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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel

Steigerung der Frachtraten kam dann noch die auf die Erhöhung der Fracht¬
rate selbst weiter wirkende Schiffsversicherungsprämie hinzu, die noch besonders
durch die Abwehrmaßnahmen Deutschlands und speziell durch den Unterseeboot¬
krieg wesentlich verschärft wurde. Eine weitere Verteuerung der Seefrachten
bedeutete aber auch die Steigerung der Löhne der Schiffsbemannung. Tief
einschneidend für die Verteuerung des Brotpreises in England ist ferner der
Fortfall des gewaltigen Exportes von Weizen aus Rußland, der vor allem auf
die Schließung der Dardanellen und die Blockierung der Ostsee zurückzuführen
ist; weiter kommt hierzu der Fortfall der Ausfuhr aus den Balkanländern und
aus Australien, welches sehr bald nach Kriegsausbruch ein Getreideausfuhroerbot
erlassen hatte. Schließlich ist auch nicht zu vergessen, daß die bisherige Ausfuhr
Deutschlands nicht unbedeutend in Betracht kommt. Noch im Jahre 1913
wurden von Deutschland allein 1080656 Lxvt8. (1 Lxvts. ^ 500024 Kilogramm)
Weizen und 2309057 Lxvts. Kartoffeln nach England ausgeführt. Deutschland
ist bekanntlich der größte Produzent in Rübenzucker. Von seiner Gesamterzeugung
wird in Friedenszeiten etwa 40 Prozent, die in der Hauptsache nach England
kommen, exportiert, so daß der englische Zuckerbedarf zur größten Hälfte gedeckt
wurde. Infolge des deutschen Ausfuhrverbotes ist England gezwungen, seinen
Zuckerbedarf aus anderen Ländern, namentlich aus niederländisch-Indien, zu
wesentlich erhöhten Preisen zu beschaffen, und das bedeutet bei dem hohen
Zuckerverbrauch des englischen Volkes eine starke Belastung seiner Volkswirtschaft.
Aber auch die Spekulation spielt bei der Teuerung der Lebensmittel in England
eine gewisse Rolle. So wurden von verschiedenen Teilen der Bevölkerung
mehrfach Eingaben an die Behörden gemacht, in denen über die hohen
Kriegsgewinne geklagt wird, die einige Privatunternehmungen jetzt einstreichen.
So hat beispielsweise eine der größten Brotfirmen in Monmouthshire in dem
mit dem Februar 1915 zu Ende gegangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von
367865 Pfund Sterling gegen 89000 im vergangenen Jahre zu verzeichnen
gehabt.

Die Maßnahmen der englischen Regierung gegen die sich immer mehr
steigernde Lebensmittelverteuerung haben nach den Mitteilungen der englischen
Presse kaum eine Änderung der Lage bewirken können. So hat beispielsweise
nach Meldungen aus Bombay die Beschlagnahme der sämtlichen indischen
Weizenvorräte bei der einheimischen Bevölkerung Indiens nur böses Blut
gemacht. Und ob die nach Mitteilung über Kopenhagen seitens der englischen
Regierung geplante Maßnahme des Einkaufs von Getreide und dessen Beförderung
auf eigenen Schiffen wirksamen Einfluß auf eine Besserung der Verhältnisse
auszuüben imstande ist, bleibt dahingestellt.

Gleichwie in England konnte man auch in Frankreich seit Ausbruch des
Krieges eine stetige Steigerung der Preise der notwendigsten Lebensmittel be¬
obachten. Nach den vorliegenden Berichten kostete Ende Juli 1914 der Zentner
Weizen in Frankreich 19 bis 20 Franken, Anfang Mai 191L war der Preis


Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel

Steigerung der Frachtraten kam dann noch die auf die Erhöhung der Fracht¬
rate selbst weiter wirkende Schiffsversicherungsprämie hinzu, die noch besonders
durch die Abwehrmaßnahmen Deutschlands und speziell durch den Unterseeboot¬
krieg wesentlich verschärft wurde. Eine weitere Verteuerung der Seefrachten
bedeutete aber auch die Steigerung der Löhne der Schiffsbemannung. Tief
einschneidend für die Verteuerung des Brotpreises in England ist ferner der
Fortfall des gewaltigen Exportes von Weizen aus Rußland, der vor allem auf
die Schließung der Dardanellen und die Blockierung der Ostsee zurückzuführen
ist; weiter kommt hierzu der Fortfall der Ausfuhr aus den Balkanländern und
aus Australien, welches sehr bald nach Kriegsausbruch ein Getreideausfuhroerbot
erlassen hatte. Schließlich ist auch nicht zu vergessen, daß die bisherige Ausfuhr
Deutschlands nicht unbedeutend in Betracht kommt. Noch im Jahre 1913
wurden von Deutschland allein 1080656 Lxvt8. (1 Lxvts. ^ 500024 Kilogramm)
Weizen und 2309057 Lxvts. Kartoffeln nach England ausgeführt. Deutschland
ist bekanntlich der größte Produzent in Rübenzucker. Von seiner Gesamterzeugung
wird in Friedenszeiten etwa 40 Prozent, die in der Hauptsache nach England
kommen, exportiert, so daß der englische Zuckerbedarf zur größten Hälfte gedeckt
wurde. Infolge des deutschen Ausfuhrverbotes ist England gezwungen, seinen
Zuckerbedarf aus anderen Ländern, namentlich aus niederländisch-Indien, zu
wesentlich erhöhten Preisen zu beschaffen, und das bedeutet bei dem hohen
Zuckerverbrauch des englischen Volkes eine starke Belastung seiner Volkswirtschaft.
Aber auch die Spekulation spielt bei der Teuerung der Lebensmittel in England
eine gewisse Rolle. So wurden von verschiedenen Teilen der Bevölkerung
mehrfach Eingaben an die Behörden gemacht, in denen über die hohen
Kriegsgewinne geklagt wird, die einige Privatunternehmungen jetzt einstreichen.
So hat beispielsweise eine der größten Brotfirmen in Monmouthshire in dem
mit dem Februar 1915 zu Ende gegangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von
367865 Pfund Sterling gegen 89000 im vergangenen Jahre zu verzeichnen
gehabt.

Die Maßnahmen der englischen Regierung gegen die sich immer mehr
steigernde Lebensmittelverteuerung haben nach den Mitteilungen der englischen
Presse kaum eine Änderung der Lage bewirken können. So hat beispielsweise
nach Meldungen aus Bombay die Beschlagnahme der sämtlichen indischen
Weizenvorräte bei der einheimischen Bevölkerung Indiens nur böses Blut
gemacht. Und ob die nach Mitteilung über Kopenhagen seitens der englischen
Regierung geplante Maßnahme des Einkaufs von Getreide und dessen Beförderung
auf eigenen Schiffen wirksamen Einfluß auf eine Besserung der Verhältnisse
auszuüben imstande ist, bleibt dahingestellt.

Gleichwie in England konnte man auch in Frankreich seit Ausbruch des
Krieges eine stetige Steigerung der Preise der notwendigsten Lebensmittel be¬
obachten. Nach den vorliegenden Berichten kostete Ende Juli 1914 der Zentner
Weizen in Frankreich 19 bis 20 Franken, Anfang Mai 191L war der Preis


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[0086] Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel Steigerung der Frachtraten kam dann noch die auf die Erhöhung der Fracht¬ rate selbst weiter wirkende Schiffsversicherungsprämie hinzu, die noch besonders durch die Abwehrmaßnahmen Deutschlands und speziell durch den Unterseeboot¬ krieg wesentlich verschärft wurde. Eine weitere Verteuerung der Seefrachten bedeutete aber auch die Steigerung der Löhne der Schiffsbemannung. Tief einschneidend für die Verteuerung des Brotpreises in England ist ferner der Fortfall des gewaltigen Exportes von Weizen aus Rußland, der vor allem auf die Schließung der Dardanellen und die Blockierung der Ostsee zurückzuführen ist; weiter kommt hierzu der Fortfall der Ausfuhr aus den Balkanländern und aus Australien, welches sehr bald nach Kriegsausbruch ein Getreideausfuhroerbot erlassen hatte. Schließlich ist auch nicht zu vergessen, daß die bisherige Ausfuhr Deutschlands nicht unbedeutend in Betracht kommt. Noch im Jahre 1913 wurden von Deutschland allein 1080656 Lxvt8. (1 Lxvts. ^ 500024 Kilogramm) Weizen und 2309057 Lxvts. Kartoffeln nach England ausgeführt. Deutschland ist bekanntlich der größte Produzent in Rübenzucker. Von seiner Gesamterzeugung wird in Friedenszeiten etwa 40 Prozent, die in der Hauptsache nach England kommen, exportiert, so daß der englische Zuckerbedarf zur größten Hälfte gedeckt wurde. Infolge des deutschen Ausfuhrverbotes ist England gezwungen, seinen Zuckerbedarf aus anderen Ländern, namentlich aus niederländisch-Indien, zu wesentlich erhöhten Preisen zu beschaffen, und das bedeutet bei dem hohen Zuckerverbrauch des englischen Volkes eine starke Belastung seiner Volkswirtschaft. Aber auch die Spekulation spielt bei der Teuerung der Lebensmittel in England eine gewisse Rolle. So wurden von verschiedenen Teilen der Bevölkerung mehrfach Eingaben an die Behörden gemacht, in denen über die hohen Kriegsgewinne geklagt wird, die einige Privatunternehmungen jetzt einstreichen. So hat beispielsweise eine der größten Brotfirmen in Monmouthshire in dem mit dem Februar 1915 zu Ende gegangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 367865 Pfund Sterling gegen 89000 im vergangenen Jahre zu verzeichnen gehabt. Die Maßnahmen der englischen Regierung gegen die sich immer mehr steigernde Lebensmittelverteuerung haben nach den Mitteilungen der englischen Presse kaum eine Änderung der Lage bewirken können. So hat beispielsweise nach Meldungen aus Bombay die Beschlagnahme der sämtlichen indischen Weizenvorräte bei der einheimischen Bevölkerung Indiens nur böses Blut gemacht. Und ob die nach Mitteilung über Kopenhagen seitens der englischen Regierung geplante Maßnahme des Einkaufs von Getreide und dessen Beförderung auf eigenen Schiffen wirksamen Einfluß auf eine Besserung der Verhältnisse auszuüben imstande ist, bleibt dahingestellt. Gleichwie in England konnte man auch in Frankreich seit Ausbruch des Krieges eine stetige Steigerung der Preise der notwendigsten Lebensmittel be¬ obachten. Nach den vorliegenden Berichten kostete Ende Juli 1914 der Zentner Weizen in Frankreich 19 bis 20 Franken, Anfang Mai 191L war der Preis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/86>, abgerufen am 23.07.2024.