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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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"Mo kommt das Geld her?"

gemahlen als im Frieden und lieber ein etwas dunkleres Brot gegessen; wir
haben riesige Mengen wild wachsender Pflanzen, die sonst verkamen: Pilze,
Beeren, Eicheln, Kastanien und Blättergewächse sür die Ernährung der Menschen
und Tiere nutzbar gemacht. Wir haben, ohne dadurch in unserer Ernährung
zu leiden, überhaupt weniger gegessen, nicht aus Askese, sondern weil das
Essen eben weniger "lecker" war: das ist Ersparnis durch Minderverbrauch und
gleichzeitig durch bessere "Verwaltung"; denn unser Körper nutzt wenig Nahrung
prozentual weit besser aus als überreichliche, deren Nährwerteinheiten großen¬
teils unverwertet ausgeschieden werden. Und wenn wir weniger neue Kleider,
Möbel usw. gebraucht haben, so war das eben nur möglich, weil wir mit den
alten pfleglicher haushielten als in den Zeiten des sorglosen Überflusses.

Auch das also ist echte Ersparnis ohne Minderung des Stammvermögens
gewesen. Wenn ganz Deutschland heute seine Bilanz aufstellt, so würde der
Posten: Schwund, Verlust, Leckage usw. sich als gegen die Vorjahre sehr
bedeutend verringert erweisen. Auch diese Ersparnis ist als Minderverlust
gegen die Kriegskosten auszurechnen.

Wir kommen aber nunmehr leider auch zu weniger erfreulichen Posten:

Ersparnisse im eigentlichen Sinne kann man nur vom "reinen Einkommen"
machen, das heißt von demjenigen Teile des Roheinkommens, der übrig bleibt,
nachdem der ursprüngliche Bestand des Vermögens in seinem vollen Werte wieder¬
hergestellt war, wie es zu Anfang der Einkommensperiode bestand. Um das
Reineinkommen zu berechnen, muß man vom Roheinkommen, und zwar gerade
so vom Geldeinkommen des Privatmannes wie vom Gütereinkommen der
Volkswirtschaft, Abschreibungen und Rückstellungen machen und Reserve¬
fonds anlegen.

Nun kann sich ein Privatmann in schlechten Zeiten einmal eine Zeitlang
dadurch weiter helfen, daß er diese Abzüge vom Roheinkommen gar nicht oder
nicht genügend vornimmt; er "geht dann freilich hinter sich", weil der Ver¬
mögensstamm am Ende des Jahres an Wert geringer ist als am Anfang, und
auf die Dauer würde er bei solcher Praxis zugrundegehen, wenn er mehr
verbraucht, als er eigentlich rein einnimmt. Aber eine gewisse Zeit hindurch
kann er doch durch solchen "Raubbau" aus den laufenden Roheinnahmen die
laufenden Ausgaben decken. So auch die Volkswirtschaft!

Man macht "Abschreibungen" für den Ersatz des "materiellen Verschleißes"
der Güter. In einer normalen Volkswirtschaft wird der Ersatz regelmäßig
sofort vorgenommen: das ist ihre Art, abzuschreiben. Hier haben wir während
des Krieges gewiß ein Stück Raubbau getrieben: viele eigentlich schon notwendige
Reparaturen an Hausgerät, Wohnhäusern, Fabriken, Werkstätten, Scheunen und
Speichern, Maschinen und Werkzeugen, Straßen und Kanälen, Gräben und
Drainagen usw. sind sicherlich aufgeschoben worden; anderes, das ganz ver¬
braucht war, ist nicht ersetzt worden. Wir haben die dafür erforderliche Arbeit
auf die dringenderen Aufgaben des Krieges und des unmittelbaren Konsums


„Mo kommt das Geld her?"

gemahlen als im Frieden und lieber ein etwas dunkleres Brot gegessen; wir
haben riesige Mengen wild wachsender Pflanzen, die sonst verkamen: Pilze,
Beeren, Eicheln, Kastanien und Blättergewächse sür die Ernährung der Menschen
und Tiere nutzbar gemacht. Wir haben, ohne dadurch in unserer Ernährung
zu leiden, überhaupt weniger gegessen, nicht aus Askese, sondern weil das
Essen eben weniger „lecker" war: das ist Ersparnis durch Minderverbrauch und
gleichzeitig durch bessere „Verwaltung"; denn unser Körper nutzt wenig Nahrung
prozentual weit besser aus als überreichliche, deren Nährwerteinheiten großen¬
teils unverwertet ausgeschieden werden. Und wenn wir weniger neue Kleider,
Möbel usw. gebraucht haben, so war das eben nur möglich, weil wir mit den
alten pfleglicher haushielten als in den Zeiten des sorglosen Überflusses.

Auch das also ist echte Ersparnis ohne Minderung des Stammvermögens
gewesen. Wenn ganz Deutschland heute seine Bilanz aufstellt, so würde der
Posten: Schwund, Verlust, Leckage usw. sich als gegen die Vorjahre sehr
bedeutend verringert erweisen. Auch diese Ersparnis ist als Minderverlust
gegen die Kriegskosten auszurechnen.

Wir kommen aber nunmehr leider auch zu weniger erfreulichen Posten:

Ersparnisse im eigentlichen Sinne kann man nur vom „reinen Einkommen"
machen, das heißt von demjenigen Teile des Roheinkommens, der übrig bleibt,
nachdem der ursprüngliche Bestand des Vermögens in seinem vollen Werte wieder¬
hergestellt war, wie es zu Anfang der Einkommensperiode bestand. Um das
Reineinkommen zu berechnen, muß man vom Roheinkommen, und zwar gerade
so vom Geldeinkommen des Privatmannes wie vom Gütereinkommen der
Volkswirtschaft, Abschreibungen und Rückstellungen machen und Reserve¬
fonds anlegen.

Nun kann sich ein Privatmann in schlechten Zeiten einmal eine Zeitlang
dadurch weiter helfen, daß er diese Abzüge vom Roheinkommen gar nicht oder
nicht genügend vornimmt; er „geht dann freilich hinter sich", weil der Ver¬
mögensstamm am Ende des Jahres an Wert geringer ist als am Anfang, und
auf die Dauer würde er bei solcher Praxis zugrundegehen, wenn er mehr
verbraucht, als er eigentlich rein einnimmt. Aber eine gewisse Zeit hindurch
kann er doch durch solchen „Raubbau" aus den laufenden Roheinnahmen die
laufenden Ausgaben decken. So auch die Volkswirtschaft!

Man macht „Abschreibungen" für den Ersatz des „materiellen Verschleißes"
der Güter. In einer normalen Volkswirtschaft wird der Ersatz regelmäßig
sofort vorgenommen: das ist ihre Art, abzuschreiben. Hier haben wir während
des Krieges gewiß ein Stück Raubbau getrieben: viele eigentlich schon notwendige
Reparaturen an Hausgerät, Wohnhäusern, Fabriken, Werkstätten, Scheunen und
Speichern, Maschinen und Werkzeugen, Straßen und Kanälen, Gräben und
Drainagen usw. sind sicherlich aufgeschoben worden; anderes, das ganz ver¬
braucht war, ist nicht ersetzt worden. Wir haben die dafür erforderliche Arbeit
auf die dringenderen Aufgaben des Krieges und des unmittelbaren Konsums


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/66>, abgerufen am 01.07.2024.