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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Rückblick auf das Kriegsjahr

Englands weitere Enttäuschung war und ist Rußlands militärische Schwäche.
Die Russen haben bereits mit dem ganzen Gefolge ihrer barbarischen Aus¬
schreitungen und Herrenrechte in Ostpreußen und Galizien gestanden. Man
hatte uns im Westen die Hände gebunden und war des besten Glaubens, daß
wir für den Osten sozusagen keine mehr übrig haben würden. Wir waren
aber im Verlaufe des Kriegsjahres erschütterte Zeugen, wie unsere taktische
Minderheit unter der unvergleichlichen Führung eines Hindenburg, Mackensen,
Hötzendorff und ihrer glänzenden Mitarbeiter, die erdrückende Mehrheit der
russischen Scharen in schaurigen Herbst- und Wintertagen durch Seen und
Sümpfe, über Gebirgskämme und Schneefelder dahinjagte. Es sind in diesem
Jahre deutscher- und österreichischerseits strategische und militärische Heldentaten
vollbracht worden, die voll zu ermessen erst kommenden Tagen gegeben sein
wird, die aber heute bereits hoch über den kriegerischen Leistungen stehen, die
ein Napoleon und seine erprobten Garden je aufzuweisen hatten. Und um
so glänzender sind diese Erfolge, als sie zum Teil von jungen, halb unaus-
gebildeten Mannschaften errungen wurden, denen das soldatische Handwerk
bisher fern gelegen hatte. Dieses Jungvolk hat sich, allen Verleumdungen
unserer Feinde zum Trotz, glänzend bewährt, in seiner Hingabe unterstützt
von einem Landsturm, der, im Westen wie im Osten, das bewundernswerteste
an Umsicht, Disziplin, Hingabe und Ausdauer geleistet hat, was man von
einem in Uniform gesteckten Bürger verlangen kann. So nur kann, so muß
eine bewaffnete Nation den Kriegserfordernissen gewachsen sein, die das Unrecht
ahnden und das Unheil vom eigenen Herd abhalten will. Eine Einzelheit ist
sprechend und überaus ehrend für den Geist unserer Truppen: 3500 Eiserne
Kreuze erster Klasse kamen bisher zur Verteilung, davon wurden 285 Unter¬
offizieren, 191 Gemeinen zuteil. In ihnen wurde die ganze Nation geehrt,
die dem Kaiser gelobt hatte, "durchzuhalten durch dick und dünn, durch Not
und Tod".

Und England samt seinen Verbündeten irrte sich abermals. Es irrte sich
auf dem Gebiete, auf welchem es bisher der Stärkste war, auf dem es uns im
Handumdrehen erdrosseln und ersäufen zu können geglaubt hatte: auf See.
Es glaubte mit der Vernichtung unserer abgeschnittenen kleinen flinken Kreuzer
ein Heldenstück vollbracht zu haben. Man überlege, wie großen Schaden
unsere Schiffe angerichtet haben, welch lange Jagd notwendig gewesen ist, ehe
sie einen ehrenvollen Untergang fanden. Dieser tapfere Widerstand hat nicht
nur unsere Trauer über den Verlust der "Emden", "Gneisenau", "Leipzig"
und so fort gemildert, er hat uns auch mit der frohen Hoffnung zu erfüllen ver¬
mocht, daß wir zu einer starken Zukunft auf dem Meere berufen sind. Unsere
Marmepolitik ist die richtige gewesen. England hat nur auf verlorenen Posten
befindliche kleinere Schiffe vernichtet, aber an unsere eigentliche Schlachtflotte
kaum gerührt. Es hat uns unsere Kolonien, nach tapfersten Widerstande,
vorübergehend nehmen können, weil sie ebenfalls verlorene Posten waren --


Rückblick auf das Kriegsjahr

Englands weitere Enttäuschung war und ist Rußlands militärische Schwäche.
Die Russen haben bereits mit dem ganzen Gefolge ihrer barbarischen Aus¬
schreitungen und Herrenrechte in Ostpreußen und Galizien gestanden. Man
hatte uns im Westen die Hände gebunden und war des besten Glaubens, daß
wir für den Osten sozusagen keine mehr übrig haben würden. Wir waren
aber im Verlaufe des Kriegsjahres erschütterte Zeugen, wie unsere taktische
Minderheit unter der unvergleichlichen Führung eines Hindenburg, Mackensen,
Hötzendorff und ihrer glänzenden Mitarbeiter, die erdrückende Mehrheit der
russischen Scharen in schaurigen Herbst- und Wintertagen durch Seen und
Sümpfe, über Gebirgskämme und Schneefelder dahinjagte. Es sind in diesem
Jahre deutscher- und österreichischerseits strategische und militärische Heldentaten
vollbracht worden, die voll zu ermessen erst kommenden Tagen gegeben sein
wird, die aber heute bereits hoch über den kriegerischen Leistungen stehen, die
ein Napoleon und seine erprobten Garden je aufzuweisen hatten. Und um
so glänzender sind diese Erfolge, als sie zum Teil von jungen, halb unaus-
gebildeten Mannschaften errungen wurden, denen das soldatische Handwerk
bisher fern gelegen hatte. Dieses Jungvolk hat sich, allen Verleumdungen
unserer Feinde zum Trotz, glänzend bewährt, in seiner Hingabe unterstützt
von einem Landsturm, der, im Westen wie im Osten, das bewundernswerteste
an Umsicht, Disziplin, Hingabe und Ausdauer geleistet hat, was man von
einem in Uniform gesteckten Bürger verlangen kann. So nur kann, so muß
eine bewaffnete Nation den Kriegserfordernissen gewachsen sein, die das Unrecht
ahnden und das Unheil vom eigenen Herd abhalten will. Eine Einzelheit ist
sprechend und überaus ehrend für den Geist unserer Truppen: 3500 Eiserne
Kreuze erster Klasse kamen bisher zur Verteilung, davon wurden 285 Unter¬
offizieren, 191 Gemeinen zuteil. In ihnen wurde die ganze Nation geehrt,
die dem Kaiser gelobt hatte, „durchzuhalten durch dick und dünn, durch Not
und Tod".

Und England samt seinen Verbündeten irrte sich abermals. Es irrte sich
auf dem Gebiete, auf welchem es bisher der Stärkste war, auf dem es uns im
Handumdrehen erdrosseln und ersäufen zu können geglaubt hatte: auf See.
Es glaubte mit der Vernichtung unserer abgeschnittenen kleinen flinken Kreuzer
ein Heldenstück vollbracht zu haben. Man überlege, wie großen Schaden
unsere Schiffe angerichtet haben, welch lange Jagd notwendig gewesen ist, ehe
sie einen ehrenvollen Untergang fanden. Dieser tapfere Widerstand hat nicht
nur unsere Trauer über den Verlust der „Emden", „Gneisenau", „Leipzig"
und so fort gemildert, er hat uns auch mit der frohen Hoffnung zu erfüllen ver¬
mocht, daß wir zu einer starken Zukunft auf dem Meere berufen sind. Unsere
Marmepolitik ist die richtige gewesen. England hat nur auf verlorenen Posten
befindliche kleinere Schiffe vernichtet, aber an unsere eigentliche Schlachtflotte
kaum gerührt. Es hat uns unsere Kolonien, nach tapfersten Widerstande,
vorübergehend nehmen können, weil sie ebenfalls verlorene Posten waren —


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[0113] Rückblick auf das Kriegsjahr Englands weitere Enttäuschung war und ist Rußlands militärische Schwäche. Die Russen haben bereits mit dem ganzen Gefolge ihrer barbarischen Aus¬ schreitungen und Herrenrechte in Ostpreußen und Galizien gestanden. Man hatte uns im Westen die Hände gebunden und war des besten Glaubens, daß wir für den Osten sozusagen keine mehr übrig haben würden. Wir waren aber im Verlaufe des Kriegsjahres erschütterte Zeugen, wie unsere taktische Minderheit unter der unvergleichlichen Führung eines Hindenburg, Mackensen, Hötzendorff und ihrer glänzenden Mitarbeiter, die erdrückende Mehrheit der russischen Scharen in schaurigen Herbst- und Wintertagen durch Seen und Sümpfe, über Gebirgskämme und Schneefelder dahinjagte. Es sind in diesem Jahre deutscher- und österreichischerseits strategische und militärische Heldentaten vollbracht worden, die voll zu ermessen erst kommenden Tagen gegeben sein wird, die aber heute bereits hoch über den kriegerischen Leistungen stehen, die ein Napoleon und seine erprobten Garden je aufzuweisen hatten. Und um so glänzender sind diese Erfolge, als sie zum Teil von jungen, halb unaus- gebildeten Mannschaften errungen wurden, denen das soldatische Handwerk bisher fern gelegen hatte. Dieses Jungvolk hat sich, allen Verleumdungen unserer Feinde zum Trotz, glänzend bewährt, in seiner Hingabe unterstützt von einem Landsturm, der, im Westen wie im Osten, das bewundernswerteste an Umsicht, Disziplin, Hingabe und Ausdauer geleistet hat, was man von einem in Uniform gesteckten Bürger verlangen kann. So nur kann, so muß eine bewaffnete Nation den Kriegserfordernissen gewachsen sein, die das Unrecht ahnden und das Unheil vom eigenen Herd abhalten will. Eine Einzelheit ist sprechend und überaus ehrend für den Geist unserer Truppen: 3500 Eiserne Kreuze erster Klasse kamen bisher zur Verteilung, davon wurden 285 Unter¬ offizieren, 191 Gemeinen zuteil. In ihnen wurde die ganze Nation geehrt, die dem Kaiser gelobt hatte, „durchzuhalten durch dick und dünn, durch Not und Tod". Und England samt seinen Verbündeten irrte sich abermals. Es irrte sich auf dem Gebiete, auf welchem es bisher der Stärkste war, auf dem es uns im Handumdrehen erdrosseln und ersäufen zu können geglaubt hatte: auf See. Es glaubte mit der Vernichtung unserer abgeschnittenen kleinen flinken Kreuzer ein Heldenstück vollbracht zu haben. Man überlege, wie großen Schaden unsere Schiffe angerichtet haben, welch lange Jagd notwendig gewesen ist, ehe sie einen ehrenvollen Untergang fanden. Dieser tapfere Widerstand hat nicht nur unsere Trauer über den Verlust der „Emden", „Gneisenau", „Leipzig" und so fort gemildert, er hat uns auch mit der frohen Hoffnung zu erfüllen ver¬ mocht, daß wir zu einer starken Zukunft auf dem Meere berufen sind. Unsere Marmepolitik ist die richtige gewesen. England hat nur auf verlorenen Posten befindliche kleinere Schiffe vernichtet, aber an unsere eigentliche Schlachtflotte kaum gerührt. Es hat uns unsere Kolonien, nach tapfersten Widerstande, vorübergehend nehmen können, weil sie ebenfalls verlorene Posten waren —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/113>, abgerufen am 23.07.2024.