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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Ostfront des Weltkrieges

panslawistischen Gedankens einen Rassenkrieg zwischen Germanen und Slawen
zu proklamieren. Österreich-Ungarn enthält verschiedene slawische Volkselemente
und hat sich trotz seiner bunten Zusammensetzung und seines Sprachengemisches
als ein starker Staat erwiesen. Auf der Karpathenseite der Ostfront herrscht
also kein Nassenkampf zwischen Germanen und Slawen, sondern es handelt sich
in diesem Kriege um einen Kampf zwischen dem Nationalitätsprinzip, das
Österreich-Ungarn, im großen betrachtet, vertritt, und der Volksunterdrückung,
die Rußlands herkömmliche Politik ist. Durch ihre langwierige Beschäftigung
mit einem verwickelten Staatsprobleme, das verschiedene Nationen und Rassen
umfaßt, hat sich die Donaumonarchie zu einer freilich noch nicht abgeschlossenen,
aber doch haltbaren Lösung des Problems hinexperimentiert. Der Krieg hat
durch seinen Ansporn zur Sammlung den Reichsgedanken gestärkt, aber auch
anderseits durch die Treue der verschiedenen Volkselemente gegen diesen Gedanken
ihr nationales Recht ebenfalls verstärkt und dadurch mit den weitgehenden
Zentralisationsbestrebungen aufgeräumt, deren Zweck eine Verschmelzung der
verschiedenen Nationen innerhalb der Doppelmonarchie war. So sagte Pro¬
fessor Brockhausen in seinem Vortrage mit Recht, daß das österreichische Staats--
Problem nichts anderes sei als das konzentrierte europäische Friedensproblem,
daß alle Versuche, selbst die kleinste Nation aufzusaugen, mißlungen seien und
daß also, weil keine die andere ganz verschlingen könne, jede mit den anderen
zusammenleben müsse.

Um als starker Staat existieren zu können, muß also Österreich-Ungarn
die Nationen, welche es umfaßt, ihr eigenes Leben leben lassen, ohne daß sie
darum ihre Gemeinsamkeit mit dem Reiche aufgeben, denn geschähe dies, so
würden sie sicherlich binnen kurzer Frist sowohl durch den Krieg aller gegen
alle wie durch die russische Gefahr ihrem Untergange entgegengehen. Der
Weltkrieg ist nicht, wie Rußland gehofft hat. ein sprengten in der angegriffenen
Monarchie geworden, sondern umgekehrt ein Eisenring der Einigkeit, der die
vorher in Hader lebenden Völker näher miteinander verbunden hat. Auch ein
Teil der eigenen slawischen Völker Rußlands, wie die Polen und die Ukrainer,
Ziehen ohne Zweifel den Anschluß an die Zentralmächte dem russischen Joche vor.

Im nördlichen Teile der Ostfront, wo die deutschen Heere unter Hindenbm gs
Führung im russischen Polen vorrücken, bedeutet der Krieg auch nicht ganz einen
Rassenkampf, denn die Polen stehen mit ihren Sympathien nicht auf selten
Rußlands, sondern auf der Seite Deutschlands, weil dieses Land Österreichs
Bundesgenosse ist. Aber im großen gesehen bedeutet die russisch-deutsche Kampf¬
stellung dennoch eine Abrechnung zwischen Germanen und Slawen.

Während Frankreichs Einwohnerzahl seit 1871 von 36,2 Millionen auf
39.8 Millionen gestiegen ist, hat sich die des Deutschen Reiches in derselben
Zeit von 41 Millionen auf 68 Millionen gehoben, und zwar besonders durch
den schnellen Aufschwung der Industrie und der Landwirtschaft, dem es zuzu¬
schreiben ist, daß dort nur ganz unbedeutende Auswanderung stattgefunden hat.


Die Ostfront des Weltkrieges

panslawistischen Gedankens einen Rassenkrieg zwischen Germanen und Slawen
zu proklamieren. Österreich-Ungarn enthält verschiedene slawische Volkselemente
und hat sich trotz seiner bunten Zusammensetzung und seines Sprachengemisches
als ein starker Staat erwiesen. Auf der Karpathenseite der Ostfront herrscht
also kein Nassenkampf zwischen Germanen und Slawen, sondern es handelt sich
in diesem Kriege um einen Kampf zwischen dem Nationalitätsprinzip, das
Österreich-Ungarn, im großen betrachtet, vertritt, und der Volksunterdrückung,
die Rußlands herkömmliche Politik ist. Durch ihre langwierige Beschäftigung
mit einem verwickelten Staatsprobleme, das verschiedene Nationen und Rassen
umfaßt, hat sich die Donaumonarchie zu einer freilich noch nicht abgeschlossenen,
aber doch haltbaren Lösung des Problems hinexperimentiert. Der Krieg hat
durch seinen Ansporn zur Sammlung den Reichsgedanken gestärkt, aber auch
anderseits durch die Treue der verschiedenen Volkselemente gegen diesen Gedanken
ihr nationales Recht ebenfalls verstärkt und dadurch mit den weitgehenden
Zentralisationsbestrebungen aufgeräumt, deren Zweck eine Verschmelzung der
verschiedenen Nationen innerhalb der Doppelmonarchie war. So sagte Pro¬
fessor Brockhausen in seinem Vortrage mit Recht, daß das österreichische Staats--
Problem nichts anderes sei als das konzentrierte europäische Friedensproblem,
daß alle Versuche, selbst die kleinste Nation aufzusaugen, mißlungen seien und
daß also, weil keine die andere ganz verschlingen könne, jede mit den anderen
zusammenleben müsse.

Um als starker Staat existieren zu können, muß also Österreich-Ungarn
die Nationen, welche es umfaßt, ihr eigenes Leben leben lassen, ohne daß sie
darum ihre Gemeinsamkeit mit dem Reiche aufgeben, denn geschähe dies, so
würden sie sicherlich binnen kurzer Frist sowohl durch den Krieg aller gegen
alle wie durch die russische Gefahr ihrem Untergange entgegengehen. Der
Weltkrieg ist nicht, wie Rußland gehofft hat. ein sprengten in der angegriffenen
Monarchie geworden, sondern umgekehrt ein Eisenring der Einigkeit, der die
vorher in Hader lebenden Völker näher miteinander verbunden hat. Auch ein
Teil der eigenen slawischen Völker Rußlands, wie die Polen und die Ukrainer,
Ziehen ohne Zweifel den Anschluß an die Zentralmächte dem russischen Joche vor.

Im nördlichen Teile der Ostfront, wo die deutschen Heere unter Hindenbm gs
Führung im russischen Polen vorrücken, bedeutet der Krieg auch nicht ganz einen
Rassenkampf, denn die Polen stehen mit ihren Sympathien nicht auf selten
Rußlands, sondern auf der Seite Deutschlands, weil dieses Land Österreichs
Bundesgenosse ist. Aber im großen gesehen bedeutet die russisch-deutsche Kampf¬
stellung dennoch eine Abrechnung zwischen Germanen und Slawen.

Während Frankreichs Einwohnerzahl seit 1871 von 36,2 Millionen auf
39.8 Millionen gestiegen ist, hat sich die des Deutschen Reiches in derselben
Zeit von 41 Millionen auf 68 Millionen gehoben, und zwar besonders durch
den schnellen Aufschwung der Industrie und der Landwirtschaft, dem es zuzu¬
schreiben ist, daß dort nur ganz unbedeutende Auswanderung stattgefunden hat.


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[0249] Die Ostfront des Weltkrieges panslawistischen Gedankens einen Rassenkrieg zwischen Germanen und Slawen zu proklamieren. Österreich-Ungarn enthält verschiedene slawische Volkselemente und hat sich trotz seiner bunten Zusammensetzung und seines Sprachengemisches als ein starker Staat erwiesen. Auf der Karpathenseite der Ostfront herrscht also kein Nassenkampf zwischen Germanen und Slawen, sondern es handelt sich in diesem Kriege um einen Kampf zwischen dem Nationalitätsprinzip, das Österreich-Ungarn, im großen betrachtet, vertritt, und der Volksunterdrückung, die Rußlands herkömmliche Politik ist. Durch ihre langwierige Beschäftigung mit einem verwickelten Staatsprobleme, das verschiedene Nationen und Rassen umfaßt, hat sich die Donaumonarchie zu einer freilich noch nicht abgeschlossenen, aber doch haltbaren Lösung des Problems hinexperimentiert. Der Krieg hat durch seinen Ansporn zur Sammlung den Reichsgedanken gestärkt, aber auch anderseits durch die Treue der verschiedenen Volkselemente gegen diesen Gedanken ihr nationales Recht ebenfalls verstärkt und dadurch mit den weitgehenden Zentralisationsbestrebungen aufgeräumt, deren Zweck eine Verschmelzung der verschiedenen Nationen innerhalb der Doppelmonarchie war. So sagte Pro¬ fessor Brockhausen in seinem Vortrage mit Recht, daß das österreichische Staats-- Problem nichts anderes sei als das konzentrierte europäische Friedensproblem, daß alle Versuche, selbst die kleinste Nation aufzusaugen, mißlungen seien und daß also, weil keine die andere ganz verschlingen könne, jede mit den anderen zusammenleben müsse. Um als starker Staat existieren zu können, muß also Österreich-Ungarn die Nationen, welche es umfaßt, ihr eigenes Leben leben lassen, ohne daß sie darum ihre Gemeinsamkeit mit dem Reiche aufgeben, denn geschähe dies, so würden sie sicherlich binnen kurzer Frist sowohl durch den Krieg aller gegen alle wie durch die russische Gefahr ihrem Untergange entgegengehen. Der Weltkrieg ist nicht, wie Rußland gehofft hat. ein sprengten in der angegriffenen Monarchie geworden, sondern umgekehrt ein Eisenring der Einigkeit, der die vorher in Hader lebenden Völker näher miteinander verbunden hat. Auch ein Teil der eigenen slawischen Völker Rußlands, wie die Polen und die Ukrainer, Ziehen ohne Zweifel den Anschluß an die Zentralmächte dem russischen Joche vor. Im nördlichen Teile der Ostfront, wo die deutschen Heere unter Hindenbm gs Führung im russischen Polen vorrücken, bedeutet der Krieg auch nicht ganz einen Rassenkampf, denn die Polen stehen mit ihren Sympathien nicht auf selten Rußlands, sondern auf der Seite Deutschlands, weil dieses Land Österreichs Bundesgenosse ist. Aber im großen gesehen bedeutet die russisch-deutsche Kampf¬ stellung dennoch eine Abrechnung zwischen Germanen und Slawen. Während Frankreichs Einwohnerzahl seit 1871 von 36,2 Millionen auf 39.8 Millionen gestiegen ist, hat sich die des Deutschen Reiches in derselben Zeit von 41 Millionen auf 68 Millionen gehoben, und zwar besonders durch den schnellen Aufschwung der Industrie und der Landwirtschaft, dem es zuzu¬ schreiben ist, daß dort nur ganz unbedeutende Auswanderung stattgefunden hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/249>, abgerufen am 01.07.2024.