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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Rriegssammlnng der "Deutschen Bücherei"

Um einem weiteren Kreise einen kleinen Einblick in die Sammeltätigkeit
und das bisher Erreichte zu bieten, hat die "Deutsche Bücherei" letzthin eine
ganz bescheidene Ausstellung veranstaltet. Ganz zusammengedrängt erscheint da
die Buchliteralur, da nur je ein Titel fast eine Geistesrichtung oder eine Kett.:
von Ereignissen beleuchten soll. Unübersehbar ist demgegenüber die große Zahl
der Plakate. Und doch: wie gering ist der ausgestellte Bruchteil im Ver¬
hältnis zur vorhandenen Menge. Nicht nur Bekanntmachungen deutscher Truppen
im besetzten Auslande, auch manche Maueranschläge heimischer Behörden
haben hier einen Platz gefunden. Und das mit Recht: wie sehr auch die
einzelnen Stücke aus dem besetzten Ausland von der ruhigen Fortentwicklung der
Dinge ein erfreuliches Bild geben, so wichtig ist doch auch die Sicherung und
der Bestand des Wirtschaftslebens im Innern. Darum hat sich die "Deutsche
Bücherei" mit bestem Erfolg um den Erwerb der Bekanntmachungen der Armee¬
korps, der Festungskommandanten, der Magistrate, der Wirtschaftsgesellschaften,
der Neligionsgemeinden, der Organisationen der Liebestätigkeit usw. bemüht.
Denn erst durch diese Originalurkunden wird das Bild, das mit dem Mobil¬
machungsbefehl des Kaisers, den französischen Proklamationen, den Bekannt¬
machungen des Generalgouverneurs für Belgien, den russischen Anordnungen
in Altenstein, der Ernennung eines Kaiserlich deutschen Polizeipräsidenten
von Lodz usw. umrissen wird, im einzelnen lebhaft abschattiert und ab¬
gerundet. Es sind manche Stücke dabei, die durch Form, Sprache und
Inhalt vou Interesse und von Bedeutung sind. Für die französische Bevölkerung
sind die Bekanntmachungen der deutschen Militärbehörde französisch oder deuisch
und französisch abgefaßt. Das Französisch ist oft -- milde gesagt -- von
Germanismen nicht ganz frei. Für die vlämische Bevölkerung werden die
Kundgebungen deutsch, vlämisch und französisch erlassen. Der Setzer ist wohl
oft ein braver Vlamländer gewesen, der die deutsche Sprache mit leisem
vlämischen Akzent setzt. Das Fehlen von Anlanden im Setzkasten veranlaßt die
Kommandantur über die "unerhoerte Kriegssuehrung der Englaender" zu wettern.
Wenn alle Druckeinrichtungen fehlen, dann wird ein spähn in einen Farbtopf
getaucht und recht grell rotschwarz angedroht: im Fall, daß man geschossen
hat, wird man erschossen usw. Den Vlamländern wird anheimgegeben, in
allen Eingaben an die deutsche Verwaltung sich der deutschen Sprache oder des
Vlämischen zu bedienen. Ja, wir Barbaren verlangen von den Einwohnern
des besetzten Landes sogar die Befolgung der von der belgischen Regierung
erlassenen Bestimmung, daß die Singvögel und Insektenfresser geschützt werden
sollen, daß dagegen schädliche Raubvögel und ihre Brut vernichtet werden
dürfen.

Leckerbissen für Liebhaber literarischer Seltenheiten bietet nun schon die
Sammlung der Feldzeitungen. Zwar ist im Osten die Anzahl noch nicht
besonders groß: erst nach und nach sind die deutschen Soldaten dort jenseits
der Grenze so weit eingerichtet, daß sie an die Herausgabe von Zeitungen gehen


Die Rriegssammlnng der „Deutschen Bücherei"

Um einem weiteren Kreise einen kleinen Einblick in die Sammeltätigkeit
und das bisher Erreichte zu bieten, hat die „Deutsche Bücherei" letzthin eine
ganz bescheidene Ausstellung veranstaltet. Ganz zusammengedrängt erscheint da
die Buchliteralur, da nur je ein Titel fast eine Geistesrichtung oder eine Kett.:
von Ereignissen beleuchten soll. Unübersehbar ist demgegenüber die große Zahl
der Plakate. Und doch: wie gering ist der ausgestellte Bruchteil im Ver¬
hältnis zur vorhandenen Menge. Nicht nur Bekanntmachungen deutscher Truppen
im besetzten Auslande, auch manche Maueranschläge heimischer Behörden
haben hier einen Platz gefunden. Und das mit Recht: wie sehr auch die
einzelnen Stücke aus dem besetzten Ausland von der ruhigen Fortentwicklung der
Dinge ein erfreuliches Bild geben, so wichtig ist doch auch die Sicherung und
der Bestand des Wirtschaftslebens im Innern. Darum hat sich die „Deutsche
Bücherei" mit bestem Erfolg um den Erwerb der Bekanntmachungen der Armee¬
korps, der Festungskommandanten, der Magistrate, der Wirtschaftsgesellschaften,
der Neligionsgemeinden, der Organisationen der Liebestätigkeit usw. bemüht.
Denn erst durch diese Originalurkunden wird das Bild, das mit dem Mobil¬
machungsbefehl des Kaisers, den französischen Proklamationen, den Bekannt¬
machungen des Generalgouverneurs für Belgien, den russischen Anordnungen
in Altenstein, der Ernennung eines Kaiserlich deutschen Polizeipräsidenten
von Lodz usw. umrissen wird, im einzelnen lebhaft abschattiert und ab¬
gerundet. Es sind manche Stücke dabei, die durch Form, Sprache und
Inhalt vou Interesse und von Bedeutung sind. Für die französische Bevölkerung
sind die Bekanntmachungen der deutschen Militärbehörde französisch oder deuisch
und französisch abgefaßt. Das Französisch ist oft — milde gesagt — von
Germanismen nicht ganz frei. Für die vlämische Bevölkerung werden die
Kundgebungen deutsch, vlämisch und französisch erlassen. Der Setzer ist wohl
oft ein braver Vlamländer gewesen, der die deutsche Sprache mit leisem
vlämischen Akzent setzt. Das Fehlen von Anlanden im Setzkasten veranlaßt die
Kommandantur über die „unerhoerte Kriegssuehrung der Englaender" zu wettern.
Wenn alle Druckeinrichtungen fehlen, dann wird ein spähn in einen Farbtopf
getaucht und recht grell rotschwarz angedroht: im Fall, daß man geschossen
hat, wird man erschossen usw. Den Vlamländern wird anheimgegeben, in
allen Eingaben an die deutsche Verwaltung sich der deutschen Sprache oder des
Vlämischen zu bedienen. Ja, wir Barbaren verlangen von den Einwohnern
des besetzten Landes sogar die Befolgung der von der belgischen Regierung
erlassenen Bestimmung, daß die Singvögel und Insektenfresser geschützt werden
sollen, daß dagegen schädliche Raubvögel und ihre Brut vernichtet werden
dürfen.

Leckerbissen für Liebhaber literarischer Seltenheiten bietet nun schon die
Sammlung der Feldzeitungen. Zwar ist im Osten die Anzahl noch nicht
besonders groß: erst nach und nach sind die deutschen Soldaten dort jenseits
der Grenze so weit eingerichtet, daß sie an die Herausgabe von Zeitungen gehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/40>, abgerufen am 29.06.2024.