Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Freimaurer und der Weltkrieg

Krieg gegen Deutschland im Namen der Menschheit. Wir wollen den Krieg
gegen Österreich im Namen des italienischen Rechts. Wir wollen den Krieg
im Namen unseres maurerischen Glaubens. Krieg bis zur Vernichtung des
deutschen Militarismus. Krieg ohne Gnade dem Teutonismus, Krieg ohne
Erbarmen. Die deutsche Freimaurerei gehört nicht mehr dem Weltverbande
der Freimaurerei an. Sie Hat sich außerhalb des Gesetzes gestellt durch ihre
Verletzung der Ordensgrundsätze und durch ihre Unterwerfung unter den
preußischen Militarismus. Der Humanitarismus der deutschen Frei¬
maurerei hat Bankerott gemacht, wie der Internationalismus des deutschen
Marxismus."

Und nun begann eine Wühlarbeit in aller Offenheit, die mit englischem und
französischem Gelde bezahlt wurde. Die Bemühungen des deutschen Großlogen-
bundes, die italienischen Brüder von ihrem unmaurerischen Treiben abzubringen,
wurden schroff abgewiesen; nur die Franzosen hatten hier noch Einfluß. An
der politische" Demonstration der italienischen Republikaner in Quarto nahmen
die Freimaurerlogen korporativ teil und trugen, der Sitte des Landes gemäß,
gegen zweihundert Fahnen in: Zuge. Hier ließen sich die italienischen Brüder
betören und berauschen durch die Phrasen des mit englischem Golde bestochenen
Poseurs Nappazi, der sich als "Verkündiger des größeren Italien" und als
schwülstiger Dichter Gabriele d'Anunzio nenut, der sich für den "Tyrtäus des
vierten italienischen Befreiungskrieges" ausgibt, und sich dafür bereits auf Abschlag
von den französischen Freimaurern die Schulden, und von der Stadtverwaltung
in Genua 2000 Lire für einen sechstägigen Aufenthalt im Gasthofe bezahlen ließ.
Man feierte in Quarto den alten Abenteurer Garibaldi als "Freiheitshelden" des
italienischen Volkes, das in Garibaldi nur deshalb seinen Nationalhelden sieht, weil
es in ihm seine eigenen Schwächen, seinen Hang zur Zuchtlosigkeit. zur Anarchie, zur
Irreligiosität, seine Vorliebe für die Phrase und Pose, ins Gigantische gesteigert,
wiedererkennt. Auch die Freimaurer Italiens feierten nur den revolutionären
Charlatan, an dessen Rockschöße sich einst Viktor Emanuel ebenso anklammerte,
wie sich sein Enkel zum willenlosen Werkzeuge der Revolutionäre mit dem
Freimaurerschurze gemacht hat.

Der italienischen Freimaurer war also der Groß-Orient von Frankreich
sicher. Es war deshalb nur noch sein Bestreben, sofort nach Beginn des
Krieges sich auch den Einfluß auf die Logen der anderen romanischen Länder
SU sichern. Die Großloge von Spanien erließ denn auch wirklich ein Rund¬
schreiben, in dem sie den Wunsch aussprach, daß Spanien an die Seite Frank¬
reichs und Englands treten möchte. Insbesondere sollte sich jeder spanische
Freimaurer bemühen, die öffentliche Meinung gegen Deutschland und Osterreich
aufzuregen. Zu diesem Zwecke solle er alle Nachrichten verbreiten, die in den
von Logen oder deren Mitgliedern abhängigen Zeitungen erscheinen. Ve¬
rglich Frankreichs sollte er stets dessen große Rolle als "führende Kultnr¬
wacht" betonen. Mit dieser Sympathiekundgebung hatte es in Spanien


Die Freimaurer und der Weltkrieg

Krieg gegen Deutschland im Namen der Menschheit. Wir wollen den Krieg
gegen Österreich im Namen des italienischen Rechts. Wir wollen den Krieg
im Namen unseres maurerischen Glaubens. Krieg bis zur Vernichtung des
deutschen Militarismus. Krieg ohne Gnade dem Teutonismus, Krieg ohne
Erbarmen. Die deutsche Freimaurerei gehört nicht mehr dem Weltverbande
der Freimaurerei an. Sie Hat sich außerhalb des Gesetzes gestellt durch ihre
Verletzung der Ordensgrundsätze und durch ihre Unterwerfung unter den
preußischen Militarismus. Der Humanitarismus der deutschen Frei¬
maurerei hat Bankerott gemacht, wie der Internationalismus des deutschen
Marxismus."

Und nun begann eine Wühlarbeit in aller Offenheit, die mit englischem und
französischem Gelde bezahlt wurde. Die Bemühungen des deutschen Großlogen-
bundes, die italienischen Brüder von ihrem unmaurerischen Treiben abzubringen,
wurden schroff abgewiesen; nur die Franzosen hatten hier noch Einfluß. An
der politische« Demonstration der italienischen Republikaner in Quarto nahmen
die Freimaurerlogen korporativ teil und trugen, der Sitte des Landes gemäß,
gegen zweihundert Fahnen in: Zuge. Hier ließen sich die italienischen Brüder
betören und berauschen durch die Phrasen des mit englischem Golde bestochenen
Poseurs Nappazi, der sich als „Verkündiger des größeren Italien" und als
schwülstiger Dichter Gabriele d'Anunzio nenut, der sich für den „Tyrtäus des
vierten italienischen Befreiungskrieges" ausgibt, und sich dafür bereits auf Abschlag
von den französischen Freimaurern die Schulden, und von der Stadtverwaltung
in Genua 2000 Lire für einen sechstägigen Aufenthalt im Gasthofe bezahlen ließ.
Man feierte in Quarto den alten Abenteurer Garibaldi als „Freiheitshelden" des
italienischen Volkes, das in Garibaldi nur deshalb seinen Nationalhelden sieht, weil
es in ihm seine eigenen Schwächen, seinen Hang zur Zuchtlosigkeit. zur Anarchie, zur
Irreligiosität, seine Vorliebe für die Phrase und Pose, ins Gigantische gesteigert,
wiedererkennt. Auch die Freimaurer Italiens feierten nur den revolutionären
Charlatan, an dessen Rockschöße sich einst Viktor Emanuel ebenso anklammerte,
wie sich sein Enkel zum willenlosen Werkzeuge der Revolutionäre mit dem
Freimaurerschurze gemacht hat.

Der italienischen Freimaurer war also der Groß-Orient von Frankreich
sicher. Es war deshalb nur noch sein Bestreben, sofort nach Beginn des
Krieges sich auch den Einfluß auf die Logen der anderen romanischen Länder
SU sichern. Die Großloge von Spanien erließ denn auch wirklich ein Rund¬
schreiben, in dem sie den Wunsch aussprach, daß Spanien an die Seite Frank¬
reichs und Englands treten möchte. Insbesondere sollte sich jeder spanische
Freimaurer bemühen, die öffentliche Meinung gegen Deutschland und Osterreich
aufzuregen. Zu diesem Zwecke solle er alle Nachrichten verbreiten, die in den
von Logen oder deren Mitgliedern abhängigen Zeitungen erscheinen. Ve¬
rglich Frankreichs sollte er stets dessen große Rolle als „führende Kultnr¬
wacht" betonen. Mit dieser Sympathiekundgebung hatte es in Spanien


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324350"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Freimaurer und der Weltkrieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1137" prev="#ID_1136"> Krieg gegen Deutschland im Namen der Menschheit. Wir wollen den Krieg<lb/>
gegen Österreich im Namen des italienischen Rechts. Wir wollen den Krieg<lb/>
im Namen unseres maurerischen Glaubens. Krieg bis zur Vernichtung des<lb/>
deutschen Militarismus. Krieg ohne Gnade dem Teutonismus, Krieg ohne<lb/>
Erbarmen. Die deutsche Freimaurerei gehört nicht mehr dem Weltverbande<lb/>
der Freimaurerei an. Sie Hat sich außerhalb des Gesetzes gestellt durch ihre<lb/>
Verletzung der Ordensgrundsätze und durch ihre Unterwerfung unter den<lb/>
preußischen Militarismus. Der Humanitarismus der deutschen Frei¬<lb/>
maurerei hat Bankerott gemacht, wie der Internationalismus des deutschen<lb/>
Marxismus."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1138"> Und nun begann eine Wühlarbeit in aller Offenheit, die mit englischem und<lb/>
französischem Gelde bezahlt wurde. Die Bemühungen des deutschen Großlogen-<lb/>
bundes, die italienischen Brüder von ihrem unmaurerischen Treiben abzubringen,<lb/>
wurden schroff abgewiesen; nur die Franzosen hatten hier noch Einfluß. An<lb/>
der politische« Demonstration der italienischen Republikaner in Quarto nahmen<lb/>
die Freimaurerlogen korporativ teil und trugen, der Sitte des Landes gemäß,<lb/>
gegen zweihundert Fahnen in: Zuge.  Hier ließen sich die italienischen Brüder<lb/>
betören und berauschen durch die Phrasen des mit englischem Golde bestochenen<lb/>
Poseurs Nappazi, der sich als &#x201E;Verkündiger des größeren Italien" und als<lb/>
schwülstiger Dichter Gabriele d'Anunzio nenut, der sich für den &#x201E;Tyrtäus des<lb/>
vierten italienischen Befreiungskrieges" ausgibt, und sich dafür bereits auf Abschlag<lb/>
von den französischen Freimaurern die Schulden, und von der Stadtverwaltung<lb/>
in Genua 2000 Lire für einen sechstägigen Aufenthalt im Gasthofe bezahlen ließ.<lb/>
Man feierte in Quarto den alten Abenteurer Garibaldi als &#x201E;Freiheitshelden" des<lb/>
italienischen Volkes, das in Garibaldi nur deshalb seinen Nationalhelden sieht, weil<lb/>
es in ihm seine eigenen Schwächen, seinen Hang zur Zuchtlosigkeit. zur Anarchie, zur<lb/>
Irreligiosität, seine Vorliebe für die Phrase und Pose, ins Gigantische gesteigert,<lb/>
wiedererkennt. Auch die Freimaurer Italiens feierten nur den revolutionären<lb/>
Charlatan, an dessen Rockschöße sich einst Viktor Emanuel ebenso anklammerte,<lb/>
wie sich sein Enkel zum willenlosen Werkzeuge der Revolutionäre mit dem<lb/>
Freimaurerschurze gemacht hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1139" next="#ID_1140"> Der italienischen Freimaurer war also der Groß-Orient von Frankreich<lb/>
sicher. Es war deshalb nur noch sein Bestreben, sofort nach Beginn des<lb/>
Krieges sich auch den Einfluß auf die Logen der anderen romanischen Länder<lb/>
SU sichern. Die Großloge von Spanien erließ denn auch wirklich ein Rund¬<lb/>
schreiben, in dem sie den Wunsch aussprach, daß Spanien an die Seite Frank¬<lb/>
reichs und Englands treten möchte. Insbesondere sollte sich jeder spanische<lb/>
Freimaurer bemühen, die öffentliche Meinung gegen Deutschland und Osterreich<lb/>
aufzuregen. Zu diesem Zwecke solle er alle Nachrichten verbreiten, die in den<lb/>
von Logen oder deren Mitgliedern abhängigen Zeitungen erscheinen. Ve¬<lb/>
rglich Frankreichs sollte er stets dessen große Rolle als &#x201E;führende Kultnr¬<lb/>
wacht" betonen.  Mit dieser Sympathiekundgebung hatte es in Spanien</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] Die Freimaurer und der Weltkrieg Krieg gegen Deutschland im Namen der Menschheit. Wir wollen den Krieg gegen Österreich im Namen des italienischen Rechts. Wir wollen den Krieg im Namen unseres maurerischen Glaubens. Krieg bis zur Vernichtung des deutschen Militarismus. Krieg ohne Gnade dem Teutonismus, Krieg ohne Erbarmen. Die deutsche Freimaurerei gehört nicht mehr dem Weltverbande der Freimaurerei an. Sie Hat sich außerhalb des Gesetzes gestellt durch ihre Verletzung der Ordensgrundsätze und durch ihre Unterwerfung unter den preußischen Militarismus. Der Humanitarismus der deutschen Frei¬ maurerei hat Bankerott gemacht, wie der Internationalismus des deutschen Marxismus." Und nun begann eine Wühlarbeit in aller Offenheit, die mit englischem und französischem Gelde bezahlt wurde. Die Bemühungen des deutschen Großlogen- bundes, die italienischen Brüder von ihrem unmaurerischen Treiben abzubringen, wurden schroff abgewiesen; nur die Franzosen hatten hier noch Einfluß. An der politische« Demonstration der italienischen Republikaner in Quarto nahmen die Freimaurerlogen korporativ teil und trugen, der Sitte des Landes gemäß, gegen zweihundert Fahnen in: Zuge. Hier ließen sich die italienischen Brüder betören und berauschen durch die Phrasen des mit englischem Golde bestochenen Poseurs Nappazi, der sich als „Verkündiger des größeren Italien" und als schwülstiger Dichter Gabriele d'Anunzio nenut, der sich für den „Tyrtäus des vierten italienischen Befreiungskrieges" ausgibt, und sich dafür bereits auf Abschlag von den französischen Freimaurern die Schulden, und von der Stadtverwaltung in Genua 2000 Lire für einen sechstägigen Aufenthalt im Gasthofe bezahlen ließ. Man feierte in Quarto den alten Abenteurer Garibaldi als „Freiheitshelden" des italienischen Volkes, das in Garibaldi nur deshalb seinen Nationalhelden sieht, weil es in ihm seine eigenen Schwächen, seinen Hang zur Zuchtlosigkeit. zur Anarchie, zur Irreligiosität, seine Vorliebe für die Phrase und Pose, ins Gigantische gesteigert, wiedererkennt. Auch die Freimaurer Italiens feierten nur den revolutionären Charlatan, an dessen Rockschöße sich einst Viktor Emanuel ebenso anklammerte, wie sich sein Enkel zum willenlosen Werkzeuge der Revolutionäre mit dem Freimaurerschurze gemacht hat. Der italienischen Freimaurer war also der Groß-Orient von Frankreich sicher. Es war deshalb nur noch sein Bestreben, sofort nach Beginn des Krieges sich auch den Einfluß auf die Logen der anderen romanischen Länder SU sichern. Die Großloge von Spanien erließ denn auch wirklich ein Rund¬ schreiben, in dem sie den Wunsch aussprach, daß Spanien an die Seite Frank¬ reichs und Englands treten möchte. Insbesondere sollte sich jeder spanische Freimaurer bemühen, die öffentliche Meinung gegen Deutschland und Osterreich aufzuregen. Zu diesem Zwecke solle er alle Nachrichten verbreiten, die in den von Logen oder deren Mitgliedern abhängigen Zeitungen erscheinen. Ve¬ rglich Frankreichs sollte er stets dessen große Rolle als „führende Kultnr¬ wacht" betonen. Mit dieser Sympathiekundgebung hatte es in Spanien

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/377>, abgerufen am 01.07.2024.