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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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D Weltkrieg und die Preise von Roste und Lisen in den europäischen Staaten

Der Kohlenmangel in Rußland verursachte nach Meldungen des Njetsch vom
13. April 1915, daß viele Industrien aufhören mußten, so besonders die
Tanganroger Metallurgische Fabrik. Beträchtlicher noch wie bei der Kohle war
die Steigerung der Preise beim Eisen und Metall. Dabei machte sich der
Mangel an Eisen überall bemerkbar. In manchen Gegenden hat das Eisen¬
syndikat Prodamjota den Verkauf des Eisens an Privathändler gänzlich ein¬
gestellt. Da die Nachfrage nach Eisen stets größer als das Angebot ist, steigen
die Preise unaufhörlich.

Wie in Frankreich, so wird auch in Nußland die Produktion von Kohle
und Eisen durch die Besetzung russischer Gebiete von den deutschen Truppen
wesentlich beeinflußt. Bis zu Anfang März 1915 waren allein schon in diesem
Besetzungsgebiete 25 Prozent der russischen Kohlenförderung im deutschen Besitz.
Nach Mitteilungen des Njetsch vom 13. April 1915 ist die Arbeiterzahl im
Kohlenbergbau Rußlands von 170000 auf 120000 zurückgegangen. Der
Bericht betont, daß sich der Arbeitermangel aus den niedrigen Arbeitslöhnen
und den schlechten Wohnungsverhältnissen erkläre. Obwohl der Kostenpreis sich
fast verdoppelte, beträgt die Lohnzulage der Arbeiterschaft nur 5 Prozent. Hin¬
sichtlich der Eisenindustrie ist noch zu bemerken, daß durch die Sperrung der
Dardanellen seitens des osmanischen Reiches die ausländische Gußeisenzufuhr,
die etwa 6 Prozent der russischen Erzeugung beträgt, gänzlich ausfiel. Einen
weiteren bedeutsamen Faktor bei dem Hochgang der Preise bildete die Leistungs¬
unfähigkeit der russischen Eisenbahnen, welche selbst gegenüber den Bedürfnissen
der Heeresverwaltung versagt. So befanden sich beispielsweise am 28. März 1915
unter den Gütern. e die Eisenbahn zur Beförderung nicht annehmen konnte,
allein 5111000 Pud (83 717 Tonnen) Kohlen, die für das Kriegs- und
Marineministerium bestimmt waren. Schließlich darf man auch hier bei der
.Preissteigerung das russische Generalübel -- die Spekulation -- nicht vergessen.

Seit Ausbruch des Weltkrieges leidet Italien unter einem ständigen Kohlen¬
mangel, der sich dabei immer mehr und mehr steigert. So wurde zu Anfang
August 1915 aus Lugano berichtet, daß die sehr hohen Kohlenpreise seit Juni 1915
wiederum um 80 Prozent gestiegen sind. Nach einer Meldung der Patria in
Mailand von Mitte Juli 1915 wurden wegen anhaltendem Kohlenmangel die
Mailänder Fabrikbetriebe einen weiteren Wochentag stillgelegt. Ähnliche Berichte
liegen aus anderen industriellen Zentren Italiens vor. Ursache der steigenden
Kohlenpreise in Italien, die wiederum eine Steigerung der Eisen- und Metall¬
preise bedingen, ist der Hochgang der Preise in England, auf welches Italien
in der Kohlenfrage in der Hauptsache angewiesen ist. Die italienischen Kohlen¬
importeure mußten Ende Juli 1915 noch 8 Schilling über den in England
geltenden Preis pro Tonne Kohlen bezahlen. Zu diesem hohen Preise kommt
dann noch die hohe Fracht. So war beispielsweise die Frachtrate von Cardiff
nach Genua für die Tonne von 1000 Kilogramm von 7 Schilling am
31. Juli 1914 auf 33 Schilling zu Anfang Mai 1915 gestiegen.


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D Weltkrieg und die Preise von Roste und Lisen in den europäischen Staaten

Der Kohlenmangel in Rußland verursachte nach Meldungen des Njetsch vom
13. April 1915, daß viele Industrien aufhören mußten, so besonders die
Tanganroger Metallurgische Fabrik. Beträchtlicher noch wie bei der Kohle war
die Steigerung der Preise beim Eisen und Metall. Dabei machte sich der
Mangel an Eisen überall bemerkbar. In manchen Gegenden hat das Eisen¬
syndikat Prodamjota den Verkauf des Eisens an Privathändler gänzlich ein¬
gestellt. Da die Nachfrage nach Eisen stets größer als das Angebot ist, steigen
die Preise unaufhörlich.

Wie in Frankreich, so wird auch in Nußland die Produktion von Kohle
und Eisen durch die Besetzung russischer Gebiete von den deutschen Truppen
wesentlich beeinflußt. Bis zu Anfang März 1915 waren allein schon in diesem
Besetzungsgebiete 25 Prozent der russischen Kohlenförderung im deutschen Besitz.
Nach Mitteilungen des Njetsch vom 13. April 1915 ist die Arbeiterzahl im
Kohlenbergbau Rußlands von 170000 auf 120000 zurückgegangen. Der
Bericht betont, daß sich der Arbeitermangel aus den niedrigen Arbeitslöhnen
und den schlechten Wohnungsverhältnissen erkläre. Obwohl der Kostenpreis sich
fast verdoppelte, beträgt die Lohnzulage der Arbeiterschaft nur 5 Prozent. Hin¬
sichtlich der Eisenindustrie ist noch zu bemerken, daß durch die Sperrung der
Dardanellen seitens des osmanischen Reiches die ausländische Gußeisenzufuhr,
die etwa 6 Prozent der russischen Erzeugung beträgt, gänzlich ausfiel. Einen
weiteren bedeutsamen Faktor bei dem Hochgang der Preise bildete die Leistungs¬
unfähigkeit der russischen Eisenbahnen, welche selbst gegenüber den Bedürfnissen
der Heeresverwaltung versagt. So befanden sich beispielsweise am 28. März 1915
unter den Gütern. e die Eisenbahn zur Beförderung nicht annehmen konnte,
allein 5111000 Pud (83 717 Tonnen) Kohlen, die für das Kriegs- und
Marineministerium bestimmt waren. Schließlich darf man auch hier bei der
.Preissteigerung das russische Generalübel — die Spekulation — nicht vergessen.

Seit Ausbruch des Weltkrieges leidet Italien unter einem ständigen Kohlen¬
mangel, der sich dabei immer mehr und mehr steigert. So wurde zu Anfang
August 1915 aus Lugano berichtet, daß die sehr hohen Kohlenpreise seit Juni 1915
wiederum um 80 Prozent gestiegen sind. Nach einer Meldung der Patria in
Mailand von Mitte Juli 1915 wurden wegen anhaltendem Kohlenmangel die
Mailänder Fabrikbetriebe einen weiteren Wochentag stillgelegt. Ähnliche Berichte
liegen aus anderen industriellen Zentren Italiens vor. Ursache der steigenden
Kohlenpreise in Italien, die wiederum eine Steigerung der Eisen- und Metall¬
preise bedingen, ist der Hochgang der Preise in England, auf welches Italien
in der Kohlenfrage in der Hauptsache angewiesen ist. Die italienischen Kohlen¬
importeure mußten Ende Juli 1915 noch 8 Schilling über den in England
geltenden Preis pro Tonne Kohlen bezahlen. Zu diesem hohen Preise kommt
dann noch die hohe Fracht. So war beispielsweise die Frachtrate von Cardiff
nach Genua für die Tonne von 1000 Kilogramm von 7 Schilling am
31. Juli 1914 auf 33 Schilling zu Anfang Mai 1915 gestiegen.


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[0385] D Weltkrieg und die Preise von Roste und Lisen in den europäischen Staaten Der Kohlenmangel in Rußland verursachte nach Meldungen des Njetsch vom 13. April 1915, daß viele Industrien aufhören mußten, so besonders die Tanganroger Metallurgische Fabrik. Beträchtlicher noch wie bei der Kohle war die Steigerung der Preise beim Eisen und Metall. Dabei machte sich der Mangel an Eisen überall bemerkbar. In manchen Gegenden hat das Eisen¬ syndikat Prodamjota den Verkauf des Eisens an Privathändler gänzlich ein¬ gestellt. Da die Nachfrage nach Eisen stets größer als das Angebot ist, steigen die Preise unaufhörlich. Wie in Frankreich, so wird auch in Nußland die Produktion von Kohle und Eisen durch die Besetzung russischer Gebiete von den deutschen Truppen wesentlich beeinflußt. Bis zu Anfang März 1915 waren allein schon in diesem Besetzungsgebiete 25 Prozent der russischen Kohlenförderung im deutschen Besitz. Nach Mitteilungen des Njetsch vom 13. April 1915 ist die Arbeiterzahl im Kohlenbergbau Rußlands von 170000 auf 120000 zurückgegangen. Der Bericht betont, daß sich der Arbeitermangel aus den niedrigen Arbeitslöhnen und den schlechten Wohnungsverhältnissen erkläre. Obwohl der Kostenpreis sich fast verdoppelte, beträgt die Lohnzulage der Arbeiterschaft nur 5 Prozent. Hin¬ sichtlich der Eisenindustrie ist noch zu bemerken, daß durch die Sperrung der Dardanellen seitens des osmanischen Reiches die ausländische Gußeisenzufuhr, die etwa 6 Prozent der russischen Erzeugung beträgt, gänzlich ausfiel. Einen weiteren bedeutsamen Faktor bei dem Hochgang der Preise bildete die Leistungs¬ unfähigkeit der russischen Eisenbahnen, welche selbst gegenüber den Bedürfnissen der Heeresverwaltung versagt. So befanden sich beispielsweise am 28. März 1915 unter den Gütern. e die Eisenbahn zur Beförderung nicht annehmen konnte, allein 5111000 Pud (83 717 Tonnen) Kohlen, die für das Kriegs- und Marineministerium bestimmt waren. Schließlich darf man auch hier bei der .Preissteigerung das russische Generalübel — die Spekulation — nicht vergessen. Seit Ausbruch des Weltkrieges leidet Italien unter einem ständigen Kohlen¬ mangel, der sich dabei immer mehr und mehr steigert. So wurde zu Anfang August 1915 aus Lugano berichtet, daß die sehr hohen Kohlenpreise seit Juni 1915 wiederum um 80 Prozent gestiegen sind. Nach einer Meldung der Patria in Mailand von Mitte Juli 1915 wurden wegen anhaltendem Kohlenmangel die Mailänder Fabrikbetriebe einen weiteren Wochentag stillgelegt. Ähnliche Berichte liegen aus anderen industriellen Zentren Italiens vor. Ursache der steigenden Kohlenpreise in Italien, die wiederum eine Steigerung der Eisen- und Metall¬ preise bedingen, ist der Hochgang der Preise in England, auf welches Italien in der Kohlenfrage in der Hauptsache angewiesen ist. Die italienischen Kohlen¬ importeure mußten Ende Juli 1915 noch 8 Schilling über den in England geltenden Preis pro Tonne Kohlen bezahlen. Zu diesem hohen Preise kommt dann noch die hohe Fracht. So war beispielsweise die Frachtrate von Cardiff nach Genua für die Tonne von 1000 Kilogramm von 7 Schilling am 31. Juli 1914 auf 33 Schilling zu Anfang Mai 1915 gestiegen. 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/385>, abgerufen am 29.06.2024.