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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Deutschlands Anteil am Suezkanal

weitem größte Teil des Verkehrs vom Indischen und Großen Ozean nach
Europa -- der bedeutendste Warenstrom der Erde überhaupt nächst dem zwischen
Amerika und Europa -- führt vom Suezkanal, wie gesagt, durch das Mittel¬
meer direkt nach Westeuropa oder Südeuropa. . . ."

Trotzdem das Rote Meer der Segelschiffahrt große Hindernisse entgegen¬
stellte, hat die nur schmale Landenge von Suez schon in uralter Zeit den
Wunsch erweckt, eine Wasserverbindung herzustellen, jedoch nicht durch unmittel¬
bare nord-südliche Verbindung der beiden Meere, wie sie der jetzige Kanal
bedeutet, sondern unter Benutzung des Nils. Nach der Darstellung griechischer
Historiker und Geographen wurde dieser Schiffahrtsweg, bereits unter Ramses
dem Zweiten (um 1300 v. Chr.) begonnen, bei Bubastis (nordöstlich von Kairo)
vom Nil abgezweigt "und ging durch das Wadi TumWt, einen tiefen Ein¬
schnitt in das Wüstenplateau, zum Bielersee auf dem Isthmus von Suez und
von hier zur Nordspitze des Roten Meeres"*). Fortsetzer des Werkes waren
Necho, König von Ägypten, und vor allem der Perser Darms. Dieser ver¬
kündet auf einer am Suezkanal gefundenen Inschrift**): "Es spricht der König
Darius: Ich bin Perser. Von Persten aus eroberte ich Ägypten. Ich befahl
diesen Kanal zu graben von dem Strome namens Nil, der in Ägypten fließt,
nach dem Meere, das von Persien ausgeht. Es wurde dieser Kanal gegraben
so, wie ich befohlen hatte, und Schiffe fuhren von Ägypten durch diesen Kanal
nach Persien so, wie es mein Wille war." Ob der Durchstich wirklich ganz
ausgeführt war. geht aus den Worten des Königs nicht klar hervor, da es
denkbar ist, daß man die Schiffe eine kurze Strecke über Land gezogen hat.
Darauf deutet die Angabe eines antiken Geographen hin, der Kanal sei auch von
Darius nicht vollendet worden, da seine Ingenieure eine Niveaudifferenz zwischen
Roten und Mittelmeer angenommen und befürchtet hätten, das Wasser des
Roten Meeres werde Ägypten überschwemmen. Erst die Ptolemäer sollen dann
den Durchstich ausgeführt und durch Schleusen jene (übrigens nur vermeint¬
liche) Gefahr vermieden haben; diese Schiffahrtsverbindung erhielt daher
den Namen Ptolemäuskanal. Seine Schicksale in späteren Jahrhunderten
waren ziemlich bewegte, bis er am Ende des achten nachchristlichen Jahr¬
hunderts von den Arabern aus militärisch-strategischen Gründen zugeschüttet
wurde.

Neunhundert Jahre hat es bedurft, bis der Gedanke eines Kanals wieder
auftauchte. Besonderes Verdienst erwarb sich in dieser Frage Leibniz, der in
einer ausführlichen, wohlbegründeten Denkschrift "Os expeäitione ^LMptiaea
I^uciovico XIV reZi l^ranLias proponenäZ," darlegte, der Herr Ägyptens
könne sich die Menschheit verpflichten, wenn er das Rote Meer durch einen




*) Dies alte Kanalbett benutzte man bei dem Bau des jetzigen teilweise für den Sü߬
wasserkanal, der den Seekanal begleitet.
**) Vergleiche F. H. Weißbach in der "Vorderasiatischen Bibliothek", Band III.
16*
Deutschlands Anteil am Suezkanal

weitem größte Teil des Verkehrs vom Indischen und Großen Ozean nach
Europa — der bedeutendste Warenstrom der Erde überhaupt nächst dem zwischen
Amerika und Europa — führt vom Suezkanal, wie gesagt, durch das Mittel¬
meer direkt nach Westeuropa oder Südeuropa. . . ."

Trotzdem das Rote Meer der Segelschiffahrt große Hindernisse entgegen¬
stellte, hat die nur schmale Landenge von Suez schon in uralter Zeit den
Wunsch erweckt, eine Wasserverbindung herzustellen, jedoch nicht durch unmittel¬
bare nord-südliche Verbindung der beiden Meere, wie sie der jetzige Kanal
bedeutet, sondern unter Benutzung des Nils. Nach der Darstellung griechischer
Historiker und Geographen wurde dieser Schiffahrtsweg, bereits unter Ramses
dem Zweiten (um 1300 v. Chr.) begonnen, bei Bubastis (nordöstlich von Kairo)
vom Nil abgezweigt „und ging durch das Wadi TumWt, einen tiefen Ein¬
schnitt in das Wüstenplateau, zum Bielersee auf dem Isthmus von Suez und
von hier zur Nordspitze des Roten Meeres"*). Fortsetzer des Werkes waren
Necho, König von Ägypten, und vor allem der Perser Darms. Dieser ver¬
kündet auf einer am Suezkanal gefundenen Inschrift**): „Es spricht der König
Darius: Ich bin Perser. Von Persten aus eroberte ich Ägypten. Ich befahl
diesen Kanal zu graben von dem Strome namens Nil, der in Ägypten fließt,
nach dem Meere, das von Persien ausgeht. Es wurde dieser Kanal gegraben
so, wie ich befohlen hatte, und Schiffe fuhren von Ägypten durch diesen Kanal
nach Persien so, wie es mein Wille war." Ob der Durchstich wirklich ganz
ausgeführt war. geht aus den Worten des Königs nicht klar hervor, da es
denkbar ist, daß man die Schiffe eine kurze Strecke über Land gezogen hat.
Darauf deutet die Angabe eines antiken Geographen hin, der Kanal sei auch von
Darius nicht vollendet worden, da seine Ingenieure eine Niveaudifferenz zwischen
Roten und Mittelmeer angenommen und befürchtet hätten, das Wasser des
Roten Meeres werde Ägypten überschwemmen. Erst die Ptolemäer sollen dann
den Durchstich ausgeführt und durch Schleusen jene (übrigens nur vermeint¬
liche) Gefahr vermieden haben; diese Schiffahrtsverbindung erhielt daher
den Namen Ptolemäuskanal. Seine Schicksale in späteren Jahrhunderten
waren ziemlich bewegte, bis er am Ende des achten nachchristlichen Jahr¬
hunderts von den Arabern aus militärisch-strategischen Gründen zugeschüttet
wurde.

Neunhundert Jahre hat es bedurft, bis der Gedanke eines Kanals wieder
auftauchte. Besonderes Verdienst erwarb sich in dieser Frage Leibniz, der in
einer ausführlichen, wohlbegründeten Denkschrift „Os expeäitione ^LMptiaea
I^uciovico XIV reZi l^ranLias proponenäZ," darlegte, der Herr Ägyptens
könne sich die Menschheit verpflichten, wenn er das Rote Meer durch einen




*) Dies alte Kanalbett benutzte man bei dem Bau des jetzigen teilweise für den Sü߬
wasserkanal, der den Seekanal begleitet.
**) Vergleiche F. H. Weißbach in der „Vorderasiatischen Bibliothek", Band III.
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[0239] Deutschlands Anteil am Suezkanal weitem größte Teil des Verkehrs vom Indischen und Großen Ozean nach Europa — der bedeutendste Warenstrom der Erde überhaupt nächst dem zwischen Amerika und Europa — führt vom Suezkanal, wie gesagt, durch das Mittel¬ meer direkt nach Westeuropa oder Südeuropa. . . ." Trotzdem das Rote Meer der Segelschiffahrt große Hindernisse entgegen¬ stellte, hat die nur schmale Landenge von Suez schon in uralter Zeit den Wunsch erweckt, eine Wasserverbindung herzustellen, jedoch nicht durch unmittel¬ bare nord-südliche Verbindung der beiden Meere, wie sie der jetzige Kanal bedeutet, sondern unter Benutzung des Nils. Nach der Darstellung griechischer Historiker und Geographen wurde dieser Schiffahrtsweg, bereits unter Ramses dem Zweiten (um 1300 v. Chr.) begonnen, bei Bubastis (nordöstlich von Kairo) vom Nil abgezweigt „und ging durch das Wadi TumWt, einen tiefen Ein¬ schnitt in das Wüstenplateau, zum Bielersee auf dem Isthmus von Suez und von hier zur Nordspitze des Roten Meeres"*). Fortsetzer des Werkes waren Necho, König von Ägypten, und vor allem der Perser Darms. Dieser ver¬ kündet auf einer am Suezkanal gefundenen Inschrift**): „Es spricht der König Darius: Ich bin Perser. Von Persten aus eroberte ich Ägypten. Ich befahl diesen Kanal zu graben von dem Strome namens Nil, der in Ägypten fließt, nach dem Meere, das von Persien ausgeht. Es wurde dieser Kanal gegraben so, wie ich befohlen hatte, und Schiffe fuhren von Ägypten durch diesen Kanal nach Persien so, wie es mein Wille war." Ob der Durchstich wirklich ganz ausgeführt war. geht aus den Worten des Königs nicht klar hervor, da es denkbar ist, daß man die Schiffe eine kurze Strecke über Land gezogen hat. Darauf deutet die Angabe eines antiken Geographen hin, der Kanal sei auch von Darius nicht vollendet worden, da seine Ingenieure eine Niveaudifferenz zwischen Roten und Mittelmeer angenommen und befürchtet hätten, das Wasser des Roten Meeres werde Ägypten überschwemmen. Erst die Ptolemäer sollen dann den Durchstich ausgeführt und durch Schleusen jene (übrigens nur vermeint¬ liche) Gefahr vermieden haben; diese Schiffahrtsverbindung erhielt daher den Namen Ptolemäuskanal. Seine Schicksale in späteren Jahrhunderten waren ziemlich bewegte, bis er am Ende des achten nachchristlichen Jahr¬ hunderts von den Arabern aus militärisch-strategischen Gründen zugeschüttet wurde. Neunhundert Jahre hat es bedurft, bis der Gedanke eines Kanals wieder auftauchte. Besonderes Verdienst erwarb sich in dieser Frage Leibniz, der in einer ausführlichen, wohlbegründeten Denkschrift „Os expeäitione ^LMptiaea I^uciovico XIV reZi l^ranLias proponenäZ," darlegte, der Herr Ägyptens könne sich die Menschheit verpflichten, wenn er das Rote Meer durch einen *) Dies alte Kanalbett benutzte man bei dem Bau des jetzigen teilweise für den Sü߬ wasserkanal, der den Seekanal begleitet. **) Vergleiche F. H. Weißbach in der „Vorderasiatischen Bibliothek", Band III. 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/239>, abgerufen am 22.07.2024.