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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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"wo kommt das Geld her?"

Der Hauptteil aber der im Kriege verbrauchten Güter stammt nicht aus
Ersparnissen der Zeit vor dem Kriege, sondern aus Ersparnissen, die während
des Krieges selbst gemacht sind.

"Ersparnis" ist immer das Ergebnis eines Subtraktionsexempels. Vom
Gesamteinkommen ist die Gesamtausgabe abzuziehen. Je höher das Einkommen,
je geringer die Ausgabe, um so größer die Ersparnis.

Das gilt von der in Geld ausgedrückten Rechnung des Privatmannes,
über ebensosehr von der in Gütern (und "Diensten") allein ausdrückbaren
Rechnung einer ganzen Volkswirtschaft, für die, wie wir gezeigt haben, nur die
."naturalwirtschaftliche Betrachtung" anwendbar ist.

Die Kriegskosten, die ja nur aus Ersparnissen gedeckt werden konnten, sind
dementsprechend zu einem großen Teil durch Vermehrung der normalen Güter¬
produktion, zu einem anderen, noch größeren Teil durch Verminderung des
Güterkonsums aufgebracht worden.

Was die Vermehrung der Erzeugung anlangt, so ist es klar, daß sie, im
ganzen und großen betrachtet, stark vermindert sein muß. Stehen doch
Millionen Männer im Kriegsdienste als Soldaten, Sanitäter usw., die
aller produktiven Arbeit seit nunmehr elfeinhalb Monaten entzogen sind. Das
kann unmöglich vollständig kompensiert worden sein.

Aber es ist gewiß zu einem bedeutenden Teile kompensiert worden. Nicht
durch die Arbeit der Kriegsgefangenen, die qualitativ nicht sehr hoch eingeschätzt
werden kann und auch quantitativ leider bisher nicht im großen Maßstabe
eingesetzt worden ist, wohl aber durch volle Anspannung aller Zweige, die
unmittelbar und mittelbar für den Krieg arbeiten.

Die Ergiebigkeit der wirtschaftlichen Arbeit hängt ab von ihrer Dauer,
ihrer Anspannung und ihrer technischen Ausrüstung. Nun, wir wissen, daß in
allen Zweigen der Landwirtschaft und des Gewerbes, die für die nationale
Existenz notwendig sind, heute und schon seit Monaten mit voller Anspannung
gearbeitet wird. Die Arbeitszeit ist so weit gestreckt worden, wie ohne Schädigung
der Arbeiter und ihres Arbeitseifers möglich war; der Arbeitseifer, die innere
Anspannung, ist so groß wie nie, dank der patriotischen Erhebung der Arbeiter¬
schaft, dank auch ihrer Anfeuerung durch erfreulich hohe Löhne und eine gegen
die Sitten früherer Zeiten wesentlich verbesserte Behandlung durch die Arbeit¬
leiter; es gibt keine Stimmung für Streiks, Sabotage und Ca-Carum-System
mit ihren Verlusten an Arbeitsergiebigkeit, ihrer Minderproduktion; und schließlich
ist in vielen Zweigen die technische Ausrüstung der Arbeiter, die Maschinerie
samt Zubehör, mit allen Kräften vermehrt worden. All das sind Gewinne
an "produktiven Kräften", um mit Friedrich List zu sprechen, die sich in
stark erhöhter Gütererzeugung ausdrücken, soweit der einzelne Betrieb in
Frage kommt.

Dazu kommt ein anderes. Von den rund 61 Millionen Deutschen, die
heute nicht im Kriegsdienste stehen, arbeiten prozentual bedeutend mehr in der


4"
„wo kommt das Geld her?"

Der Hauptteil aber der im Kriege verbrauchten Güter stammt nicht aus
Ersparnissen der Zeit vor dem Kriege, sondern aus Ersparnissen, die während
des Krieges selbst gemacht sind.

„Ersparnis" ist immer das Ergebnis eines Subtraktionsexempels. Vom
Gesamteinkommen ist die Gesamtausgabe abzuziehen. Je höher das Einkommen,
je geringer die Ausgabe, um so größer die Ersparnis.

Das gilt von der in Geld ausgedrückten Rechnung des Privatmannes,
über ebensosehr von der in Gütern (und „Diensten") allein ausdrückbaren
Rechnung einer ganzen Volkswirtschaft, für die, wie wir gezeigt haben, nur die
.„naturalwirtschaftliche Betrachtung" anwendbar ist.

Die Kriegskosten, die ja nur aus Ersparnissen gedeckt werden konnten, sind
dementsprechend zu einem großen Teil durch Vermehrung der normalen Güter¬
produktion, zu einem anderen, noch größeren Teil durch Verminderung des
Güterkonsums aufgebracht worden.

Was die Vermehrung der Erzeugung anlangt, so ist es klar, daß sie, im
ganzen und großen betrachtet, stark vermindert sein muß. Stehen doch
Millionen Männer im Kriegsdienste als Soldaten, Sanitäter usw., die
aller produktiven Arbeit seit nunmehr elfeinhalb Monaten entzogen sind. Das
kann unmöglich vollständig kompensiert worden sein.

Aber es ist gewiß zu einem bedeutenden Teile kompensiert worden. Nicht
durch die Arbeit der Kriegsgefangenen, die qualitativ nicht sehr hoch eingeschätzt
werden kann und auch quantitativ leider bisher nicht im großen Maßstabe
eingesetzt worden ist, wohl aber durch volle Anspannung aller Zweige, die
unmittelbar und mittelbar für den Krieg arbeiten.

Die Ergiebigkeit der wirtschaftlichen Arbeit hängt ab von ihrer Dauer,
ihrer Anspannung und ihrer technischen Ausrüstung. Nun, wir wissen, daß in
allen Zweigen der Landwirtschaft und des Gewerbes, die für die nationale
Existenz notwendig sind, heute und schon seit Monaten mit voller Anspannung
gearbeitet wird. Die Arbeitszeit ist so weit gestreckt worden, wie ohne Schädigung
der Arbeiter und ihres Arbeitseifers möglich war; der Arbeitseifer, die innere
Anspannung, ist so groß wie nie, dank der patriotischen Erhebung der Arbeiter¬
schaft, dank auch ihrer Anfeuerung durch erfreulich hohe Löhne und eine gegen
die Sitten früherer Zeiten wesentlich verbesserte Behandlung durch die Arbeit¬
leiter; es gibt keine Stimmung für Streiks, Sabotage und Ca-Carum-System
mit ihren Verlusten an Arbeitsergiebigkeit, ihrer Minderproduktion; und schließlich
ist in vielen Zweigen die technische Ausrüstung der Arbeiter, die Maschinerie
samt Zubehör, mit allen Kräften vermehrt worden. All das sind Gewinne
an „produktiven Kräften", um mit Friedrich List zu sprechen, die sich in
stark erhöhter Gütererzeugung ausdrücken, soweit der einzelne Betrieb in
Frage kommt.

Dazu kommt ein anderes. Von den rund 61 Millionen Deutschen, die
heute nicht im Kriegsdienste stehen, arbeiten prozentual bedeutend mehr in der


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[0063] „wo kommt das Geld her?" Der Hauptteil aber der im Kriege verbrauchten Güter stammt nicht aus Ersparnissen der Zeit vor dem Kriege, sondern aus Ersparnissen, die während des Krieges selbst gemacht sind. „Ersparnis" ist immer das Ergebnis eines Subtraktionsexempels. Vom Gesamteinkommen ist die Gesamtausgabe abzuziehen. Je höher das Einkommen, je geringer die Ausgabe, um so größer die Ersparnis. Das gilt von der in Geld ausgedrückten Rechnung des Privatmannes, über ebensosehr von der in Gütern (und „Diensten") allein ausdrückbaren Rechnung einer ganzen Volkswirtschaft, für die, wie wir gezeigt haben, nur die .„naturalwirtschaftliche Betrachtung" anwendbar ist. Die Kriegskosten, die ja nur aus Ersparnissen gedeckt werden konnten, sind dementsprechend zu einem großen Teil durch Vermehrung der normalen Güter¬ produktion, zu einem anderen, noch größeren Teil durch Verminderung des Güterkonsums aufgebracht worden. Was die Vermehrung der Erzeugung anlangt, so ist es klar, daß sie, im ganzen und großen betrachtet, stark vermindert sein muß. Stehen doch Millionen Männer im Kriegsdienste als Soldaten, Sanitäter usw., die aller produktiven Arbeit seit nunmehr elfeinhalb Monaten entzogen sind. Das kann unmöglich vollständig kompensiert worden sein. Aber es ist gewiß zu einem bedeutenden Teile kompensiert worden. Nicht durch die Arbeit der Kriegsgefangenen, die qualitativ nicht sehr hoch eingeschätzt werden kann und auch quantitativ leider bisher nicht im großen Maßstabe eingesetzt worden ist, wohl aber durch volle Anspannung aller Zweige, die unmittelbar und mittelbar für den Krieg arbeiten. Die Ergiebigkeit der wirtschaftlichen Arbeit hängt ab von ihrer Dauer, ihrer Anspannung und ihrer technischen Ausrüstung. Nun, wir wissen, daß in allen Zweigen der Landwirtschaft und des Gewerbes, die für die nationale Existenz notwendig sind, heute und schon seit Monaten mit voller Anspannung gearbeitet wird. Die Arbeitszeit ist so weit gestreckt worden, wie ohne Schädigung der Arbeiter und ihres Arbeitseifers möglich war; der Arbeitseifer, die innere Anspannung, ist so groß wie nie, dank der patriotischen Erhebung der Arbeiter¬ schaft, dank auch ihrer Anfeuerung durch erfreulich hohe Löhne und eine gegen die Sitten früherer Zeiten wesentlich verbesserte Behandlung durch die Arbeit¬ leiter; es gibt keine Stimmung für Streiks, Sabotage und Ca-Carum-System mit ihren Verlusten an Arbeitsergiebigkeit, ihrer Minderproduktion; und schließlich ist in vielen Zweigen die technische Ausrüstung der Arbeiter, die Maschinerie samt Zubehör, mit allen Kräften vermehrt worden. All das sind Gewinne an „produktiven Kräften", um mit Friedrich List zu sprechen, die sich in stark erhöhter Gütererzeugung ausdrücken, soweit der einzelne Betrieb in Frage kommt. Dazu kommt ein anderes. Von den rund 61 Millionen Deutschen, die heute nicht im Kriegsdienste stehen, arbeiten prozentual bedeutend mehr in der 4"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/63>, abgerufen am 01.07.2024.