Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Krieg und Religion wächst das Denken hervor. Ein Blick auf die Schweiz kann diese Wahrheit Krieg und Religion wächst das Denken hervor. Ein Blick auf die Schweiz kann diese Wahrheit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324204"/> <fw type="header" place="top"> Krieg und Religion</fw><lb/> <p xml:id="ID_682" prev="#ID_681"> wächst das Denken hervor. Ein Blick auf die Schweiz kann diese Wahrheit<lb/> bestätigen. Man lese das Referat, das Professor Dr. Hadorn in der Sitzung<lb/> der bernischen Kirchensynode abgehalten hat („Fragen, die uns bewegen". Verlag<lb/> von Stämpfli in Bern), und man erkennt, daß die andersartige ethische<lb/> Wertung des Krieges notwendig aus ihrer Neutralitätsstellung, die nur das<lb/> Furchtbare des Krieges sieht, herauslließt. Und doch wäre eine Philosophie<lb/> falsch, die nun den Krieg einseitig verherrlichen wollte. Die Furchtbarkeit der<lb/> Blutopfer wird solches niemals aufkommen lassen. Krieg ist immer ein Unglück.<lb/> Wie Bismarck 1875 vor einem Präventivkrieg auch aus Gewissensbedenken im<lb/> Gegensatz zu dem kriegsfreudigen Moltke zurückschreckte, so muß ein Volk immer<lb/> den Krieg als notwendiges Schicksal erleben. Die Philosophie darf nicht die<lb/> Kräfte, die zum Krieg in einem Volksleben Drängen, künstlich antreiben, sondern<lb/> muß warten, bis die Zeit erfüllet ist, da die wachsenden Kräfte den Krieg<lb/> naturgemäß auslösen. Dann kann Krieg und Religion zusammengehen. Denn<lb/> es fehlte nicht die Ehrfurcht vor^den Mächten, die über uns sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0231]
Krieg und Religion
wächst das Denken hervor. Ein Blick auf die Schweiz kann diese Wahrheit
bestätigen. Man lese das Referat, das Professor Dr. Hadorn in der Sitzung
der bernischen Kirchensynode abgehalten hat („Fragen, die uns bewegen". Verlag
von Stämpfli in Bern), und man erkennt, daß die andersartige ethische
Wertung des Krieges notwendig aus ihrer Neutralitätsstellung, die nur das
Furchtbare des Krieges sieht, herauslließt. Und doch wäre eine Philosophie
falsch, die nun den Krieg einseitig verherrlichen wollte. Die Furchtbarkeit der
Blutopfer wird solches niemals aufkommen lassen. Krieg ist immer ein Unglück.
Wie Bismarck 1875 vor einem Präventivkrieg auch aus Gewissensbedenken im
Gegensatz zu dem kriegsfreudigen Moltke zurückschreckte, so muß ein Volk immer
den Krieg als notwendiges Schicksal erleben. Die Philosophie darf nicht die
Kräfte, die zum Krieg in einem Volksleben Drängen, künstlich antreiben, sondern
muß warten, bis die Zeit erfüllet ist, da die wachsenden Kräfte den Krieg
naturgemäß auslösen. Dann kann Krieg und Religion zusammengehen. Denn
es fehlte nicht die Ehrfurcht vor^den Mächten, die über uns sind.
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