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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Ans Lmannel Geibels Schülerzeit
"Land, wo meine Wälder rauschen, Land, wo meine Ströme ziehn,
Land der wilden Schlachtendonner und der weichen Melodien,
Wo ich rühmlich einst gestritten, Wo ich glühend einst geliebt,
Höre deines Sohnes Stimme, der dir seinen Segen gibtl
Wohl von düstern Wolkenschatten ist umhüllt dein alter Glanz,
Wohl von blut'ger Faust zerrissen ist dein grüner Lorbeerkranz,
Deine Mauern sind gebrochen, deine Tempel sind entweiht,
Deine Helden sind erschlagen oder trauern fern im Leid.
Aber kommen wird die Stunde, und nicht ist sie gar so fern,
Wo aus dunklen Nachtgewölken leuchtet deines Ruhmes Stern,
Wo aus deinem heil'gen Schoße junge Helden aufersteh",
Wo die Herzen wieder schlagen und die Banner wieder wehn.
Ha, dann laß die Glocken dröhnen, denn die Träne wird zur Tat,
Auf den vlutgedüngtcn Feldern reist die blutgedünkte Saat,
Aus den Gräbern steigt die Freiheit, siegend über Trug und Spott:
Noch ist Polen nicht verloren, denn noch lebt der alte Gott l"
Also ruft der greise Krieger; aber aus den blauen Höhn
Schwebt ein weiszer Königsadler, riesengroß und sonnenschön;
Um des Berges Gipfel kreiset dreimal er im Abendrot,
Und es sieht der Held das Zeichen, und sein Auge schließt der Tod.

n.

Auf einem Briefbogen steht

Zur Erinnerung an Travemünde, 1344

G. W. II, S. 41 unter der Überschrift "Nachts am Meer." In Strophe 4, Zeile S
heißt es G. W. S. 42 "Zum Freiheitsherold" hier "Zum Friedensboten." Auch Cäcilie besaß
es vor dem Druck.

Bisher war die Abfassungszeit des schönen Gedichts nicht bekannt, mit dem diese hand°
schriftliche Reihe von Versuchen am Schlüsse noch eine vollgereifte Frucht des zur Vollendung
gelangten Dichters darbietet.




Ans Lmannel Geibels Schülerzeit
„Land, wo meine Wälder rauschen, Land, wo meine Ströme ziehn,
Land der wilden Schlachtendonner und der weichen Melodien,
Wo ich rühmlich einst gestritten, Wo ich glühend einst geliebt,
Höre deines Sohnes Stimme, der dir seinen Segen gibtl
Wohl von düstern Wolkenschatten ist umhüllt dein alter Glanz,
Wohl von blut'ger Faust zerrissen ist dein grüner Lorbeerkranz,
Deine Mauern sind gebrochen, deine Tempel sind entweiht,
Deine Helden sind erschlagen oder trauern fern im Leid.
Aber kommen wird die Stunde, und nicht ist sie gar so fern,
Wo aus dunklen Nachtgewölken leuchtet deines Ruhmes Stern,
Wo aus deinem heil'gen Schoße junge Helden aufersteh«,
Wo die Herzen wieder schlagen und die Banner wieder wehn.
Ha, dann laß die Glocken dröhnen, denn die Träne wird zur Tat,
Auf den vlutgedüngtcn Feldern reist die blutgedünkte Saat,
Aus den Gräbern steigt die Freiheit, siegend über Trug und Spott:
Noch ist Polen nicht verloren, denn noch lebt der alte Gott l"
Also ruft der greise Krieger; aber aus den blauen Höhn
Schwebt ein weiszer Königsadler, riesengroß und sonnenschön;
Um des Berges Gipfel kreiset dreimal er im Abendrot,
Und es sieht der Held das Zeichen, und sein Auge schließt der Tod.

n.

Auf einem Briefbogen steht

Zur Erinnerung an Travemünde, 1344

G. W. II, S. 41 unter der Überschrift „Nachts am Meer." In Strophe 4, Zeile S
heißt es G. W. S. 42 „Zum Freiheitsherold" hier „Zum Friedensboten." Auch Cäcilie besaß
es vor dem Druck.

Bisher war die Abfassungszeit des schönen Gedichts nicht bekannt, mit dem diese hand°
schriftliche Reihe von Versuchen am Schlüsse noch eine vollgereifte Frucht des zur Vollendung
gelangten Dichters darbietet.




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[0104] Ans Lmannel Geibels Schülerzeit „Land, wo meine Wälder rauschen, Land, wo meine Ströme ziehn, Land der wilden Schlachtendonner und der weichen Melodien, Wo ich rühmlich einst gestritten, Wo ich glühend einst geliebt, Höre deines Sohnes Stimme, der dir seinen Segen gibtl Wohl von düstern Wolkenschatten ist umhüllt dein alter Glanz, Wohl von blut'ger Faust zerrissen ist dein grüner Lorbeerkranz, Deine Mauern sind gebrochen, deine Tempel sind entweiht, Deine Helden sind erschlagen oder trauern fern im Leid. Aber kommen wird die Stunde, und nicht ist sie gar so fern, Wo aus dunklen Nachtgewölken leuchtet deines Ruhmes Stern, Wo aus deinem heil'gen Schoße junge Helden aufersteh«, Wo die Herzen wieder schlagen und die Banner wieder wehn. Ha, dann laß die Glocken dröhnen, denn die Träne wird zur Tat, Auf den vlutgedüngtcn Feldern reist die blutgedünkte Saat, Aus den Gräbern steigt die Freiheit, siegend über Trug und Spott: Noch ist Polen nicht verloren, denn noch lebt der alte Gott l" Also ruft der greise Krieger; aber aus den blauen Höhn Schwebt ein weiszer Königsadler, riesengroß und sonnenschön; Um des Berges Gipfel kreiset dreimal er im Abendrot, Und es sieht der Held das Zeichen, und sein Auge schließt der Tod. n. Auf einem Briefbogen steht Zur Erinnerung an Travemünde, 1344 G. W. II, S. 41 unter der Überschrift „Nachts am Meer." In Strophe 4, Zeile S heißt es G. W. S. 42 „Zum Freiheitsherold" hier „Zum Friedensboten." Auch Cäcilie besaß es vor dem Druck. Bisher war die Abfassungszeit des schönen Gedichts nicht bekannt, mit dem diese hand° schriftliche Reihe von Versuchen am Schlüsse noch eine vollgereifte Frucht des zur Vollendung gelangten Dichters darbietet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/104>, abgerufen am 27.12.2024.