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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Freimaurer und der Weltkrieg

Tendenzen, wie von den politisch nationalistischen Wühlereien und Machtbestrebungen
des letzteren zu befreien. Sie war auch nicht grundsätzlich deutschfeindlich. Viele
ihrer Mitglieder bemühten sich sogar, Hand in Hand mit deutschen Freimaurern
eine Versöhnung zwischen den beiderseitigen Logen und Völkern anzubahnen.
Besonders bei elsässtschen und süddeutschen Logen fanden diese Bestrebungen
Anklang und Stütze. Da konnten sich, schon zufolge der Verfassung des
deutschen Großlogenbundes. auch die drei altpreußischen Großlogen nicht mehr
dagegen sträuben, den französischen Annäherungsversuchen entgegenzukommen.
Anders zu handeln hätte sich mit ihren nationalen Pflichten nicht in Einklang
bringen lassen. Im Jahre 1908 ließ sich die Möglichkeit nicht abweisen, daß
erträgliche Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland geschaffen würden,
wenn sich die französischen Freimaurer als Vermittler bereit erklärten. Der
Einfluß der Freimaurerei ist in Frankreich sowohl auf das Volk wie auch
auf die amtlichen Stellen außerordentlich groß. Diese Möglichkeit durfte eine
kernnationale Gesellschaft, wie es die deutschen Großlogen sind, nicht leicht¬
herzig von der Hand weisen. Die schroffe Zurückweisung der Annäherungs¬
versuche hätte auch diesen Teil der französischen Freimaurer sofort in das Fahr¬
wasser des nationalistischen Groß-Orients getrieben. Die Rücksicht auf ihre
nationale Pflicht hat also auch die drei altpreußischen Großlogen genötigt, so
zu handeln, wie sie, wenn auch widerwillig oder schweren Herzens, gehandelt
haben. Zu intimen Beziehungen, die man den altpreußischen Großlogen vor¬
wirft, haben auch die "Verbrüderungsfeste" in Berlin und Paris nicht geführt.

Ganz anders liegen die Verhältnisse bei der italienischen und der deutschen
Freimaurerei. Bis zum Jahre 1873 bestanden überhaupt keinerlei Beziehungen
zwischen beiden. Die politische Entwicklung Italiens hatte aber eine Stellung
dieses Landes zu Deutschland herbeigeführt, die im Dreibunde ihren äußeren
Ausdruck fand. Crispi, der Freund Bismarcks, war maßgebend auch in der
italienischen Freimaurerei. Selbst den ärgsten Schreiern war es nicht gelungen,
ihn aus der Loge zu entfernen. Es war also auch hier nationale Pflicht der
deutschen Freimaurer, die dargebotene Hand zum Frieden und zur offiziellen
Freundschaft nicht abzuweisen; denn dadurch hätte man die in ihrem Lande
allmächtige Freimaurerei von vornherein zu deutschfeindlicher Stellung gezwungen.
Auch hier war also -- ganz abgesehen von freimaurerischen Erwägungen --
das Verhalten der verantwortlichen deutschen Freimaurerbehörden richtig, weil
durch die Umstünde erzwungen. Wenn nun die deutsche Freimaurerei während
des Kriegsjahres nicht schon früher das dem Wesen und den Zielen der
Freimaurerei widersprechende Gebaren der italienischen Logen zum offiziellen
Abbrüche des Verkehres benutzte, so entsprach das wiederum nur der nationalen
Haltung des deutschen Großlogenbundes. Er mußte, solange das Bündnis
Italiens mit Deutschland, der Dreibund, noch nicht wirklich gelöst war, Rücksicht
auf den Bundesgenossen -- und das war doch Italien so lange noch immer --
unseres Vaterlandes nehmen; er mußte Rücksicht nehmen auf das Volk, das


Die Freimaurer und der Weltkrieg

Tendenzen, wie von den politisch nationalistischen Wühlereien und Machtbestrebungen
des letzteren zu befreien. Sie war auch nicht grundsätzlich deutschfeindlich. Viele
ihrer Mitglieder bemühten sich sogar, Hand in Hand mit deutschen Freimaurern
eine Versöhnung zwischen den beiderseitigen Logen und Völkern anzubahnen.
Besonders bei elsässtschen und süddeutschen Logen fanden diese Bestrebungen
Anklang und Stütze. Da konnten sich, schon zufolge der Verfassung des
deutschen Großlogenbundes. auch die drei altpreußischen Großlogen nicht mehr
dagegen sträuben, den französischen Annäherungsversuchen entgegenzukommen.
Anders zu handeln hätte sich mit ihren nationalen Pflichten nicht in Einklang
bringen lassen. Im Jahre 1908 ließ sich die Möglichkeit nicht abweisen, daß
erträgliche Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland geschaffen würden,
wenn sich die französischen Freimaurer als Vermittler bereit erklärten. Der
Einfluß der Freimaurerei ist in Frankreich sowohl auf das Volk wie auch
auf die amtlichen Stellen außerordentlich groß. Diese Möglichkeit durfte eine
kernnationale Gesellschaft, wie es die deutschen Großlogen sind, nicht leicht¬
herzig von der Hand weisen. Die schroffe Zurückweisung der Annäherungs¬
versuche hätte auch diesen Teil der französischen Freimaurer sofort in das Fahr¬
wasser des nationalistischen Groß-Orients getrieben. Die Rücksicht auf ihre
nationale Pflicht hat also auch die drei altpreußischen Großlogen genötigt, so
zu handeln, wie sie, wenn auch widerwillig oder schweren Herzens, gehandelt
haben. Zu intimen Beziehungen, die man den altpreußischen Großlogen vor¬
wirft, haben auch die „Verbrüderungsfeste" in Berlin und Paris nicht geführt.

Ganz anders liegen die Verhältnisse bei der italienischen und der deutschen
Freimaurerei. Bis zum Jahre 1873 bestanden überhaupt keinerlei Beziehungen
zwischen beiden. Die politische Entwicklung Italiens hatte aber eine Stellung
dieses Landes zu Deutschland herbeigeführt, die im Dreibunde ihren äußeren
Ausdruck fand. Crispi, der Freund Bismarcks, war maßgebend auch in der
italienischen Freimaurerei. Selbst den ärgsten Schreiern war es nicht gelungen,
ihn aus der Loge zu entfernen. Es war also auch hier nationale Pflicht der
deutschen Freimaurer, die dargebotene Hand zum Frieden und zur offiziellen
Freundschaft nicht abzuweisen; denn dadurch hätte man die in ihrem Lande
allmächtige Freimaurerei von vornherein zu deutschfeindlicher Stellung gezwungen.
Auch hier war also — ganz abgesehen von freimaurerischen Erwägungen —
das Verhalten der verantwortlichen deutschen Freimaurerbehörden richtig, weil
durch die Umstünde erzwungen. Wenn nun die deutsche Freimaurerei während
des Kriegsjahres nicht schon früher das dem Wesen und den Zielen der
Freimaurerei widersprechende Gebaren der italienischen Logen zum offiziellen
Abbrüche des Verkehres benutzte, so entsprach das wiederum nur der nationalen
Haltung des deutschen Großlogenbundes. Er mußte, solange das Bündnis
Italiens mit Deutschland, der Dreibund, noch nicht wirklich gelöst war, Rücksicht
auf den Bundesgenossen — und das war doch Italien so lange noch immer —
unseres Vaterlandes nehmen; er mußte Rücksicht nehmen auf das Volk, das


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[0380] Die Freimaurer und der Weltkrieg Tendenzen, wie von den politisch nationalistischen Wühlereien und Machtbestrebungen des letzteren zu befreien. Sie war auch nicht grundsätzlich deutschfeindlich. Viele ihrer Mitglieder bemühten sich sogar, Hand in Hand mit deutschen Freimaurern eine Versöhnung zwischen den beiderseitigen Logen und Völkern anzubahnen. Besonders bei elsässtschen und süddeutschen Logen fanden diese Bestrebungen Anklang und Stütze. Da konnten sich, schon zufolge der Verfassung des deutschen Großlogenbundes. auch die drei altpreußischen Großlogen nicht mehr dagegen sträuben, den französischen Annäherungsversuchen entgegenzukommen. Anders zu handeln hätte sich mit ihren nationalen Pflichten nicht in Einklang bringen lassen. Im Jahre 1908 ließ sich die Möglichkeit nicht abweisen, daß erträgliche Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland geschaffen würden, wenn sich die französischen Freimaurer als Vermittler bereit erklärten. Der Einfluß der Freimaurerei ist in Frankreich sowohl auf das Volk wie auch auf die amtlichen Stellen außerordentlich groß. Diese Möglichkeit durfte eine kernnationale Gesellschaft, wie es die deutschen Großlogen sind, nicht leicht¬ herzig von der Hand weisen. Die schroffe Zurückweisung der Annäherungs¬ versuche hätte auch diesen Teil der französischen Freimaurer sofort in das Fahr¬ wasser des nationalistischen Groß-Orients getrieben. Die Rücksicht auf ihre nationale Pflicht hat also auch die drei altpreußischen Großlogen genötigt, so zu handeln, wie sie, wenn auch widerwillig oder schweren Herzens, gehandelt haben. Zu intimen Beziehungen, die man den altpreußischen Großlogen vor¬ wirft, haben auch die „Verbrüderungsfeste" in Berlin und Paris nicht geführt. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei der italienischen und der deutschen Freimaurerei. Bis zum Jahre 1873 bestanden überhaupt keinerlei Beziehungen zwischen beiden. Die politische Entwicklung Italiens hatte aber eine Stellung dieses Landes zu Deutschland herbeigeführt, die im Dreibunde ihren äußeren Ausdruck fand. Crispi, der Freund Bismarcks, war maßgebend auch in der italienischen Freimaurerei. Selbst den ärgsten Schreiern war es nicht gelungen, ihn aus der Loge zu entfernen. Es war also auch hier nationale Pflicht der deutschen Freimaurer, die dargebotene Hand zum Frieden und zur offiziellen Freundschaft nicht abzuweisen; denn dadurch hätte man die in ihrem Lande allmächtige Freimaurerei von vornherein zu deutschfeindlicher Stellung gezwungen. Auch hier war also — ganz abgesehen von freimaurerischen Erwägungen — das Verhalten der verantwortlichen deutschen Freimaurerbehörden richtig, weil durch die Umstünde erzwungen. Wenn nun die deutsche Freimaurerei während des Kriegsjahres nicht schon früher das dem Wesen und den Zielen der Freimaurerei widersprechende Gebaren der italienischen Logen zum offiziellen Abbrüche des Verkehres benutzte, so entsprach das wiederum nur der nationalen Haltung des deutschen Großlogenbundes. Er mußte, solange das Bündnis Italiens mit Deutschland, der Dreibund, noch nicht wirklich gelöst war, Rücksicht auf den Bundesgenossen — und das war doch Italien so lange noch immer — unseres Vaterlandes nehmen; er mußte Rücksicht nehmen auf das Volk, das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/380>, abgerufen am 26.06.2024.