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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Vie Freimaurer und der Weltkrieg

Großlogen von Ungarn und von Deutschland den Italienern die Freundschaft.
Die erstere begründete ihr Vorgehen mit der Anklage, daß die italienischen
Freimaurer ihre verantwortliche Regierung gezwungen hätten zur "Nieder-
reißung des Glaubens an die Heiligkeit des gegebenen Wortes und des Ver¬
trages". Über das Verhalten des deutschen Großlogenbundes aber wird es
nötig sein, noch einige weitere Ausführungen zu machen; denn deutsche Frei¬
maurer und andere deutsche Männer haben oft die Frage aufgeworfen, warum
er so lange zögerte, das erlösende Wort des Abbruches der freundschaftlichen
Beziehungen auszusprechen.

Es bedarf keines Nachweises mehr dafür, daß die germanische Freimaurerei,
hier vertreten durch die deutsche Logenwelt, kaum noch etwas anderes als den
Namen und einige belanglose Formeln des Rituals mit der romanischen, hier
der französischen und italienischen, gemeinsam hat. Wer daran noch zweifelt,
mag es sich vom Großorient von Italien versichern lassen, der es, wie wir
oben sahen, in der denkbar bestimmtesten Form öffentlich erklärt hat. Hier
der Kultus der Humanitätsidee im Geiste Herders und Fichtes, der dem
unvermeidlichen Kampfe um das Dasein unter den einzelnen Menschen wie
unter den Völkern die möglichst engsten Grenzen ziehen will. Dort der
politisch revolutionäre und religionsseindliche Klub, der nichts anderes
bezweckt, als das, dem politischen Ehrgeize und der Selbstsucht einzelner
Streber die Mitmenschen dienstbar zu machen. Schärfere Gegensätze sind
nicht möglich.

Warum sagte das der deutsche Großlogenbund der Welt nicht schon zu
früherer Stunde offen? Warum bestand zwischen solchen Gegensätzen immer
noch Gemeinschaft, und sei es auch nur der Schein einer Gemeinschaft? Das
mußte die Menschen irre machen und sie verleiten, die ganze Freimaurerei in
einen Topf zu werfen. Die katholische Kirche tut das ja geflissentlich. So
machen denn auch gewisse deutsche Kreise besonders den drei altpreußischen Gro߬
logen in Berlin das "Verbrüderungsfest der französischen und deutscheu
Brüder", das vom 10. bis 12. Mai 1908 in Berlin gefeiert wurde, zum
Vorwurfe und riefen es ihnen gerade in der gegenwärtigen Zeit höhnisch in
die Erinnerung.

Ein "offizieller Verkehr" hatte seit der Frechheit der französischen Freimaurer
im Jahre 1870 zwischen deutschen und französischen Logen nicht mehr bestanden.
Wenn trotzdem zu allen Zeiten deutsche wie französische Freimaurer gelegentlich
die anderen Logen besuchten, ändert das an dem tatsächlichen Bestände der gegen¬
seitigen Beziehungen nichts. Solche Privatbesuche sind, zumal in den Grenzbezirken,
oft unvermeidlich, schaden der Sache nichts und sind sogar nach mancher Richtung
nützlich. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sich nun in Frankreich
eine Spaltung zwischen der inzwischen neu gegründeten "Oranäe I^oZs ac
^r-mes" und dem alten ..Orancl-Orient ac ^l-an?e" herausgebildet. Die
erstere war auf dem besten Wege sich sowohl von den religionsfeindlichen


Vie Freimaurer und der Weltkrieg

Großlogen von Ungarn und von Deutschland den Italienern die Freundschaft.
Die erstere begründete ihr Vorgehen mit der Anklage, daß die italienischen
Freimaurer ihre verantwortliche Regierung gezwungen hätten zur „Nieder-
reißung des Glaubens an die Heiligkeit des gegebenen Wortes und des Ver¬
trages". Über das Verhalten des deutschen Großlogenbundes aber wird es
nötig sein, noch einige weitere Ausführungen zu machen; denn deutsche Frei¬
maurer und andere deutsche Männer haben oft die Frage aufgeworfen, warum
er so lange zögerte, das erlösende Wort des Abbruches der freundschaftlichen
Beziehungen auszusprechen.

Es bedarf keines Nachweises mehr dafür, daß die germanische Freimaurerei,
hier vertreten durch die deutsche Logenwelt, kaum noch etwas anderes als den
Namen und einige belanglose Formeln des Rituals mit der romanischen, hier
der französischen und italienischen, gemeinsam hat. Wer daran noch zweifelt,
mag es sich vom Großorient von Italien versichern lassen, der es, wie wir
oben sahen, in der denkbar bestimmtesten Form öffentlich erklärt hat. Hier
der Kultus der Humanitätsidee im Geiste Herders und Fichtes, der dem
unvermeidlichen Kampfe um das Dasein unter den einzelnen Menschen wie
unter den Völkern die möglichst engsten Grenzen ziehen will. Dort der
politisch revolutionäre und religionsseindliche Klub, der nichts anderes
bezweckt, als das, dem politischen Ehrgeize und der Selbstsucht einzelner
Streber die Mitmenschen dienstbar zu machen. Schärfere Gegensätze sind
nicht möglich.

Warum sagte das der deutsche Großlogenbund der Welt nicht schon zu
früherer Stunde offen? Warum bestand zwischen solchen Gegensätzen immer
noch Gemeinschaft, und sei es auch nur der Schein einer Gemeinschaft? Das
mußte die Menschen irre machen und sie verleiten, die ganze Freimaurerei in
einen Topf zu werfen. Die katholische Kirche tut das ja geflissentlich. So
machen denn auch gewisse deutsche Kreise besonders den drei altpreußischen Gro߬
logen in Berlin das „Verbrüderungsfest der französischen und deutscheu
Brüder", das vom 10. bis 12. Mai 1908 in Berlin gefeiert wurde, zum
Vorwurfe und riefen es ihnen gerade in der gegenwärtigen Zeit höhnisch in
die Erinnerung.

Ein „offizieller Verkehr" hatte seit der Frechheit der französischen Freimaurer
im Jahre 1870 zwischen deutschen und französischen Logen nicht mehr bestanden.
Wenn trotzdem zu allen Zeiten deutsche wie französische Freimaurer gelegentlich
die anderen Logen besuchten, ändert das an dem tatsächlichen Bestände der gegen¬
seitigen Beziehungen nichts. Solche Privatbesuche sind, zumal in den Grenzbezirken,
oft unvermeidlich, schaden der Sache nichts und sind sogar nach mancher Richtung
nützlich. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sich nun in Frankreich
eine Spaltung zwischen der inzwischen neu gegründeten „Oranäe I^oZs ac
^r-mes" und dem alten ..Orancl-Orient ac ^l-an?e" herausgebildet. Die
erstere war auf dem besten Wege sich sowohl von den religionsfeindlichen


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[0379] Vie Freimaurer und der Weltkrieg Großlogen von Ungarn und von Deutschland den Italienern die Freundschaft. Die erstere begründete ihr Vorgehen mit der Anklage, daß die italienischen Freimaurer ihre verantwortliche Regierung gezwungen hätten zur „Nieder- reißung des Glaubens an die Heiligkeit des gegebenen Wortes und des Ver¬ trages". Über das Verhalten des deutschen Großlogenbundes aber wird es nötig sein, noch einige weitere Ausführungen zu machen; denn deutsche Frei¬ maurer und andere deutsche Männer haben oft die Frage aufgeworfen, warum er so lange zögerte, das erlösende Wort des Abbruches der freundschaftlichen Beziehungen auszusprechen. Es bedarf keines Nachweises mehr dafür, daß die germanische Freimaurerei, hier vertreten durch die deutsche Logenwelt, kaum noch etwas anderes als den Namen und einige belanglose Formeln des Rituals mit der romanischen, hier der französischen und italienischen, gemeinsam hat. Wer daran noch zweifelt, mag es sich vom Großorient von Italien versichern lassen, der es, wie wir oben sahen, in der denkbar bestimmtesten Form öffentlich erklärt hat. Hier der Kultus der Humanitätsidee im Geiste Herders und Fichtes, der dem unvermeidlichen Kampfe um das Dasein unter den einzelnen Menschen wie unter den Völkern die möglichst engsten Grenzen ziehen will. Dort der politisch revolutionäre und religionsseindliche Klub, der nichts anderes bezweckt, als das, dem politischen Ehrgeize und der Selbstsucht einzelner Streber die Mitmenschen dienstbar zu machen. Schärfere Gegensätze sind nicht möglich. Warum sagte das der deutsche Großlogenbund der Welt nicht schon zu früherer Stunde offen? Warum bestand zwischen solchen Gegensätzen immer noch Gemeinschaft, und sei es auch nur der Schein einer Gemeinschaft? Das mußte die Menschen irre machen und sie verleiten, die ganze Freimaurerei in einen Topf zu werfen. Die katholische Kirche tut das ja geflissentlich. So machen denn auch gewisse deutsche Kreise besonders den drei altpreußischen Gro߬ logen in Berlin das „Verbrüderungsfest der französischen und deutscheu Brüder", das vom 10. bis 12. Mai 1908 in Berlin gefeiert wurde, zum Vorwurfe und riefen es ihnen gerade in der gegenwärtigen Zeit höhnisch in die Erinnerung. Ein „offizieller Verkehr" hatte seit der Frechheit der französischen Freimaurer im Jahre 1870 zwischen deutschen und französischen Logen nicht mehr bestanden. Wenn trotzdem zu allen Zeiten deutsche wie französische Freimaurer gelegentlich die anderen Logen besuchten, ändert das an dem tatsächlichen Bestände der gegen¬ seitigen Beziehungen nichts. Solche Privatbesuche sind, zumal in den Grenzbezirken, oft unvermeidlich, schaden der Sache nichts und sind sogar nach mancher Richtung nützlich. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sich nun in Frankreich eine Spaltung zwischen der inzwischen neu gegründeten „Oranäe I^oZs ac ^r-mes" und dem alten ..Orancl-Orient ac ^l-an?e" herausgebildet. Die erstere war auf dem besten Wege sich sowohl von den religionsfeindlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/379>, abgerufen am 28.09.2024.