Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Kämpfe und Siege hinter der Front Kummer nichts merken; im Gegenteil, die Weiberlein im ganzen Lande Polen Und das Land selber ist voll eitel Freude. Unter dem lichtgrauen Himmel Prächtig sind die Straßen. Noch vor kurzem unbefahren, Sandwüsten Auch Bahnen und Bähnchen kreuzen unseren Weg und freundliche Holz¬ So trägt dies Stück Erde uns gar vertraute Züge und mutet uns ganz Wir lieben auch die Landstädtchen, in denen nicht selten ein von deutschen Die kleinen Städtchen bieten uns aber auch auf mannigfach andere Art Kämpfe und Siege hinter der Front Kummer nichts merken; im Gegenteil, die Weiberlein im ganzen Lande Polen Und das Land selber ist voll eitel Freude. Unter dem lichtgrauen Himmel Prächtig sind die Straßen. Noch vor kurzem unbefahren, Sandwüsten Auch Bahnen und Bähnchen kreuzen unseren Weg und freundliche Holz¬ So trägt dies Stück Erde uns gar vertraute Züge und mutet uns ganz Wir lieben auch die Landstädtchen, in denen nicht selten ein von deutschen Die kleinen Städtchen bieten uns aber auch auf mannigfach andere Art <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324206"/> <fw type="header" place="top"> Kämpfe und Siege hinter der Front</fw><lb/> <p xml:id="ID_688" prev="#ID_687"> Kummer nichts merken; im Gegenteil, die Weiberlein im ganzen Lande Polen<lb/> sind ausnehmend fröhlich und frisch und lachen mit den bunten Farben ihrer<lb/> kurzen Röcke um die Wette in das Land hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_689"> Und das Land selber ist voll eitel Freude. Unter dem lichtgrauen Himmel<lb/> liegt es so blank und sauber wie ein leuchtendes Böcklinsches Bild; und die<lb/> Luft ist so klar und durchsichtig, daß die Fernen nahgerückt erscheinen und die<lb/> Hügel am Horizont, die Baumgruppen und Wälder scharfumrissen, wie aus<lb/> buntbemaltem Blech geschnitten, vor uns stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_690"> Prächtig sind die Straßen. Noch vor kurzem unbefahren, Sandwüsten<lb/> und Schlammströmen ähnlich, halten sie jetzt, dank der deutschen Arbeit, jeden<lb/> Vergleich mit den heimatlichen Landstraßen aus. Auch die Dörfer, in denen<lb/> der Schmutz in lieblicher Eintracht mit dem ländlichen Düngerhaufen die geheiligten<lb/> Traditionen der Bauern erfolgreich gegen alle Zeitenstürme verteidigte, sind reinliche<lb/> Wohnstätten geworden. Die zahllosen Stege, Brückchen und Brücken, die unsere<lb/> zurückweichenden Feinde gründlich zerstört hatten, sind wiederhergestellt, kurz:<lb/> überall treffen wir auf die Spuren deutschen Fleißes, deutscher Kultur.</p><lb/> <p xml:id="ID_691"> Auch Bahnen und Bähnchen kreuzen unseren Weg und freundliche Holz¬<lb/> häuser aller Art grüßen herüber. Da gibt es eine „Schlesische Baude" und' eine<lb/> „Berliner Hütte", darinnen unsere wackeren Landstürmer Wache halten oder<lb/> ihre Kantine aufgetan haben; da steht ein „Feldbahnhof Hasenheide" und ein<lb/> „Feldbahnhof Sumpfloch", die ein prangendes Blumengärtchen einfriedigt; alles<lb/> schmuck und gediegen, daß es eine wahre Lust ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_692"> So trägt dies Stück Erde uns gar vertraute Züge und mutet uns ganz<lb/> heimatlich und tröstlich an. Wir fühlen diesem Lande an, wie es sich näher<lb/> an uns drängt, wie das verströmte Blut unserer Helden, das in seinen Adern<lb/> rinnt und in den Halmen und Ähren treibt und schafft, es uns heiligt — und<lb/> unmerkbar keimt in uns ein Gefühl empor, das, mächtiger geworden, sich<lb/> endlich klar und groß enthüllt: wir lieben dieses Land! Wir lieben den<lb/> schenkenden Boden, der Tausende unserer Brüder birgt, zwischen Korn und<lb/> Klee, Feldblumen, Gras und Buschwerk Tausende von stillen Heldenhügeln<lb/> trägt; wir lieben seine mächtigen, uralten Bäume, die wie schützend ihre Wipfel<lb/> über das Soldatengrab an ihrem Stamme breiten, das, schlicht mit Steinen<lb/> eingefaßt, mit einem Holzkreuz besteckt, einheimische Blumen in drängender Fülle<lb/> überblühen: — Bodendankl</p><lb/> <p xml:id="ID_693"> Wir lieben auch die Landstädtchen, in denen nicht selten ein von deutschen<lb/> Truppen aufgequadertes, kunstvolles Denkmal sich erhebt, das sowohl dem<lb/> Andenken der deutschen als auch der russischen Gefallenen geweiht ist und dessen<lb/> dem Boden entwirkte Steinkolosse sich förmlich aufrecken, wie um so recht ihrem<lb/> schönen Zweck zu dienen. Und rundum auch hier ein unverwelklicher Kranz<lb/> blühender Blumen. . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_694"> Die kleinen Städtchen bieten uns aber auch auf mannigfach andere Art<lb/> freundlichen Willkomm.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0233]
Kämpfe und Siege hinter der Front
Kummer nichts merken; im Gegenteil, die Weiberlein im ganzen Lande Polen
sind ausnehmend fröhlich und frisch und lachen mit den bunten Farben ihrer
kurzen Röcke um die Wette in das Land hinaus.
Und das Land selber ist voll eitel Freude. Unter dem lichtgrauen Himmel
liegt es so blank und sauber wie ein leuchtendes Böcklinsches Bild; und die
Luft ist so klar und durchsichtig, daß die Fernen nahgerückt erscheinen und die
Hügel am Horizont, die Baumgruppen und Wälder scharfumrissen, wie aus
buntbemaltem Blech geschnitten, vor uns stehen.
Prächtig sind die Straßen. Noch vor kurzem unbefahren, Sandwüsten
und Schlammströmen ähnlich, halten sie jetzt, dank der deutschen Arbeit, jeden
Vergleich mit den heimatlichen Landstraßen aus. Auch die Dörfer, in denen
der Schmutz in lieblicher Eintracht mit dem ländlichen Düngerhaufen die geheiligten
Traditionen der Bauern erfolgreich gegen alle Zeitenstürme verteidigte, sind reinliche
Wohnstätten geworden. Die zahllosen Stege, Brückchen und Brücken, die unsere
zurückweichenden Feinde gründlich zerstört hatten, sind wiederhergestellt, kurz:
überall treffen wir auf die Spuren deutschen Fleißes, deutscher Kultur.
Auch Bahnen und Bähnchen kreuzen unseren Weg und freundliche Holz¬
häuser aller Art grüßen herüber. Da gibt es eine „Schlesische Baude" und' eine
„Berliner Hütte", darinnen unsere wackeren Landstürmer Wache halten oder
ihre Kantine aufgetan haben; da steht ein „Feldbahnhof Hasenheide" und ein
„Feldbahnhof Sumpfloch", die ein prangendes Blumengärtchen einfriedigt; alles
schmuck und gediegen, daß es eine wahre Lust ist.
So trägt dies Stück Erde uns gar vertraute Züge und mutet uns ganz
heimatlich und tröstlich an. Wir fühlen diesem Lande an, wie es sich näher
an uns drängt, wie das verströmte Blut unserer Helden, das in seinen Adern
rinnt und in den Halmen und Ähren treibt und schafft, es uns heiligt — und
unmerkbar keimt in uns ein Gefühl empor, das, mächtiger geworden, sich
endlich klar und groß enthüllt: wir lieben dieses Land! Wir lieben den
schenkenden Boden, der Tausende unserer Brüder birgt, zwischen Korn und
Klee, Feldblumen, Gras und Buschwerk Tausende von stillen Heldenhügeln
trägt; wir lieben seine mächtigen, uralten Bäume, die wie schützend ihre Wipfel
über das Soldatengrab an ihrem Stamme breiten, das, schlicht mit Steinen
eingefaßt, mit einem Holzkreuz besteckt, einheimische Blumen in drängender Fülle
überblühen: — Bodendankl
Wir lieben auch die Landstädtchen, in denen nicht selten ein von deutschen
Truppen aufgequadertes, kunstvolles Denkmal sich erhebt, das sowohl dem
Andenken der deutschen als auch der russischen Gefallenen geweiht ist und dessen
dem Boden entwirkte Steinkolosse sich förmlich aufrecken, wie um so recht ihrem
schönen Zweck zu dienen. Und rundum auch hier ein unverwelklicher Kranz
blühender Blumen. . . .
Die kleinen Städtchen bieten uns aber auch auf mannigfach andere Art
freundlichen Willkomm.
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