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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die preise der Lebensmittel

auf 36 bis-38 Franken gestiegen. Die Regierung hat daher den Maximal¬
preis auf 32 Franken festgesetzt. Nicht nur das Brot ist teuerer -- um 5 bis
10 Centimes pro Kilogramm -- auch alle anderen Lebensmittel und so gut wie
alle Verbrauchsartikel sind mehr oder weniger im Preise gestiegen. Die Fleischpreise
sind um 40 bis 50 Prozent gestiegen, und außerdem ist das Fleisch überhaupt
knapp geworden. Die Kohle ist durchschnittlich im Preise um 50 Prozent ge¬
stiegen, der Zucker um 80 bis 100 Prozent. Nach Mitteilungen aus Basel
sind seit Kriegsausbruch bis zum Oktober 1914 in Paris die Butterpreise pro
Kilogramm von 2,40 auf 4,00 Franken gestiegen, ebenso gingen in Paris die
Preise für Gemüse und Obst stark in die Höhe. Anfang März 1915 wurde das
Budget einer Pariser Hausfrau infolge des Zuckermangels nicht unbeträchtlich
belastet, das Pfund Zucker kostete nämlich 1,10 Franken. In Paris wurden
Maßnahmen getroffen, um einer Brotteuerung vorzubeugen, indem die Inten¬
dantur bedeutende Getreidevorräte kaufte; aber in der Provinz, besonders in
Südfrankreich, welches kein Getreide hervorbringt, ist die Behörde vielfach ganz
machtlos. Laut einer Mitteilung aus Genf vom 23. April 1915 beschäftigte
sich eine Anzahl französischer Zeitschriften in auffallender Weise mit der Brot¬
frage und besprach die Vorteile, die man mit einer Vermengung des Brotmehles
mit einem Drittel Reismehl erzielen würde. Nach zuverlässigen Nachrichten
aus Paris vom 19. Juni 1915 läßt die städtische Verwaltung in Paris, um
einem weiteren Steigen der Fleischpreise vorzubeugen, nunmehr nach Angaben
von Sachverständigen wöchentlich die Preise für alle Fleischarten festsetzen. Die
herrschende Teuerung der Lebensmittel in Frankreich wird auch dadurch bestätigt,
daß der Finanzminister und der Handelsminister im März 1915 in der
französischen Kammer einen Gesetzentwurf einbrachten, durch den Ergänzungs¬
kredite zum Ankauf und Wiederverkauf von Getreide und Lebensmitteln
durch das Handelsministerinm zur Verproviantierung der Zivilbevölkerung be¬
willigt werden sollen. Die Regierung schlägt hierfür einen Betrag von 150
Millionen Franken vor, wovon 70 Millionen in Form eines Kredites sofort
flüssig gemacht werden sollen; der im Februar 1915 für denselben Zweck
eröffnete Kredit von 26 Millionen Franken ließ nur ganz beschränkte
Operationen zu.

Die Ursachen der französischen Lebensmittelteuerung decken sich zum Teil
mit denjenigen Englands. So sind beispielsweise nach einer Lyoner Meldung
vom 9. Februar 1915 die Frachten für Getreide von Amerika nach französischen
Häfen von 80 Centimes für den Doppelzentner vor Ausbruch des Krieges auf
eher 3 Franken gestiegen. Der Bericht bemerkt hierzu, daß die Ankündigung
des Handelskrieges durch Deutschland ein weiteres beträchtliches Steigen der
Frachten zur Folge haben werde. Nach den Mitteilungen des Komitees für
die Verproviantierung von Paris vom Januar 1915 find die Mängel in der
Lebensmittelzufuhr nach Paris in der Unregelmäßigkeit des Eisenbahnverkehrs
zu suchen. Aber auch die Beschlüsse der Generalsyndikate, der Handelskammern


Der Weltkrieg und die preise der Lebensmittel

auf 36 bis-38 Franken gestiegen. Die Regierung hat daher den Maximal¬
preis auf 32 Franken festgesetzt. Nicht nur das Brot ist teuerer — um 5 bis
10 Centimes pro Kilogramm — auch alle anderen Lebensmittel und so gut wie
alle Verbrauchsartikel sind mehr oder weniger im Preise gestiegen. Die Fleischpreise
sind um 40 bis 50 Prozent gestiegen, und außerdem ist das Fleisch überhaupt
knapp geworden. Die Kohle ist durchschnittlich im Preise um 50 Prozent ge¬
stiegen, der Zucker um 80 bis 100 Prozent. Nach Mitteilungen aus Basel
sind seit Kriegsausbruch bis zum Oktober 1914 in Paris die Butterpreise pro
Kilogramm von 2,40 auf 4,00 Franken gestiegen, ebenso gingen in Paris die
Preise für Gemüse und Obst stark in die Höhe. Anfang März 1915 wurde das
Budget einer Pariser Hausfrau infolge des Zuckermangels nicht unbeträchtlich
belastet, das Pfund Zucker kostete nämlich 1,10 Franken. In Paris wurden
Maßnahmen getroffen, um einer Brotteuerung vorzubeugen, indem die Inten¬
dantur bedeutende Getreidevorräte kaufte; aber in der Provinz, besonders in
Südfrankreich, welches kein Getreide hervorbringt, ist die Behörde vielfach ganz
machtlos. Laut einer Mitteilung aus Genf vom 23. April 1915 beschäftigte
sich eine Anzahl französischer Zeitschriften in auffallender Weise mit der Brot¬
frage und besprach die Vorteile, die man mit einer Vermengung des Brotmehles
mit einem Drittel Reismehl erzielen würde. Nach zuverlässigen Nachrichten
aus Paris vom 19. Juni 1915 läßt die städtische Verwaltung in Paris, um
einem weiteren Steigen der Fleischpreise vorzubeugen, nunmehr nach Angaben
von Sachverständigen wöchentlich die Preise für alle Fleischarten festsetzen. Die
herrschende Teuerung der Lebensmittel in Frankreich wird auch dadurch bestätigt,
daß der Finanzminister und der Handelsminister im März 1915 in der
französischen Kammer einen Gesetzentwurf einbrachten, durch den Ergänzungs¬
kredite zum Ankauf und Wiederverkauf von Getreide und Lebensmitteln
durch das Handelsministerinm zur Verproviantierung der Zivilbevölkerung be¬
willigt werden sollen. Die Regierung schlägt hierfür einen Betrag von 150
Millionen Franken vor, wovon 70 Millionen in Form eines Kredites sofort
flüssig gemacht werden sollen; der im Februar 1915 für denselben Zweck
eröffnete Kredit von 26 Millionen Franken ließ nur ganz beschränkte
Operationen zu.

Die Ursachen der französischen Lebensmittelteuerung decken sich zum Teil
mit denjenigen Englands. So sind beispielsweise nach einer Lyoner Meldung
vom 9. Februar 1915 die Frachten für Getreide von Amerika nach französischen
Häfen von 80 Centimes für den Doppelzentner vor Ausbruch des Krieges auf
eher 3 Franken gestiegen. Der Bericht bemerkt hierzu, daß die Ankündigung
des Handelskrieges durch Deutschland ein weiteres beträchtliches Steigen der
Frachten zur Folge haben werde. Nach den Mitteilungen des Komitees für
die Verproviantierung von Paris vom Januar 1915 find die Mängel in der
Lebensmittelzufuhr nach Paris in der Unregelmäßigkeit des Eisenbahnverkehrs
zu suchen. Aber auch die Beschlüsse der Generalsyndikate, der Handelskammern


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[0087] Der Weltkrieg und die preise der Lebensmittel auf 36 bis-38 Franken gestiegen. Die Regierung hat daher den Maximal¬ preis auf 32 Franken festgesetzt. Nicht nur das Brot ist teuerer — um 5 bis 10 Centimes pro Kilogramm — auch alle anderen Lebensmittel und so gut wie alle Verbrauchsartikel sind mehr oder weniger im Preise gestiegen. Die Fleischpreise sind um 40 bis 50 Prozent gestiegen, und außerdem ist das Fleisch überhaupt knapp geworden. Die Kohle ist durchschnittlich im Preise um 50 Prozent ge¬ stiegen, der Zucker um 80 bis 100 Prozent. Nach Mitteilungen aus Basel sind seit Kriegsausbruch bis zum Oktober 1914 in Paris die Butterpreise pro Kilogramm von 2,40 auf 4,00 Franken gestiegen, ebenso gingen in Paris die Preise für Gemüse und Obst stark in die Höhe. Anfang März 1915 wurde das Budget einer Pariser Hausfrau infolge des Zuckermangels nicht unbeträchtlich belastet, das Pfund Zucker kostete nämlich 1,10 Franken. In Paris wurden Maßnahmen getroffen, um einer Brotteuerung vorzubeugen, indem die Inten¬ dantur bedeutende Getreidevorräte kaufte; aber in der Provinz, besonders in Südfrankreich, welches kein Getreide hervorbringt, ist die Behörde vielfach ganz machtlos. Laut einer Mitteilung aus Genf vom 23. April 1915 beschäftigte sich eine Anzahl französischer Zeitschriften in auffallender Weise mit der Brot¬ frage und besprach die Vorteile, die man mit einer Vermengung des Brotmehles mit einem Drittel Reismehl erzielen würde. Nach zuverlässigen Nachrichten aus Paris vom 19. Juni 1915 läßt die städtische Verwaltung in Paris, um einem weiteren Steigen der Fleischpreise vorzubeugen, nunmehr nach Angaben von Sachverständigen wöchentlich die Preise für alle Fleischarten festsetzen. Die herrschende Teuerung der Lebensmittel in Frankreich wird auch dadurch bestätigt, daß der Finanzminister und der Handelsminister im März 1915 in der französischen Kammer einen Gesetzentwurf einbrachten, durch den Ergänzungs¬ kredite zum Ankauf und Wiederverkauf von Getreide und Lebensmitteln durch das Handelsministerinm zur Verproviantierung der Zivilbevölkerung be¬ willigt werden sollen. Die Regierung schlägt hierfür einen Betrag von 150 Millionen Franken vor, wovon 70 Millionen in Form eines Kredites sofort flüssig gemacht werden sollen; der im Februar 1915 für denselben Zweck eröffnete Kredit von 26 Millionen Franken ließ nur ganz beschränkte Operationen zu. Die Ursachen der französischen Lebensmittelteuerung decken sich zum Teil mit denjenigen Englands. So sind beispielsweise nach einer Lyoner Meldung vom 9. Februar 1915 die Frachten für Getreide von Amerika nach französischen Häfen von 80 Centimes für den Doppelzentner vor Ausbruch des Krieges auf eher 3 Franken gestiegen. Der Bericht bemerkt hierzu, daß die Ankündigung des Handelskrieges durch Deutschland ein weiteres beträchtliches Steigen der Frachten zur Folge haben werde. Nach den Mitteilungen des Komitees für die Verproviantierung von Paris vom Januar 1915 find die Mängel in der Lebensmittelzufuhr nach Paris in der Unregelmäßigkeit des Eisenbahnverkehrs zu suchen. Aber auch die Beschlüsse der Generalsyndikate, der Handelskammern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/87>, abgerufen am 23.07.2024.