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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Freimaurer und der Weltkrieg

sein Bewenden. In Portugal aber hatte man zuviel mit den eigenen An¬
gelegenheiten zu tun.

Dagegen fand in der französischen Schweiz der französische Groß-Orient wieder
Gegenliebe. Der Herausgeber des "Zentralorganes des Schweizer Logen¬
bundes", ein früherer Großmeister der Schweizer Freimauerei, gab den Gedanken
und Sympathien dieser schweizer romanischen Freimauer für Frankreich in dem
genannten Zentralorgan den denkbar dreistesten Ausdruck in einem Artikel an
der Spitze des Blattes, der den Titel führte: "I^a k^rare-N-lconrierie et
ig, Zuerro!" Darin macht der Verfasser sich die bekannten französisch-englischen
Behauptungen zu eigen und führt aus, Deutschland habe sich durch die Herauf¬
beschwörung des Krieges "disqualifiziert" (/et!iren0N3 8An8 ciStour que
l'^llerimZnö s'est äisqualikiöe par procöäös); es führe den Krieg mit
einer Grausamkeit, die es den Wilden würdig mache. Der "neutrale" Gro߬
meister wärmt dann wieder den angeblichen deutschen "Neutralitätsbruch gegen
Belgien" auf und politisiert weiter über die Wahrscheinlichkeit, daß Deutschland
mich die Neutralität der Schweiz verletzen würde, sobald das nur in seine
Berechnungen paßt. Deutschland suche der Welt klarzumachen, seine Kultur sei
bedroht gewesen, und deshalb hätte es Krieg führen müssen. Seine Soldaten
aber lasse es Hausen wie Wilde, die sich skandalöse Akte wider die menschliche
Kultur zuschulden kommen ließen. In derselben Nummer dieses "Zentral¬
organes" trägt noch ein anderer schweizer Freimaurer feine Weisheit über den
"Militarismus" zu Markte. Er meint, man erkenne im Weltkriege "nicht den
Triumph des Militarismus, sondern dessen verzweifeltes, wahnsinniges Los¬
stürzen, um sich Luft zu machen, weil er an der eigenen Überfülle zu ersticken
drohte. Sein stolzes >8i vis paeizm, para bellum' hat er eindrücklicher
zuschanden gemacht, als alle Vernunftgründe, die wir ins Feld zu führen uns
bemühten. Nicht um den Frieden zu sichern wurde gerüstet und gerüstet, sondern
um die Übermacht dem Recht, der Gerechtigkeit und der Vernunft gegenüber¬
zustellen. Sie sagten, daß ihre Macht zum Schutze der höchsten menschlichen
Güter, der Kultur und der friedlichen Arbeit, notwendig sei, aber im kritischen
Augenblick wurde die Maske weggeworfen und offen bekannt: "Macht und
Gewalt geht vor Recht und Gewissen!" Sogar die jüngste Jahresversammlung
der schweizer Großloge während des Krieges mißbrauchten die "welschen" Frei¬
maurer der "neutralen" Schweiz zu deutschfeindlichen Kundgebungen. Sie ver¬
suchten ihre deutschen Brüder einfach zu überrumpeln, um "einen Akt des
Protestes und der Sympathie gegenüber Belgien" in romanischem Stile in
Szene zu setzen. Der deutsche Großlogenbund hat wegen der dabei vollführten
Beleidigungen und Beschuldigungen gegen die Deutschen protestiert, verzichtete
aber, "auf die aus mangelhafter Kenntnis der Tatsachen entsprungenen Ausführungen
einzugehen", weil den deutschen Logen politische Erörterungen verboten sind.

Nach langer Zeit der Geduld und der Hoffnung, daß sie sich noch be¬
sinnen und ablassen würden von ihrem unmaurerischen Treiben, kündigten die


Die Freimaurer und der Weltkrieg

sein Bewenden. In Portugal aber hatte man zuviel mit den eigenen An¬
gelegenheiten zu tun.

Dagegen fand in der französischen Schweiz der französische Groß-Orient wieder
Gegenliebe. Der Herausgeber des „Zentralorganes des Schweizer Logen¬
bundes", ein früherer Großmeister der Schweizer Freimauerei, gab den Gedanken
und Sympathien dieser schweizer romanischen Freimauer für Frankreich in dem
genannten Zentralorgan den denkbar dreistesten Ausdruck in einem Artikel an
der Spitze des Blattes, der den Titel führte: „I^a k^rare-N-lconrierie et
ig, Zuerro!" Darin macht der Verfasser sich die bekannten französisch-englischen
Behauptungen zu eigen und führt aus, Deutschland habe sich durch die Herauf¬
beschwörung des Krieges „disqualifiziert" (/et!iren0N3 8An8 ciStour que
l'^llerimZnö s'est äisqualikiöe par procöäös); es führe den Krieg mit
einer Grausamkeit, die es den Wilden würdig mache. Der „neutrale" Gro߬
meister wärmt dann wieder den angeblichen deutschen „Neutralitätsbruch gegen
Belgien" auf und politisiert weiter über die Wahrscheinlichkeit, daß Deutschland
mich die Neutralität der Schweiz verletzen würde, sobald das nur in seine
Berechnungen paßt. Deutschland suche der Welt klarzumachen, seine Kultur sei
bedroht gewesen, und deshalb hätte es Krieg führen müssen. Seine Soldaten
aber lasse es Hausen wie Wilde, die sich skandalöse Akte wider die menschliche
Kultur zuschulden kommen ließen. In derselben Nummer dieses „Zentral¬
organes" trägt noch ein anderer schweizer Freimaurer feine Weisheit über den
„Militarismus" zu Markte. Er meint, man erkenne im Weltkriege „nicht den
Triumph des Militarismus, sondern dessen verzweifeltes, wahnsinniges Los¬
stürzen, um sich Luft zu machen, weil er an der eigenen Überfülle zu ersticken
drohte. Sein stolzes >8i vis paeizm, para bellum' hat er eindrücklicher
zuschanden gemacht, als alle Vernunftgründe, die wir ins Feld zu führen uns
bemühten. Nicht um den Frieden zu sichern wurde gerüstet und gerüstet, sondern
um die Übermacht dem Recht, der Gerechtigkeit und der Vernunft gegenüber¬
zustellen. Sie sagten, daß ihre Macht zum Schutze der höchsten menschlichen
Güter, der Kultur und der friedlichen Arbeit, notwendig sei, aber im kritischen
Augenblick wurde die Maske weggeworfen und offen bekannt: „Macht und
Gewalt geht vor Recht und Gewissen!" Sogar die jüngste Jahresversammlung
der schweizer Großloge während des Krieges mißbrauchten die „welschen" Frei¬
maurer der „neutralen" Schweiz zu deutschfeindlichen Kundgebungen. Sie ver¬
suchten ihre deutschen Brüder einfach zu überrumpeln, um „einen Akt des
Protestes und der Sympathie gegenüber Belgien" in romanischem Stile in
Szene zu setzen. Der deutsche Großlogenbund hat wegen der dabei vollführten
Beleidigungen und Beschuldigungen gegen die Deutschen protestiert, verzichtete
aber, „auf die aus mangelhafter Kenntnis der Tatsachen entsprungenen Ausführungen
einzugehen", weil den deutschen Logen politische Erörterungen verboten sind.

Nach langer Zeit der Geduld und der Hoffnung, daß sie sich noch be¬
sinnen und ablassen würden von ihrem unmaurerischen Treiben, kündigten die


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[0378] Die Freimaurer und der Weltkrieg sein Bewenden. In Portugal aber hatte man zuviel mit den eigenen An¬ gelegenheiten zu tun. Dagegen fand in der französischen Schweiz der französische Groß-Orient wieder Gegenliebe. Der Herausgeber des „Zentralorganes des Schweizer Logen¬ bundes", ein früherer Großmeister der Schweizer Freimauerei, gab den Gedanken und Sympathien dieser schweizer romanischen Freimauer für Frankreich in dem genannten Zentralorgan den denkbar dreistesten Ausdruck in einem Artikel an der Spitze des Blattes, der den Titel führte: „I^a k^rare-N-lconrierie et ig, Zuerro!" Darin macht der Verfasser sich die bekannten französisch-englischen Behauptungen zu eigen und führt aus, Deutschland habe sich durch die Herauf¬ beschwörung des Krieges „disqualifiziert" (/et!iren0N3 8An8 ciStour que l'^llerimZnö s'est äisqualikiöe par procöäös); es führe den Krieg mit einer Grausamkeit, die es den Wilden würdig mache. Der „neutrale" Gro߬ meister wärmt dann wieder den angeblichen deutschen „Neutralitätsbruch gegen Belgien" auf und politisiert weiter über die Wahrscheinlichkeit, daß Deutschland mich die Neutralität der Schweiz verletzen würde, sobald das nur in seine Berechnungen paßt. Deutschland suche der Welt klarzumachen, seine Kultur sei bedroht gewesen, und deshalb hätte es Krieg führen müssen. Seine Soldaten aber lasse es Hausen wie Wilde, die sich skandalöse Akte wider die menschliche Kultur zuschulden kommen ließen. In derselben Nummer dieses „Zentral¬ organes" trägt noch ein anderer schweizer Freimaurer feine Weisheit über den „Militarismus" zu Markte. Er meint, man erkenne im Weltkriege „nicht den Triumph des Militarismus, sondern dessen verzweifeltes, wahnsinniges Los¬ stürzen, um sich Luft zu machen, weil er an der eigenen Überfülle zu ersticken drohte. Sein stolzes >8i vis paeizm, para bellum' hat er eindrücklicher zuschanden gemacht, als alle Vernunftgründe, die wir ins Feld zu führen uns bemühten. Nicht um den Frieden zu sichern wurde gerüstet und gerüstet, sondern um die Übermacht dem Recht, der Gerechtigkeit und der Vernunft gegenüber¬ zustellen. Sie sagten, daß ihre Macht zum Schutze der höchsten menschlichen Güter, der Kultur und der friedlichen Arbeit, notwendig sei, aber im kritischen Augenblick wurde die Maske weggeworfen und offen bekannt: „Macht und Gewalt geht vor Recht und Gewissen!" Sogar die jüngste Jahresversammlung der schweizer Großloge während des Krieges mißbrauchten die „welschen" Frei¬ maurer der „neutralen" Schweiz zu deutschfeindlichen Kundgebungen. Sie ver¬ suchten ihre deutschen Brüder einfach zu überrumpeln, um „einen Akt des Protestes und der Sympathie gegenüber Belgien" in romanischem Stile in Szene zu setzen. Der deutsche Großlogenbund hat wegen der dabei vollführten Beleidigungen und Beschuldigungen gegen die Deutschen protestiert, verzichtete aber, „auf die aus mangelhafter Kenntnis der Tatsachen entsprungenen Ausführungen einzugehen", weil den deutschen Logen politische Erörterungen verboten sind. Nach langer Zeit der Geduld und der Hoffnung, daß sie sich noch be¬ sinnen und ablassen würden von ihrem unmaurerischen Treiben, kündigten die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/378>, abgerufen am 03.07.2024.