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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die Preise von Kohle und Lisen in den europäischen Staaten

Augen springend. So ließ beispielsweise der Londoner Zinnmarkt infolge von
Gerüchten über einen Eingeborenenaufstand in Singapore eine bemerkenswerte
steigende Preisrichtung erkennen. Die Notierung per Kasse stieg von 178 am
18. Februar auf 184 am 19. Februar 1915.

Schlechter noch als in England liegen die Verhältnisse in Frankreich. Nach
Pariser Mitteilungen von Anfang Mai 1915 ist der Preis für die Hanshaltungs¬
kohle um 50 Prozent gestiegen. In anderen Städten, wie beispielsweise in
Bordeaux, war der Preisgang aber ein noch beträchtlich stärkerer. Nach den
vorliegenden Berichten stiegen in Frankreich die offiziellen Metallpreise pro Satz
toto Havre in der kurzen Zeit vom 29. Juni bis 14. Juli 1915 für Kupfer
von 265 auf 266,75 Franken, für Zinn Banca von 472 auf 488 Franken,
für settlements von 460 auf 508 Franken, für Blei von 77 auf 96.50 Franken,
für Zink von 255 auf 275 Franken und für Zink extra rein von 305 auf
360 Franken. Die Kohlennot in Frankreich wird durch die Maßnahmen und
Vorschläge der französischen Behörden illustriert. Nach Mitteilungen der Times
vom Ende Juli 1915 hat man in Paris einen Ausschuß gebildet, der für die
Kohlenversorgung von Paris entsprechende Schritte unternehmen soll. Schon
Mitte April 1915 hat die französische Regierung im Journal Officiel ein Dekret
veröffentlicht, wonach die Kohleneinfuhr von allen Eingangszöllen und Transport¬
steuern befreit wird.

Die entscheidenden Umstände für die ganz gewaltige Preissteigerung von
Kohle, Eisen und Metall in Frankreich sind verschiedenartig. So besitzt Deutsch¬
land zurzeit gerade diejenigen Teile Frankreichs, die für dessen wirtschaftliches
Leben ausschlaggebend sind. Von der französischen Kohlenförderung sind
6,8 Prozent, von der Kokserzeugung 78,3 Prozent, von der Eisenerzgewinnung
90 Prozent, von der Noheisenerzeugang 85 Prozent und von der Stahlerzeugung
76 Prozent im deutschen Besitze. Von Beig'en, dessen Kohlenförderung und
Eisenindustrie völlig unter deutscher Kontrolle stehen, ist Frankreich die Zufuhr
abgeschnitten. Nicht unbedeutend in Betracht kommt ferner die bisherige Ausfuhr
Deutschlands. Noch im Jahre 1913 bezog Frankreich aus Deutschland allein
schon für rund 120 Millionen Mark Brennstoffe. Von ausschlaggebender
Wirkung auf die französischen Kohlenpreise sind aber ohne alle Frage die dies¬
bezüglichen Preise Englands, zu welchen dann noch die stetig eigenden Fracht¬
sätze kommen. So stiegen beispielsweise in der Zeit vom 1. Juli 1914 bis
zum 1. Juli 1915 die Frachtraten für eine Tonne Kohlen von Tyne nach
Rouen von 4 Schilling 6 Perun auf 16 Schilling und von Cardiff nach
Bordeaux von 5 Schilling 3 Perun auf 16 Schilling 6 Penny.

Ähnlich wie in Frankreich liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in Rußland.
So stiegen beispielsweise laut Berichten von Birshewija Wjedomosti seit Kriegs¬
ausbruch bis Juli 1915 die Preise für Steinkohlen in Petersburg um 66 Prozent.
Nach verschiedenen Stockholmer Mitteilungen wurden aber schon bis Anfang
Juni 1915 Preissteigerungen der Kohlen von 80 bis 100 Prozent gemeldet.


Der Weltkrieg und die Preise von Kohle und Lisen in den europäischen Staaten

Augen springend. So ließ beispielsweise der Londoner Zinnmarkt infolge von
Gerüchten über einen Eingeborenenaufstand in Singapore eine bemerkenswerte
steigende Preisrichtung erkennen. Die Notierung per Kasse stieg von 178 am
18. Februar auf 184 am 19. Februar 1915.

Schlechter noch als in England liegen die Verhältnisse in Frankreich. Nach
Pariser Mitteilungen von Anfang Mai 1915 ist der Preis für die Hanshaltungs¬
kohle um 50 Prozent gestiegen. In anderen Städten, wie beispielsweise in
Bordeaux, war der Preisgang aber ein noch beträchtlich stärkerer. Nach den
vorliegenden Berichten stiegen in Frankreich die offiziellen Metallpreise pro Satz
toto Havre in der kurzen Zeit vom 29. Juni bis 14. Juli 1915 für Kupfer
von 265 auf 266,75 Franken, für Zinn Banca von 472 auf 488 Franken,
für settlements von 460 auf 508 Franken, für Blei von 77 auf 96.50 Franken,
für Zink von 255 auf 275 Franken und für Zink extra rein von 305 auf
360 Franken. Die Kohlennot in Frankreich wird durch die Maßnahmen und
Vorschläge der französischen Behörden illustriert. Nach Mitteilungen der Times
vom Ende Juli 1915 hat man in Paris einen Ausschuß gebildet, der für die
Kohlenversorgung von Paris entsprechende Schritte unternehmen soll. Schon
Mitte April 1915 hat die französische Regierung im Journal Officiel ein Dekret
veröffentlicht, wonach die Kohleneinfuhr von allen Eingangszöllen und Transport¬
steuern befreit wird.

Die entscheidenden Umstände für die ganz gewaltige Preissteigerung von
Kohle, Eisen und Metall in Frankreich sind verschiedenartig. So besitzt Deutsch¬
land zurzeit gerade diejenigen Teile Frankreichs, die für dessen wirtschaftliches
Leben ausschlaggebend sind. Von der französischen Kohlenförderung sind
6,8 Prozent, von der Kokserzeugung 78,3 Prozent, von der Eisenerzgewinnung
90 Prozent, von der Noheisenerzeugang 85 Prozent und von der Stahlerzeugung
76 Prozent im deutschen Besitze. Von Beig'en, dessen Kohlenförderung und
Eisenindustrie völlig unter deutscher Kontrolle stehen, ist Frankreich die Zufuhr
abgeschnitten. Nicht unbedeutend in Betracht kommt ferner die bisherige Ausfuhr
Deutschlands. Noch im Jahre 1913 bezog Frankreich aus Deutschland allein
schon für rund 120 Millionen Mark Brennstoffe. Von ausschlaggebender
Wirkung auf die französischen Kohlenpreise sind aber ohne alle Frage die dies¬
bezüglichen Preise Englands, zu welchen dann noch die stetig eigenden Fracht¬
sätze kommen. So stiegen beispielsweise in der Zeit vom 1. Juli 1914 bis
zum 1. Juli 1915 die Frachtraten für eine Tonne Kohlen von Tyne nach
Rouen von 4 Schilling 6 Perun auf 16 Schilling und von Cardiff nach
Bordeaux von 5 Schilling 3 Perun auf 16 Schilling 6 Penny.

Ähnlich wie in Frankreich liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in Rußland.
So stiegen beispielsweise laut Berichten von Birshewija Wjedomosti seit Kriegs¬
ausbruch bis Juli 1915 die Preise für Steinkohlen in Petersburg um 66 Prozent.
Nach verschiedenen Stockholmer Mitteilungen wurden aber schon bis Anfang
Juni 1915 Preissteigerungen der Kohlen von 80 bis 100 Prozent gemeldet.


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[0384] Der Weltkrieg und die Preise von Kohle und Lisen in den europäischen Staaten Augen springend. So ließ beispielsweise der Londoner Zinnmarkt infolge von Gerüchten über einen Eingeborenenaufstand in Singapore eine bemerkenswerte steigende Preisrichtung erkennen. Die Notierung per Kasse stieg von 178 am 18. Februar auf 184 am 19. Februar 1915. Schlechter noch als in England liegen die Verhältnisse in Frankreich. Nach Pariser Mitteilungen von Anfang Mai 1915 ist der Preis für die Hanshaltungs¬ kohle um 50 Prozent gestiegen. In anderen Städten, wie beispielsweise in Bordeaux, war der Preisgang aber ein noch beträchtlich stärkerer. Nach den vorliegenden Berichten stiegen in Frankreich die offiziellen Metallpreise pro Satz toto Havre in der kurzen Zeit vom 29. Juni bis 14. Juli 1915 für Kupfer von 265 auf 266,75 Franken, für Zinn Banca von 472 auf 488 Franken, für settlements von 460 auf 508 Franken, für Blei von 77 auf 96.50 Franken, für Zink von 255 auf 275 Franken und für Zink extra rein von 305 auf 360 Franken. Die Kohlennot in Frankreich wird durch die Maßnahmen und Vorschläge der französischen Behörden illustriert. Nach Mitteilungen der Times vom Ende Juli 1915 hat man in Paris einen Ausschuß gebildet, der für die Kohlenversorgung von Paris entsprechende Schritte unternehmen soll. Schon Mitte April 1915 hat die französische Regierung im Journal Officiel ein Dekret veröffentlicht, wonach die Kohleneinfuhr von allen Eingangszöllen und Transport¬ steuern befreit wird. Die entscheidenden Umstände für die ganz gewaltige Preissteigerung von Kohle, Eisen und Metall in Frankreich sind verschiedenartig. So besitzt Deutsch¬ land zurzeit gerade diejenigen Teile Frankreichs, die für dessen wirtschaftliches Leben ausschlaggebend sind. Von der französischen Kohlenförderung sind 6,8 Prozent, von der Kokserzeugung 78,3 Prozent, von der Eisenerzgewinnung 90 Prozent, von der Noheisenerzeugang 85 Prozent und von der Stahlerzeugung 76 Prozent im deutschen Besitze. Von Beig'en, dessen Kohlenförderung und Eisenindustrie völlig unter deutscher Kontrolle stehen, ist Frankreich die Zufuhr abgeschnitten. Nicht unbedeutend in Betracht kommt ferner die bisherige Ausfuhr Deutschlands. Noch im Jahre 1913 bezog Frankreich aus Deutschland allein schon für rund 120 Millionen Mark Brennstoffe. Von ausschlaggebender Wirkung auf die französischen Kohlenpreise sind aber ohne alle Frage die dies¬ bezüglichen Preise Englands, zu welchen dann noch die stetig eigenden Fracht¬ sätze kommen. So stiegen beispielsweise in der Zeit vom 1. Juli 1914 bis zum 1. Juli 1915 die Frachtraten für eine Tonne Kohlen von Tyne nach Rouen von 4 Schilling 6 Perun auf 16 Schilling und von Cardiff nach Bordeaux von 5 Schilling 3 Perun auf 16 Schilling 6 Penny. Ähnlich wie in Frankreich liegen die diesbezüglichen Verhältnisse in Rußland. So stiegen beispielsweise laut Berichten von Birshewija Wjedomosti seit Kriegs¬ ausbruch bis Juli 1915 die Preise für Steinkohlen in Petersburg um 66 Prozent. Nach verschiedenen Stockholmer Mitteilungen wurden aber schon bis Anfang Juni 1915 Preissteigerungen der Kohlen von 80 bis 100 Prozent gemeldet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/384>, abgerufen am 26.06.2024.