Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.![]() Die Ostfront des Weltkrieges Hauptmann Ernst Liljedahl, Mitglied des schwedischen Reichstages von Die nachfolgende Darstellung des osteuro¬ päischen Problems dürfte unseren Leserkreis besonders interessieren, weil sie die Auffassung eines "Neu¬ Die Schriftleitung tralen" widerspiegelt. Rinerlei, wer "angefangen hat", die Tatsache, daß die russische In einem Vortrage, den der österreichische Regierungsrat Professor Carl Sieht man von den antinationalen Übergriffen ab, von welchen wohl keine ![]() Die Ostfront des Weltkrieges Hauptmann Ernst Liljedahl, Mitglied des schwedischen Reichstages von Die nachfolgende Darstellung des osteuro¬ päischen Problems dürfte unseren Leserkreis besonders interessieren, weil sie die Auffassung eines „Neu¬ Die Schriftleitung tralen" widerspiegelt. Rinerlei, wer „angefangen hat", die Tatsache, daß die russische In einem Vortrage, den der österreichische Regierungsrat Professor Carl Sieht man von den antinationalen Übergriffen ab, von welchen wohl keine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324221"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_323972/figures/grenzboten_341901_323972_324221_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Ostfront des Weltkrieges<lb/><note type="byline"> Hauptmann Ernst Liljedahl, Mitglied des schwedischen Reichstages</note> von</head><lb/> <note type="argument"> Die nachfolgende Darstellung des osteuro¬<lb/> päischen Problems dürfte unseren Leserkreis besonders<lb/> interessieren, weil sie die Auffassung eines „Neu¬<lb/><note type="byline"> Die Schriftleitung</note> tralen" widerspiegelt. </note><lb/> <p xml:id="ID_741"> Rinerlei, wer „angefangen hat", die Tatsache, daß die russische<lb/> Eroberungspolitik die Hauptursache des Weltkrieges ist, dürfte sich<lb/> l nicht bestreiten lassen. Der Minister des Auswärtigen Sasonoff<lb/> ^hat vor der russischen Duma offiziell zugegeben, daß der Zweck<lb/> des Krieges ein Fortsetzen der russischen Mittelmecrpolitik sei.<lb/> Der russische Oberbefehlshaber Großfürst Nikolai Nikolajewitsch hat in seinem<lb/> bekannten Aufruf an das polnische Volk erklärt, daß der Krieg gegen Deutsch¬<lb/> land und Österreich außerdem noch die Eroberung der mit diesen Reichen ver¬<lb/> einigten Teile des ehemaligen Königreiches Polen bezwecke, also den Deutschen<lb/> Reiche Posen, Westpreußen und Ostpreußen bis zur Weichsel und seinen Ver¬<lb/> bündeten Galizien entrissen werden solle. Rußlands Kriegszweck ist daher völlig<lb/> klar. Seine alles verschlingende Liebe zu seinen Nachbarn ist der „Idealismus"<lb/> seiner Politik. Das Zarenreich will neue Länder haben, um sie durch Mi߬<lb/> wirtschaft zu ruinieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_742"> In einem Vortrage, den der österreichische Regierungsrat Professor Carl<lb/> Brockhausen am 23. Januar 1915 in Wien gehalten hat — und über welchen<lb/> die Zeitschrift Polen ausführlich berichtet —, ist die Lage unter österreichischem<lb/> Gesichtspunkte durch einige beleuchtende Sätze klargelegt. Es wurde gezeigt,<lb/> wie jeder, der sich mit der Politik Rußlands in den letzten Jahren gründlich<lb/> beschäftigt hat, erkennen kann, daß die Kriegspolitik des Zarenreiches im Süd'<lb/> wehten Österreichs Zerfallen. Aufteilung in seine Atome, das Ende des Habs¬<lb/> burgerreiches und — hinsichtlich der Kriegsaufgabe gegen Deutschland — das<lb/> Zermalmen Mitteleuropas ist. Daher ist, nach Brockhausen, „Selbstverteidigung<lb/> und Kampf um die Existenz" das Feldgeschrei der Zentralmächte.</p><lb/> <p xml:id="ID_743" next="#ID_744"> Sieht man von den antinationalen Übergriffen ab, von welchen wohl keine<lb/> Großmacht chemisch rein ist, so ist Osterreich, im großen gesehen, in älteren<lb/> Zeiten ein kräftiger Kulturschutz gegen Hunnen, Tataren und Türken gewesen,<lb/> und heute steht es als Grenzwacht gegen das halbasiatische Rußland da. Das<lb/> Zarenreich hat seine Mission darin gesehen, die slawischen Völker, welche zur<lb/> österreichischen Monarchie gehören, zu „befreien" und durch Verwirklichung des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
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Die Ostfront des Weltkrieges
Hauptmann Ernst Liljedahl, Mitglied des schwedischen Reichstages von
Die nachfolgende Darstellung des osteuro¬
päischen Problems dürfte unseren Leserkreis besonders
interessieren, weil sie die Auffassung eines „Neu¬
Die Schriftleitung tralen" widerspiegelt.
Rinerlei, wer „angefangen hat", die Tatsache, daß die russische
Eroberungspolitik die Hauptursache des Weltkrieges ist, dürfte sich
l nicht bestreiten lassen. Der Minister des Auswärtigen Sasonoff
^hat vor der russischen Duma offiziell zugegeben, daß der Zweck
des Krieges ein Fortsetzen der russischen Mittelmecrpolitik sei.
Der russische Oberbefehlshaber Großfürst Nikolai Nikolajewitsch hat in seinem
bekannten Aufruf an das polnische Volk erklärt, daß der Krieg gegen Deutsch¬
land und Österreich außerdem noch die Eroberung der mit diesen Reichen ver¬
einigten Teile des ehemaligen Königreiches Polen bezwecke, also den Deutschen
Reiche Posen, Westpreußen und Ostpreußen bis zur Weichsel und seinen Ver¬
bündeten Galizien entrissen werden solle. Rußlands Kriegszweck ist daher völlig
klar. Seine alles verschlingende Liebe zu seinen Nachbarn ist der „Idealismus"
seiner Politik. Das Zarenreich will neue Länder haben, um sie durch Mi߬
wirtschaft zu ruinieren.
In einem Vortrage, den der österreichische Regierungsrat Professor Carl
Brockhausen am 23. Januar 1915 in Wien gehalten hat — und über welchen
die Zeitschrift Polen ausführlich berichtet —, ist die Lage unter österreichischem
Gesichtspunkte durch einige beleuchtende Sätze klargelegt. Es wurde gezeigt,
wie jeder, der sich mit der Politik Rußlands in den letzten Jahren gründlich
beschäftigt hat, erkennen kann, daß die Kriegspolitik des Zarenreiches im Süd'
wehten Österreichs Zerfallen. Aufteilung in seine Atome, das Ende des Habs¬
burgerreiches und — hinsichtlich der Kriegsaufgabe gegen Deutschland — das
Zermalmen Mitteleuropas ist. Daher ist, nach Brockhausen, „Selbstverteidigung
und Kampf um die Existenz" das Feldgeschrei der Zentralmächte.
Sieht man von den antinationalen Übergriffen ab, von welchen wohl keine
Großmacht chemisch rein ist, so ist Osterreich, im großen gesehen, in älteren
Zeiten ein kräftiger Kulturschutz gegen Hunnen, Tataren und Türken gewesen,
und heute steht es als Grenzwacht gegen das halbasiatische Rußland da. Das
Zarenreich hat seine Mission darin gesehen, die slawischen Völker, welche zur
österreichischen Monarchie gehören, zu „befreien" und durch Verwirklichung des
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