit,
Schon dehnt sich der Himmel so blau, so weit,
Schneeglöckchen schon wiegen
Das Haupt in Vergnügen,
Bald schmückt auch der Wald sich mit knospenden Grün,
Und die Veilchen blüh'n,
Und die roten, duftigen Rosen erglühn."
"Doch wenn erst der Mai übers ganze Land
Sein blaues, horniges Zelt gespannt,
Dann hat, der uns sendet
Die Schritte gewendet;
Er zieht in die Ferne im FrühlingSschein
Und singet darein:
Ade, Vielliebchen, und denke du meint"

I-

K.

Des Dichters Reich
Der Liebe Leid und Lust.

G. W. I. S. 23. mit der Überschrift "König
Dichter".

Gaedertz, S. 10S.

in.

Der Zigeunerbube im Norden

18.

Im Frühling

[Beginn Spaltensatz] Wohl zieht der sonnenhelle Mai
Die blühende Welt entlang,
Wohl tönt aus klarem Himmel frei
Der wirbelnden Lerchen Gesang.
Wohl blitzt von goldnen schimmern hell
Das Meer in tiefer Ruh,
Wohl rauschen lustig Wald und Quell
Mir ihre Grüße zu. [Spaltenumbruch] Wohl senden die Veilchen süßen Duft,
Wohl glüht die Ros' am Strauch,
Wohl schauert durch die blaue Lust
Der blaue Frühlingshauch:
Doch ach, was soll mir all die Luke
Mit Glut und Duft und Licht I
Das Herz ist tot in meiner Vrust,
Und lieben darf ich nicht. [Ende Spaltensatz]

1".

Des Verbannten Verkündigung. 1832.
Auf Sibiriens Eisgefilden glüht des Abends Feuerstrahl,
Hell von roten Soimenschimmern glänzet weit hinaus das Tal;
Da erklimmt die höchste Zinke ein ergrauter Polenheld,
Den man einst bedeckt mit Wunden fand auf Ostrolenkas Feld.
Eingefallen sind die Wangen, und das Angesicht ist bleich,
Aber auf der Stirn die Narbe leuchtet einer Krone gleich,
Lahn ist ihm der Arm vom Schusse, matt der Leib von Gram und Mühn
Aber seine Augen siehst du wie zwei Schlachtensonnen glühn. Und hoch droben aus dem Gipfel, wo der Geier einsam haust,
Wo mit eisig kaltem Fittig ihn der freie Nord umbraust,
Rastet er und schaut nach Westen, nach der Heimat unverwandt,
Und den Sturmwind überdröhnend ruft er so dem Vaterland:

Ans Lmcmuel Geibels Schülerzeit
„Denn heut' muß beginnen die Frühlingszeit,
Schon dehnt sich der Himmel so blau, so weit,
Schneeglöckchen schon wiegen
Das Haupt in Vergnügen,
Bald schmückt auch der Wald sich mit knospenden Grün,
Und die Veilchen blüh'n,
Und die roten, duftigen Rosen erglühn."
„Doch wenn erst der Mai übers ganze Land
Sein blaues, horniges Zelt gespannt,
Dann hat, der uns sendet
Die Schritte gewendet;
Er zieht in die Ferne im FrühlingSschein
Und singet darein:
Ade, Vielliebchen, und denke du meint"

I-

K.

Des Dichters Reich
Der Liebe Leid und Lust.

G. W. I. S. 23. mit der Überschrift „König
Dichter".

Gaedertz, S. 10S.

in.

Der Zigeunerbube im Norden

18.

Im Frühling

[Beginn Spaltensatz] Wohl zieht der sonnenhelle Mai
Die blühende Welt entlang,
Wohl tönt aus klarem Himmel frei
Der wirbelnden Lerchen Gesang.
Wohl blitzt von goldnen schimmern hell
Das Meer in tiefer Ruh,
Wohl rauschen lustig Wald und Quell
Mir ihre Grüße zu. [Spaltenumbruch] Wohl senden die Veilchen süßen Duft,
Wohl glüht die Ros' am Strauch,
Wohl schauert durch die blaue Lust
Der blaue Frühlingshauch:
Doch ach, was soll mir all die Luke
Mit Glut und Duft und Licht I
Das Herz ist tot in meiner Vrust,
Und lieben darf ich nicht. [Ende Spaltensatz]

1».

Des Verbannten Verkündigung. 1832.
Auf Sibiriens Eisgefilden glüht des Abends Feuerstrahl,
Hell von roten Soimenschimmern glänzet weit hinaus das Tal;
Da erklimmt die höchste Zinke ein ergrauter Polenheld,
Den man einst bedeckt mit Wunden fand auf Ostrolenkas Feld.
Eingefallen sind die Wangen, und das Angesicht ist bleich,
Aber auf der Stirn die Narbe leuchtet einer Krone gleich,
Lahn ist ihm der Arm vom Schusse, matt der Leib von Gram und Mühn
Aber seine Augen siehst du wie zwei Schlachtensonnen glühn. Und hoch droben aus dem Gipfel, wo der Geier einsam haust,
Wo mit eisig kaltem Fittig ihn der freie Nord umbraust,
Rastet er und schaut nach Westen, nach der Heimat unverwandt,
Und den Sturmwind überdröhnend ruft er so dem Vaterland:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324512"/>
          <fw type="header" place="top"> Ans Lmcmuel Geibels Schülerzeit</fw><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_33" type="poem">
            <l> &#x201E;Denn heut' muß beginnen die Frühlingszeit,<lb/>
Schon dehnt sich der Himmel so blau, so weit,</l>
            <l> Schneeglöckchen schon wiegen<lb/>
Das Haupt in Vergnügen,</l>
            <l> Bald schmückt auch der Wald sich mit knospenden Grün,<lb/>
Und die Veilchen blüh'n,<lb/>
Und die roten, duftigen Rosen erglühn."</l>
            <l> &#x201E;Doch wenn erst der Mai übers ganze Land<lb/>
Sein blaues, horniges Zelt gespannt,</l>
            <l> Dann hat, der uns sendet<lb/>
Die Schritte gewendet;</l>
            <l> Er zieht in die Ferne im FrühlingSschein<lb/>
Und singet darein:<lb/>
Ade, Vielliebchen, und denke du meint"</l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_338"> I-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_339"> K.</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_34" type="poem">
            <head> Des Dichters Reich</head>
            <l> </l>
          </lg><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_35" type="poem">
            <head> Der Liebe Leid und Lust.</head>
            <l> </l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_340"> G. W. I. S. 23. mit der Überschrift &#x201E;König<lb/>
Dichter".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_341"> Gaedertz, S. 10S.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_342"> in.</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_36" type="poem">
            <head> Der Zigeunerbube im Norden</head>
            <l> </l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_343"> 18.</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_37" type="poem">
            <head> Im Frühling</head>
            <l><lb/><cb type="start"/>
Wohl zieht der sonnenhelle Mai<lb/>
Die blühende Welt entlang,<lb/>
Wohl tönt aus klarem Himmel frei<lb/>
Der wirbelnden Lerchen Gesang.<lb/>
Wohl blitzt von goldnen schimmern hell<lb/>
Das Meer in tiefer Ruh,<lb/>
Wohl rauschen lustig Wald und Quell<lb/>
Mir ihre Grüße zu. <cb/>
Wohl senden die Veilchen süßen Duft,<lb/>
Wohl glüht die Ros' am Strauch,<lb/>
Wohl schauert durch die blaue Lust<lb/>
Der blaue Frühlingshauch:<lb/>
Doch ach, was soll mir all die Luke<lb/>
Mit Glut und Duft und Licht I<lb/>
Das Herz ist tot in meiner Vrust,<lb/>
Und lieben darf ich nicht. <cb type="end"/>
</l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_344"> 1».</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_38" type="poem">
            <head> Des Verbannten Verkündigung. 1832.</head>
            <l> Auf Sibiriens Eisgefilden glüht des Abends Feuerstrahl,<lb/>
Hell von roten Soimenschimmern glänzet weit hinaus das Tal;<lb/>
Da erklimmt die höchste Zinke ein ergrauter Polenheld,<lb/>
Den man einst bedeckt mit Wunden fand auf Ostrolenkas Feld.<lb/>
Eingefallen sind die Wangen, und das Angesicht ist bleich,<lb/>
Aber auf der Stirn die Narbe leuchtet einer Krone gleich,<lb/>
Lahn ist ihm der Arm vom Schusse, matt der Leib von Gram und Mühn<lb/>
Aber seine Augen siehst du wie zwei Schlachtensonnen glühn. Und hoch droben aus dem Gipfel, wo der Geier einsam haust,<lb/>
Wo mit eisig kaltem Fittig ihn der freie Nord umbraust,<lb/>
Rastet er und schaut nach Westen, nach der Heimat unverwandt,<lb/>
Und den Sturmwind überdröhnend ruft er so dem Vaterland: </l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0103] Ans Lmcmuel Geibels Schülerzeit „Denn heut' muß beginnen die Frühlingszeit, Schon dehnt sich der Himmel so blau, so weit, Schneeglöckchen schon wiegen Das Haupt in Vergnügen, Bald schmückt auch der Wald sich mit knospenden Grün, Und die Veilchen blüh'n, Und die roten, duftigen Rosen erglühn." „Doch wenn erst der Mai übers ganze Land Sein blaues, horniges Zelt gespannt, Dann hat, der uns sendet Die Schritte gewendet; Er zieht in die Ferne im FrühlingSschein Und singet darein: Ade, Vielliebchen, und denke du meint" I- K. Des Dichters Reich Der Liebe Leid und Lust. G. W. I. S. 23. mit der Überschrift „König Dichter". Gaedertz, S. 10S. in. Der Zigeunerbube im Norden 18. Im Frühling Wohl zieht der sonnenhelle Mai Die blühende Welt entlang, Wohl tönt aus klarem Himmel frei Der wirbelnden Lerchen Gesang. Wohl blitzt von goldnen schimmern hell Das Meer in tiefer Ruh, Wohl rauschen lustig Wald und Quell Mir ihre Grüße zu. Wohl senden die Veilchen süßen Duft, Wohl glüht die Ros' am Strauch, Wohl schauert durch die blaue Lust Der blaue Frühlingshauch: Doch ach, was soll mir all die Luke Mit Glut und Duft und Licht I Das Herz ist tot in meiner Vrust, Und lieben darf ich nicht. 1». Des Verbannten Verkündigung. 1832. Auf Sibiriens Eisgefilden glüht des Abends Feuerstrahl, Hell von roten Soimenschimmern glänzet weit hinaus das Tal; Da erklimmt die höchste Zinke ein ergrauter Polenheld, Den man einst bedeckt mit Wunden fand auf Ostrolenkas Feld. Eingefallen sind die Wangen, und das Angesicht ist bleich, Aber auf der Stirn die Narbe leuchtet einer Krone gleich, Lahn ist ihm der Arm vom Schusse, matt der Leib von Gram und Mühn Aber seine Augen siehst du wie zwei Schlachtensonnen glühn. Und hoch droben aus dem Gipfel, wo der Geier einsam haust, Wo mit eisig kaltem Fittig ihn der freie Nord umbraust, Rastet er und schaut nach Westen, nach der Heimat unverwandt, Und den Sturmwind überdröhnend ruft er so dem Vaterland:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/103
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/103>, abgerufen am 28.12.2024.