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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die völkerrechtliche Stellung des Papstes

Rolle, hauptsächlich handelte es sich um das Verhältnis von Staat und Kirche,
das überhaupt nicht völkerrechtlich war. Aber das Völkerrecht gab für den
Verkehr des Papstes mit den weltlichen Staaten den Rechtstitel und die äußeren
Formen. Insbesondere gehört hierher die vielbestrittene Doktorfrage nach der
rechtlichen Natur der Konkordate, die in der Form völkerrechtlicher Verträge
die Beziehungen von Staat und Kirche zu regeln bestimmt waren.

So blieb es bis zur Einverleibung des Kirchenstaates in das Königreich
Italien. Die kurze Episode der Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes
durch Napoleon den Ersten kann füglich unerörtert bleiben. Die Losreißung
der Romagna, der Marken und Andricus, die Einigung des Königreichs
Italien, obwohl vom Papste nicht anerkannt, ließen zunächst die päpstliche Stellung
noch unberührt. Anders wurde es mit dem vollständigen Untergange der
weltlichen Herrschaft des Papstes im Jahre 1870.

Die Vernichtung des Kirchenstaates und der Einzug der Italiener in Rom
nach Einschießung der Bresche bei der Porta Pia vollzog sich durch den anerkannten
Völkerrechtstitel der Eroberung. Damit ging die volle und uneingeschränkte
Staatsgewalt über das bisher noch vom Papste beherrschte Gebiet auf das
Königreich Italien über. Alles Eigentum des Papsttums als solchen wurde
italienisches Staatseigentum, der Papst wäre als italienischer Untertan aus der
VMcrrechtsgemeinschaft ausgeschieden gewesen.

Das italienische Garantiegesetz vom 13 Mai 1871 hat diese Rechtswirkungen
der völkerrechtlichen Eroberung des Kirchenstaates zwar nicht aufgehoben, aber
abgeschwächt. Danach ist der Papst nach wie vor heilig und unverletzlich, Angriffe
auf seine Person werden ebenso bestraft wie solche auf die Person des Königs.
Er genießt seitens der italienischen Regierung die Ehren eines Souveräns mit
dem Ehrenvorrang, den ihm die katholischen Souveräne zugestehen. Er darf
sich eine Leibgarde halten -- unbeschadet der Verpflichtung ihrer Mitglieder
gegen die Staatsgesetze. Die italienische Regierung zahlt dem Papsttum und
Zwar auch während des Interregnums eine jährliche Rente von 3225000 Lire,
frei von allen Abgaben. Der Papst hat den "Nießbrauch" an den apostolischen
Palästen von Vatikan. Lateran und Castel Gandolfo nebst Zubehör, die samt
-den dort befindlichen Museen, der Bibliothek und den Sammlungen für Kanst
und Altertümer unveräußerlich und steuerfrei sind. Das Konklave und die
ökonomischen Konzilien sind frei. Kein Staatsbeamter darf ohne Genehmigung
des Papstes, des Konklaves oder des Konzils in die apostolischen Paläste ein¬
dringen. Untersuchungen und Beschlagnahmen bei den päpstlichen Ämtern
find untersagt. Die beim Papste beglaubigten Gesandten erfreuen sich aller
völkerrechtlichen Vorrechte und Befreiungen. Der Papst genießt volle Freiheit
des Briefwechsels mit der ganzen katholischen Welt. Zu diesem Zwecke wird
im Vatikan ein päpstliches Post- und Telegraphenamt eingerichtet, dessen
Sendungen, wenn sie mit dem päpstlichen Amtssiegel versehen sind, im italienischen
Staatsgebiete frei befördert werden.


Die völkerrechtliche Stellung des Papstes

Rolle, hauptsächlich handelte es sich um das Verhältnis von Staat und Kirche,
das überhaupt nicht völkerrechtlich war. Aber das Völkerrecht gab für den
Verkehr des Papstes mit den weltlichen Staaten den Rechtstitel und die äußeren
Formen. Insbesondere gehört hierher die vielbestrittene Doktorfrage nach der
rechtlichen Natur der Konkordate, die in der Form völkerrechtlicher Verträge
die Beziehungen von Staat und Kirche zu regeln bestimmt waren.

So blieb es bis zur Einverleibung des Kirchenstaates in das Königreich
Italien. Die kurze Episode der Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes
durch Napoleon den Ersten kann füglich unerörtert bleiben. Die Losreißung
der Romagna, der Marken und Andricus, die Einigung des Königreichs
Italien, obwohl vom Papste nicht anerkannt, ließen zunächst die päpstliche Stellung
noch unberührt. Anders wurde es mit dem vollständigen Untergange der
weltlichen Herrschaft des Papstes im Jahre 1870.

Die Vernichtung des Kirchenstaates und der Einzug der Italiener in Rom
nach Einschießung der Bresche bei der Porta Pia vollzog sich durch den anerkannten
Völkerrechtstitel der Eroberung. Damit ging die volle und uneingeschränkte
Staatsgewalt über das bisher noch vom Papste beherrschte Gebiet auf das
Königreich Italien über. Alles Eigentum des Papsttums als solchen wurde
italienisches Staatseigentum, der Papst wäre als italienischer Untertan aus der
VMcrrechtsgemeinschaft ausgeschieden gewesen.

Das italienische Garantiegesetz vom 13 Mai 1871 hat diese Rechtswirkungen
der völkerrechtlichen Eroberung des Kirchenstaates zwar nicht aufgehoben, aber
abgeschwächt. Danach ist der Papst nach wie vor heilig und unverletzlich, Angriffe
auf seine Person werden ebenso bestraft wie solche auf die Person des Königs.
Er genießt seitens der italienischen Regierung die Ehren eines Souveräns mit
dem Ehrenvorrang, den ihm die katholischen Souveräne zugestehen. Er darf
sich eine Leibgarde halten — unbeschadet der Verpflichtung ihrer Mitglieder
gegen die Staatsgesetze. Die italienische Regierung zahlt dem Papsttum und
Zwar auch während des Interregnums eine jährliche Rente von 3225000 Lire,
frei von allen Abgaben. Der Papst hat den „Nießbrauch" an den apostolischen
Palästen von Vatikan. Lateran und Castel Gandolfo nebst Zubehör, die samt
-den dort befindlichen Museen, der Bibliothek und den Sammlungen für Kanst
und Altertümer unveräußerlich und steuerfrei sind. Das Konklave und die
ökonomischen Konzilien sind frei. Kein Staatsbeamter darf ohne Genehmigung
des Papstes, des Konklaves oder des Konzils in die apostolischen Paläste ein¬
dringen. Untersuchungen und Beschlagnahmen bei den päpstlichen Ämtern
find untersagt. Die beim Papste beglaubigten Gesandten erfreuen sich aller
völkerrechtlichen Vorrechte und Befreiungen. Der Papst genießt volle Freiheit
des Briefwechsels mit der ganzen katholischen Welt. Zu diesem Zwecke wird
im Vatikan ein päpstliches Post- und Telegraphenamt eingerichtet, dessen
Sendungen, wenn sie mit dem päpstlichen Amtssiegel versehen sind, im italienischen
Staatsgebiete frei befördert werden.


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[0334] Die völkerrechtliche Stellung des Papstes Rolle, hauptsächlich handelte es sich um das Verhältnis von Staat und Kirche, das überhaupt nicht völkerrechtlich war. Aber das Völkerrecht gab für den Verkehr des Papstes mit den weltlichen Staaten den Rechtstitel und die äußeren Formen. Insbesondere gehört hierher die vielbestrittene Doktorfrage nach der rechtlichen Natur der Konkordate, die in der Form völkerrechtlicher Verträge die Beziehungen von Staat und Kirche zu regeln bestimmt waren. So blieb es bis zur Einverleibung des Kirchenstaates in das Königreich Italien. Die kurze Episode der Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes durch Napoleon den Ersten kann füglich unerörtert bleiben. Die Losreißung der Romagna, der Marken und Andricus, die Einigung des Königreichs Italien, obwohl vom Papste nicht anerkannt, ließen zunächst die päpstliche Stellung noch unberührt. Anders wurde es mit dem vollständigen Untergange der weltlichen Herrschaft des Papstes im Jahre 1870. Die Vernichtung des Kirchenstaates und der Einzug der Italiener in Rom nach Einschießung der Bresche bei der Porta Pia vollzog sich durch den anerkannten Völkerrechtstitel der Eroberung. Damit ging die volle und uneingeschränkte Staatsgewalt über das bisher noch vom Papste beherrschte Gebiet auf das Königreich Italien über. Alles Eigentum des Papsttums als solchen wurde italienisches Staatseigentum, der Papst wäre als italienischer Untertan aus der VMcrrechtsgemeinschaft ausgeschieden gewesen. Das italienische Garantiegesetz vom 13 Mai 1871 hat diese Rechtswirkungen der völkerrechtlichen Eroberung des Kirchenstaates zwar nicht aufgehoben, aber abgeschwächt. Danach ist der Papst nach wie vor heilig und unverletzlich, Angriffe auf seine Person werden ebenso bestraft wie solche auf die Person des Königs. Er genießt seitens der italienischen Regierung die Ehren eines Souveräns mit dem Ehrenvorrang, den ihm die katholischen Souveräne zugestehen. Er darf sich eine Leibgarde halten — unbeschadet der Verpflichtung ihrer Mitglieder gegen die Staatsgesetze. Die italienische Regierung zahlt dem Papsttum und Zwar auch während des Interregnums eine jährliche Rente von 3225000 Lire, frei von allen Abgaben. Der Papst hat den „Nießbrauch" an den apostolischen Palästen von Vatikan. Lateran und Castel Gandolfo nebst Zubehör, die samt -den dort befindlichen Museen, der Bibliothek und den Sammlungen für Kanst und Altertümer unveräußerlich und steuerfrei sind. Das Konklave und die ökonomischen Konzilien sind frei. Kein Staatsbeamter darf ohne Genehmigung des Papstes, des Konklaves oder des Konzils in die apostolischen Paläste ein¬ dringen. Untersuchungen und Beschlagnahmen bei den päpstlichen Ämtern find untersagt. Die beim Papste beglaubigten Gesandten erfreuen sich aller völkerrechtlichen Vorrechte und Befreiungen. Der Papst genießt volle Freiheit des Briefwechsels mit der ganzen katholischen Welt. Zu diesem Zwecke wird im Vatikan ein päpstliches Post- und Telegraphenamt eingerichtet, dessen Sendungen, wenn sie mit dem päpstlichen Amtssiegel versehen sind, im italienischen Staatsgebiete frei befördert werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/334>, abgerufen am 22.07.2024.