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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Rückblick auf das Ariegsjahr

so wurde es ihm billig, sich einen Nuhmeskmnz daraus zu winden. Er weist
trotzdem viele Schadenlöcher auf, die unsere Schiffe seiner Flotte beigebracht
haben. Es kam aber noch besser. Kaum hatten wir die Verluste auf See
erleiden müssen, als auch schon aus der Tiefe des Ozeans der Rächer in
Gestalt des Unterseebootes auftauchte und grimmige Ernte hielt, als in den
Lüften die wirkungsvolle Tätigkeit der Zeppeline begann, als durch eine neue,
ungeahnte Taktik von unten herauf und von oben nach unten der Krieg eine
für unsere Gegner, namentlich für England, verhängnisvolle Gestaltung annahm.
Eine Welt ungeahnter Technik tat sich auf, einer Technik, die sich zunächst
allerdings in zerstörenden Taten äußern, die das rein menschliche zurückdrängen
mußte, die aber auch berufen scheint, während der zukünftigen Friedenszeiten
dem Verkehr der Völker neue Bahnen zu weisen. Die neue Technik löste neue
Wut- und Verleumdungsanfälle bei unseren Feinden aus und zum Schaden
der Neutralen wurden nach Belieben Flaggen und Farben gewechselt und
gemißbraucht. Dieser Ingrimm, dieser Zorn jedoch ist nichts anderes als das
Zugeständnis, daß wir auf allen kriegstechnischen und kriegsindustriellen Gebieten
jedermann überlegen sind. Auf See und in den Lüften hat uns das Kriegs¬
jahr Erfolge beschert. Wir haben mit stiller Trauer und philosophischer
Ergebenheit die mit diesen Erfolgen verbundenen unvermeidlichen Opfer auf
uns genommen, selbst da, wo sie, wie im Falle des Helden Weddigen, durch
offenbare Tücke und offenbaren Betrug veranlaßt worden sind. Diese Verluste
sind indessen bei weitem noch keine Niederlagen, zu denen sie unsere Feinde
stempeln möchten. Sie sind vielmehr die junge Saat für die künftige Ernte
vaterländischer Größe. Erfahrungen kosten, aber man lernt aus ihnen für die
spätere Zeit. Wir waren zu Wasser wie zu Lande in Organisation und
Technik den anderen überlegen und haben noch einen Überschuß unserer Er¬
rungenschaften und taktischen Persönlichkeiten an die Verbündeten unter dem
Doppeladler und dem Halbmond abgeben können.

Neben den militärischen und maritimen Erfolgen haben wir in dem ver¬
flossenen Kriegsjahre auch noch andere, ebenso hoch zu bewertende Gewinne
einzustreichen verstanden, und zwar durch unsere Manneszucht daheim, die der
im Felde die Wage hält. Sie ist eine ebenso große Gewähr für eine glückliche
Zukunft, als jene. Wir haben es fertig bekommen, uns selbst zu erziehen und
zu zügeln. Wir haben plötzlich in allen Dingen Maß zu halten verstanden.
Wir haben uns in finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten widerspruchlos,
und in allen Parteien und Bevölkerungsschichten einig, der Staatsvernunft
unterworfen, die sich hier durch Sperren und Sparen als ein guter und vor¬
sorglicher Familienvater erwiesen hat. Wir haben Fehler abgelegt, von denen
nicht wenige uns bisher nach innen und außen schwer geschädigt, unser Ansehen
herabgesetzt hatten. Man hatte uns unser schwer erworbenes Glück draußen
gemeldet, daher liebte man uns nicht. Wir aber ließen allzusehr fühlen, daß uns
dieser Neid gleichgültig sei und vergaßen darüber die Notwendigkeit, die Neider zu


Rückblick auf das Ariegsjahr

so wurde es ihm billig, sich einen Nuhmeskmnz daraus zu winden. Er weist
trotzdem viele Schadenlöcher auf, die unsere Schiffe seiner Flotte beigebracht
haben. Es kam aber noch besser. Kaum hatten wir die Verluste auf See
erleiden müssen, als auch schon aus der Tiefe des Ozeans der Rächer in
Gestalt des Unterseebootes auftauchte und grimmige Ernte hielt, als in den
Lüften die wirkungsvolle Tätigkeit der Zeppeline begann, als durch eine neue,
ungeahnte Taktik von unten herauf und von oben nach unten der Krieg eine
für unsere Gegner, namentlich für England, verhängnisvolle Gestaltung annahm.
Eine Welt ungeahnter Technik tat sich auf, einer Technik, die sich zunächst
allerdings in zerstörenden Taten äußern, die das rein menschliche zurückdrängen
mußte, die aber auch berufen scheint, während der zukünftigen Friedenszeiten
dem Verkehr der Völker neue Bahnen zu weisen. Die neue Technik löste neue
Wut- und Verleumdungsanfälle bei unseren Feinden aus und zum Schaden
der Neutralen wurden nach Belieben Flaggen und Farben gewechselt und
gemißbraucht. Dieser Ingrimm, dieser Zorn jedoch ist nichts anderes als das
Zugeständnis, daß wir auf allen kriegstechnischen und kriegsindustriellen Gebieten
jedermann überlegen sind. Auf See und in den Lüften hat uns das Kriegs¬
jahr Erfolge beschert. Wir haben mit stiller Trauer und philosophischer
Ergebenheit die mit diesen Erfolgen verbundenen unvermeidlichen Opfer auf
uns genommen, selbst da, wo sie, wie im Falle des Helden Weddigen, durch
offenbare Tücke und offenbaren Betrug veranlaßt worden sind. Diese Verluste
sind indessen bei weitem noch keine Niederlagen, zu denen sie unsere Feinde
stempeln möchten. Sie sind vielmehr die junge Saat für die künftige Ernte
vaterländischer Größe. Erfahrungen kosten, aber man lernt aus ihnen für die
spätere Zeit. Wir waren zu Wasser wie zu Lande in Organisation und
Technik den anderen überlegen und haben noch einen Überschuß unserer Er¬
rungenschaften und taktischen Persönlichkeiten an die Verbündeten unter dem
Doppeladler und dem Halbmond abgeben können.

Neben den militärischen und maritimen Erfolgen haben wir in dem ver¬
flossenen Kriegsjahre auch noch andere, ebenso hoch zu bewertende Gewinne
einzustreichen verstanden, und zwar durch unsere Manneszucht daheim, die der
im Felde die Wage hält. Sie ist eine ebenso große Gewähr für eine glückliche
Zukunft, als jene. Wir haben es fertig bekommen, uns selbst zu erziehen und
zu zügeln. Wir haben plötzlich in allen Dingen Maß zu halten verstanden.
Wir haben uns in finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten widerspruchlos,
und in allen Parteien und Bevölkerungsschichten einig, der Staatsvernunft
unterworfen, die sich hier durch Sperren und Sparen als ein guter und vor¬
sorglicher Familienvater erwiesen hat. Wir haben Fehler abgelegt, von denen
nicht wenige uns bisher nach innen und außen schwer geschädigt, unser Ansehen
herabgesetzt hatten. Man hatte uns unser schwer erworbenes Glück draußen
gemeldet, daher liebte man uns nicht. Wir aber ließen allzusehr fühlen, daß uns
dieser Neid gleichgültig sei und vergaßen darüber die Notwendigkeit, die Neider zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/114>, abgerufen am 23.07.2024.