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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Mlitärgeogrciphischc Skizze der russischen Gstsceknste

Schweiz" bis zu 313 Meter Höhe erreicht. Im Süden Livlands mündet das
tiefer eingegrabene Tal der Dura in weiter Niederung in die Rigaer Bucht.
Kurland schließlich erhebt sich wieder zu einem fast 200 Meter hohen diluvialen
Plateau.

Wie verschieden ist dagegen das Hinterland der finnischen Küsten. Hier
entblößte das Inlandeis das feste G?stein von der vormaligen Verwitterungs¬
hülle, hier hobelte es, durch die Härteunterschiede der Gesteine lebhaft unterstützt,
eine verwirrende Fülle von Tälern und flachen Becken aus, die große und kleine,
vielgestaltige Seen zwischen rundlichen Kuppen und Rücken bergen. Das jugend¬
liche Wassernetz mit den Stromschnellen und Wasserfälle bildenden Flüssen und
den ruhigen Seen, die nicht weniger als 12 Prozent von Finnlands Fläche
bedecken, die zahlreichen Sümpfe und Moore, die dazwischen gestreuten schmucken
Siedelungen eines gebildeten und arbeitsamen Volkes, und nicht zuletzt die
prächtigen Waldriesen der Tannen und Kiefern, zu denen sich an der Südküste
noch Eiche, Linde und Ulme gesellen, bieten uns das zauberhafte, aber
ernste Schönheitsbild der finnischen Landschaft. Freilich fehlt es auch hier nicht
an den Ablagerungen des zurückweichenden Eises, die hier und da das Land
lückenhaft bedecken. Da liegen Tone und Sande des Meeres, das gegen Ende
der Eiszeit die tieferen Landesteile überflutete, da ziehen sich langgestreckte Osar
hin, unter dem Eise in Schmelzwasserkanälen aufgehäufte Sandwälle in der
Bewegungsrichtung des Gletschers, und die innere finnische Seenplatte begrenzt
im Süden eine breite Schwelle, Salpau Sella genannt, die zwei große End¬
moränenwälle trägt. Es ist klar, daß in einer solchen Landschaft die fruchtbare
Ackerkrume nur spärlich verbreitet ist.

Diese Betrachtungen haben den aufmerksamen Leser schon ahnen lassen, wie
mannigfaltig nun die einzelnen Küstenstrecken beschaffen sein müssen. Am bott-
nischen Busen zieht sich im nördlichen Teil ein breiter Schwemmlandsstreifen
mit vielen Sümpfen entlang, aus dem einzelne Kuppen des Grundgebirges
aufragen. Die meist flache Küste ist daher sehr unregelmäßig durch Buchten
und Vorsprünge gegliedert. Die Urgebirgsinselgruppe der Quarren, die nach
Umea in Schweden weist, und die sie verbindende Eisdecke überschritt bekanntlich
im März 1809 der russische General Barclay de Tolln mit einer Armeeabteilung,
bis der Befehl zur Rückkehr seinen Einmarsch in Schweden verhinderte. Von
Kristinestad an beginnt das Urgebirge die Küste zu bilden, und ein dichter
Schärengürtel begleitet nun das West- und Südufer Finnlands. Dieses Gewirr
von Jnselchen entstand infolge des Untertauchens des von den Gletschern zu
Nundbuckeln abgeschliffenen Landes. Es leuchtet ein, daß die Schiffahrt in
diesen Gewässern trotz vorzüglicher Seekarten nicht ungefährlich ist. Den Hinter¬
grund des finnischen Meerbusens, die Kronstädter Bucht, umsäumt Flachküste.
Aus dem Ladogasee durchströmt sie die kurze, aber breite und tiefe Newa, auf
deren teils sumpfigen, teils sandigen Deltainseln der eiserne Wille Peters des
Großen eine Stadt entstehen ließ, deren heiliger und stolzer Name nunmehr in


Mlitärgeogrciphischc Skizze der russischen Gstsceknste

Schweiz" bis zu 313 Meter Höhe erreicht. Im Süden Livlands mündet das
tiefer eingegrabene Tal der Dura in weiter Niederung in die Rigaer Bucht.
Kurland schließlich erhebt sich wieder zu einem fast 200 Meter hohen diluvialen
Plateau.

Wie verschieden ist dagegen das Hinterland der finnischen Küsten. Hier
entblößte das Inlandeis das feste G?stein von der vormaligen Verwitterungs¬
hülle, hier hobelte es, durch die Härteunterschiede der Gesteine lebhaft unterstützt,
eine verwirrende Fülle von Tälern und flachen Becken aus, die große und kleine,
vielgestaltige Seen zwischen rundlichen Kuppen und Rücken bergen. Das jugend¬
liche Wassernetz mit den Stromschnellen und Wasserfälle bildenden Flüssen und
den ruhigen Seen, die nicht weniger als 12 Prozent von Finnlands Fläche
bedecken, die zahlreichen Sümpfe und Moore, die dazwischen gestreuten schmucken
Siedelungen eines gebildeten und arbeitsamen Volkes, und nicht zuletzt die
prächtigen Waldriesen der Tannen und Kiefern, zu denen sich an der Südküste
noch Eiche, Linde und Ulme gesellen, bieten uns das zauberhafte, aber
ernste Schönheitsbild der finnischen Landschaft. Freilich fehlt es auch hier nicht
an den Ablagerungen des zurückweichenden Eises, die hier und da das Land
lückenhaft bedecken. Da liegen Tone und Sande des Meeres, das gegen Ende
der Eiszeit die tieferen Landesteile überflutete, da ziehen sich langgestreckte Osar
hin, unter dem Eise in Schmelzwasserkanälen aufgehäufte Sandwälle in der
Bewegungsrichtung des Gletschers, und die innere finnische Seenplatte begrenzt
im Süden eine breite Schwelle, Salpau Sella genannt, die zwei große End¬
moränenwälle trägt. Es ist klar, daß in einer solchen Landschaft die fruchtbare
Ackerkrume nur spärlich verbreitet ist.

Diese Betrachtungen haben den aufmerksamen Leser schon ahnen lassen, wie
mannigfaltig nun die einzelnen Küstenstrecken beschaffen sein müssen. Am bott-
nischen Busen zieht sich im nördlichen Teil ein breiter Schwemmlandsstreifen
mit vielen Sümpfen entlang, aus dem einzelne Kuppen des Grundgebirges
aufragen. Die meist flache Küste ist daher sehr unregelmäßig durch Buchten
und Vorsprünge gegliedert. Die Urgebirgsinselgruppe der Quarren, die nach
Umea in Schweden weist, und die sie verbindende Eisdecke überschritt bekanntlich
im März 1809 der russische General Barclay de Tolln mit einer Armeeabteilung,
bis der Befehl zur Rückkehr seinen Einmarsch in Schweden verhinderte. Von
Kristinestad an beginnt das Urgebirge die Küste zu bilden, und ein dichter
Schärengürtel begleitet nun das West- und Südufer Finnlands. Dieses Gewirr
von Jnselchen entstand infolge des Untertauchens des von den Gletschern zu
Nundbuckeln abgeschliffenen Landes. Es leuchtet ein, daß die Schiffahrt in
diesen Gewässern trotz vorzüglicher Seekarten nicht ungefährlich ist. Den Hinter¬
grund des finnischen Meerbusens, die Kronstädter Bucht, umsäumt Flachküste.
Aus dem Ladogasee durchströmt sie die kurze, aber breite und tiefe Newa, auf
deren teils sumpfigen, teils sandigen Deltainseln der eiserne Wille Peters des
Großen eine Stadt entstehen ließ, deren heiliger und stolzer Name nunmehr in


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[0082] Mlitärgeogrciphischc Skizze der russischen Gstsceknste Schweiz" bis zu 313 Meter Höhe erreicht. Im Süden Livlands mündet das tiefer eingegrabene Tal der Dura in weiter Niederung in die Rigaer Bucht. Kurland schließlich erhebt sich wieder zu einem fast 200 Meter hohen diluvialen Plateau. Wie verschieden ist dagegen das Hinterland der finnischen Küsten. Hier entblößte das Inlandeis das feste G?stein von der vormaligen Verwitterungs¬ hülle, hier hobelte es, durch die Härteunterschiede der Gesteine lebhaft unterstützt, eine verwirrende Fülle von Tälern und flachen Becken aus, die große und kleine, vielgestaltige Seen zwischen rundlichen Kuppen und Rücken bergen. Das jugend¬ liche Wassernetz mit den Stromschnellen und Wasserfälle bildenden Flüssen und den ruhigen Seen, die nicht weniger als 12 Prozent von Finnlands Fläche bedecken, die zahlreichen Sümpfe und Moore, die dazwischen gestreuten schmucken Siedelungen eines gebildeten und arbeitsamen Volkes, und nicht zuletzt die prächtigen Waldriesen der Tannen und Kiefern, zu denen sich an der Südküste noch Eiche, Linde und Ulme gesellen, bieten uns das zauberhafte, aber ernste Schönheitsbild der finnischen Landschaft. Freilich fehlt es auch hier nicht an den Ablagerungen des zurückweichenden Eises, die hier und da das Land lückenhaft bedecken. Da liegen Tone und Sande des Meeres, das gegen Ende der Eiszeit die tieferen Landesteile überflutete, da ziehen sich langgestreckte Osar hin, unter dem Eise in Schmelzwasserkanälen aufgehäufte Sandwälle in der Bewegungsrichtung des Gletschers, und die innere finnische Seenplatte begrenzt im Süden eine breite Schwelle, Salpau Sella genannt, die zwei große End¬ moränenwälle trägt. Es ist klar, daß in einer solchen Landschaft die fruchtbare Ackerkrume nur spärlich verbreitet ist. Diese Betrachtungen haben den aufmerksamen Leser schon ahnen lassen, wie mannigfaltig nun die einzelnen Küstenstrecken beschaffen sein müssen. Am bott- nischen Busen zieht sich im nördlichen Teil ein breiter Schwemmlandsstreifen mit vielen Sümpfen entlang, aus dem einzelne Kuppen des Grundgebirges aufragen. Die meist flache Küste ist daher sehr unregelmäßig durch Buchten und Vorsprünge gegliedert. Die Urgebirgsinselgruppe der Quarren, die nach Umea in Schweden weist, und die sie verbindende Eisdecke überschritt bekanntlich im März 1809 der russische General Barclay de Tolln mit einer Armeeabteilung, bis der Befehl zur Rückkehr seinen Einmarsch in Schweden verhinderte. Von Kristinestad an beginnt das Urgebirge die Küste zu bilden, und ein dichter Schärengürtel begleitet nun das West- und Südufer Finnlands. Dieses Gewirr von Jnselchen entstand infolge des Untertauchens des von den Gletschern zu Nundbuckeln abgeschliffenen Landes. Es leuchtet ein, daß die Schiffahrt in diesen Gewässern trotz vorzüglicher Seekarten nicht ungefährlich ist. Den Hinter¬ grund des finnischen Meerbusens, die Kronstädter Bucht, umsäumt Flachküste. Aus dem Ladogasee durchströmt sie die kurze, aber breite und tiefe Newa, auf deren teils sumpfigen, teils sandigen Deltainseln der eiserne Wille Peters des Großen eine Stadt entstehen ließ, deren heiliger und stolzer Name nunmehr in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/82>, abgerufen am 02.07.2024.