Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Militärgeographische Skizze der russischen Gstseeknste

berühmte Sternwarte von Pulkowo gelegen sind. Während also der Untergrund
Finnlands aus steil aufgerichteten Urgesteinen, vorwaltend Gneiß, mächtigen
Granitmassen und anderen alten Eruptivgesteinen und kristallinen Schiefern
besteht, die zu einer flachwelligen Rumpffläche abgehobelt war. ehe die gestaltende
Kraft des Eises die feineren Skulpturen im Gelände besorgte, sehen wir in den
Ostseeprovinzen die von Norden nach Süden immer jünger werdenden, fast
wagerecht gelagerten und meist ungestörten Schichten, die nach Deutschland zu
allmählich in das zerstückelte mitteleuropäische Schollenland übergehen. Ein
schmaler Küstenstreifen am finnischen Meerbusen besteht aus Kambrium, dann
folgen südlich die Kalksteine des Untcrsilur und die Dolomite des Obersilur auf
der Höhe der Insel Ösel, dann bis Riga etwa die Sandsteine des Mitteldevön
und ihre Dolomitabteilungen mit großen Gipslagern im Dünagebiet und Kur¬
land, schließlich oberdevonische Sandsteine sowie Peru und Jurakalke bis zur
deutschen Grenze hin. Alle diese Sedimentgruppen, über deren Ausdehnung
und Mächtigkeit uns zahlreiche Tiefbohrungen belehren, sind meist ganz von
den diluvialen Ablagerungen der Eiszeit verhüllt, denen diese Provinzen ihre
Ackerkrume verdanken.

Will man im einzelnen natürliche Landschaften sondern, so kann man am
besten in Zonen parallel dem Ostseegestade gliedern. In einer Entfernung von
300 bis 400 Kilometer vom Meere umschließt der westrussische Landrücken die
russischen Ostseeprovinzen. Er bildet die Fortsetzung des verzwickten Endmoränen-
gebiets der ostpreußischen Seenregion, die Hindenburgs kluge Berechnung zur
Vernichtung der Russen benutzte. Dieser Rücken trägt auch bis zu den Waldai-
höhen südlich des Ladogasees denselben Landschaftscharakter. Nur mäßig hoch,
wenig über 300 Meter, wechseln dichtgedrängte Moränenzüge mit zahlreichen
buntgestalteteu Wasserflächen und mit dichten Wald- und Sumpfgebieten. strecken¬
weise bildet er die kontinentale Hauptwasserscheide, nur Dura und Njemen
durchbrechen ihn. Westlich dieses Höhenrückens folgt nun zunächst ein breiter
Tieflandsstreifen vom unteren Njemen über die Dura bis zum Ladogasee,
vielleicht ein Urstromtal, das einst den Schmelzwässern des zurückweichenden
Eisrandes zum Abfluß diente. Im Westen reihen sich nun die eigentlichen
baltischen Provinzen an mit einer Reihe von Plateaustücken, die von breiten
Niederungen unterbrochen werden. Am Südufer des finnischen Meerbusens erhebt
sich die schon erwähnte, nur teilweise von Gletscherschnee bedeckte Tafel alt¬
paläozoischen Gesteins. Besonders im Westen tritt sie dicht an die Küste heran,
ist stark gebuchtet und von zahllosen Felsinselchen (Schären) begleitet, deren
Klippen dem kleinen Kreuzer "Magdeburg" so verhängnisvoll geworden waren.
Die tiefe senke des Peipussees teilt die Tafel in das westliche Estland und das
östliche Ingermanland mit der Newaniederung. Die silurischen flachen Inseln
Dagö, Ösel und Moon engen den Eingang zu der seichten Rigaer Bucht ein.
Zwischen deren niedriger Küste und dem Peipussee dehnt sich Livland aus, ein
welliges, von Gletscherschnee verhülltes Devonplateau, das in der "livländischen


Militärgeographische Skizze der russischen Gstseeknste

berühmte Sternwarte von Pulkowo gelegen sind. Während also der Untergrund
Finnlands aus steil aufgerichteten Urgesteinen, vorwaltend Gneiß, mächtigen
Granitmassen und anderen alten Eruptivgesteinen und kristallinen Schiefern
besteht, die zu einer flachwelligen Rumpffläche abgehobelt war. ehe die gestaltende
Kraft des Eises die feineren Skulpturen im Gelände besorgte, sehen wir in den
Ostseeprovinzen die von Norden nach Süden immer jünger werdenden, fast
wagerecht gelagerten und meist ungestörten Schichten, die nach Deutschland zu
allmählich in das zerstückelte mitteleuropäische Schollenland übergehen. Ein
schmaler Küstenstreifen am finnischen Meerbusen besteht aus Kambrium, dann
folgen südlich die Kalksteine des Untcrsilur und die Dolomite des Obersilur auf
der Höhe der Insel Ösel, dann bis Riga etwa die Sandsteine des Mitteldevön
und ihre Dolomitabteilungen mit großen Gipslagern im Dünagebiet und Kur¬
land, schließlich oberdevonische Sandsteine sowie Peru und Jurakalke bis zur
deutschen Grenze hin. Alle diese Sedimentgruppen, über deren Ausdehnung
und Mächtigkeit uns zahlreiche Tiefbohrungen belehren, sind meist ganz von
den diluvialen Ablagerungen der Eiszeit verhüllt, denen diese Provinzen ihre
Ackerkrume verdanken.

Will man im einzelnen natürliche Landschaften sondern, so kann man am
besten in Zonen parallel dem Ostseegestade gliedern. In einer Entfernung von
300 bis 400 Kilometer vom Meere umschließt der westrussische Landrücken die
russischen Ostseeprovinzen. Er bildet die Fortsetzung des verzwickten Endmoränen-
gebiets der ostpreußischen Seenregion, die Hindenburgs kluge Berechnung zur
Vernichtung der Russen benutzte. Dieser Rücken trägt auch bis zu den Waldai-
höhen südlich des Ladogasees denselben Landschaftscharakter. Nur mäßig hoch,
wenig über 300 Meter, wechseln dichtgedrängte Moränenzüge mit zahlreichen
buntgestalteteu Wasserflächen und mit dichten Wald- und Sumpfgebieten. strecken¬
weise bildet er die kontinentale Hauptwasserscheide, nur Dura und Njemen
durchbrechen ihn. Westlich dieses Höhenrückens folgt nun zunächst ein breiter
Tieflandsstreifen vom unteren Njemen über die Dura bis zum Ladogasee,
vielleicht ein Urstromtal, das einst den Schmelzwässern des zurückweichenden
Eisrandes zum Abfluß diente. Im Westen reihen sich nun die eigentlichen
baltischen Provinzen an mit einer Reihe von Plateaustücken, die von breiten
Niederungen unterbrochen werden. Am Südufer des finnischen Meerbusens erhebt
sich die schon erwähnte, nur teilweise von Gletscherschnee bedeckte Tafel alt¬
paläozoischen Gesteins. Besonders im Westen tritt sie dicht an die Küste heran,
ist stark gebuchtet und von zahllosen Felsinselchen (Schären) begleitet, deren
Klippen dem kleinen Kreuzer „Magdeburg" so verhängnisvoll geworden waren.
Die tiefe senke des Peipussees teilt die Tafel in das westliche Estland und das
östliche Ingermanland mit der Newaniederung. Die silurischen flachen Inseln
Dagö, Ösel und Moon engen den Eingang zu der seichten Rigaer Bucht ein.
Zwischen deren niedriger Küste und dem Peipussee dehnt sich Livland aus, ein
welliges, von Gletscherschnee verhülltes Devonplateau, das in der „livländischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329309"/>
          <fw type="header" place="top"> Militärgeographische Skizze der russischen Gstseeknste</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_196" prev="#ID_195"> berühmte Sternwarte von Pulkowo gelegen sind. Während also der Untergrund<lb/>
Finnlands aus steil aufgerichteten Urgesteinen, vorwaltend Gneiß, mächtigen<lb/>
Granitmassen und anderen alten Eruptivgesteinen und kristallinen Schiefern<lb/>
besteht, die zu einer flachwelligen Rumpffläche abgehobelt war. ehe die gestaltende<lb/>
Kraft des Eises die feineren Skulpturen im Gelände besorgte, sehen wir in den<lb/>
Ostseeprovinzen die von Norden nach Süden immer jünger werdenden, fast<lb/>
wagerecht gelagerten und meist ungestörten Schichten, die nach Deutschland zu<lb/>
allmählich in das zerstückelte mitteleuropäische Schollenland übergehen. Ein<lb/>
schmaler Küstenstreifen am finnischen Meerbusen besteht aus Kambrium, dann<lb/>
folgen südlich die Kalksteine des Untcrsilur und die Dolomite des Obersilur auf<lb/>
der Höhe der Insel Ösel, dann bis Riga etwa die Sandsteine des Mitteldevön<lb/>
und ihre Dolomitabteilungen mit großen Gipslagern im Dünagebiet und Kur¬<lb/>
land, schließlich oberdevonische Sandsteine sowie Peru und Jurakalke bis zur<lb/>
deutschen Grenze hin. Alle diese Sedimentgruppen, über deren Ausdehnung<lb/>
und Mächtigkeit uns zahlreiche Tiefbohrungen belehren, sind meist ganz von<lb/>
den diluvialen Ablagerungen der Eiszeit verhüllt, denen diese Provinzen ihre<lb/>
Ackerkrume verdanken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_197" next="#ID_198"> Will man im einzelnen natürliche Landschaften sondern, so kann man am<lb/>
besten in Zonen parallel dem Ostseegestade gliedern. In einer Entfernung von<lb/>
300 bis 400 Kilometer vom Meere umschließt der westrussische Landrücken die<lb/>
russischen Ostseeprovinzen. Er bildet die Fortsetzung des verzwickten Endmoränen-<lb/>
gebiets der ostpreußischen Seenregion, die Hindenburgs kluge Berechnung zur<lb/>
Vernichtung der Russen benutzte. Dieser Rücken trägt auch bis zu den Waldai-<lb/>
höhen südlich des Ladogasees denselben Landschaftscharakter. Nur mäßig hoch,<lb/>
wenig über 300 Meter, wechseln dichtgedrängte Moränenzüge mit zahlreichen<lb/>
buntgestalteteu Wasserflächen und mit dichten Wald- und Sumpfgebieten. strecken¬<lb/>
weise bildet er die kontinentale Hauptwasserscheide, nur Dura und Njemen<lb/>
durchbrechen ihn. Westlich dieses Höhenrückens folgt nun zunächst ein breiter<lb/>
Tieflandsstreifen vom unteren Njemen über die Dura bis zum Ladogasee,<lb/>
vielleicht ein Urstromtal, das einst den Schmelzwässern des zurückweichenden<lb/>
Eisrandes zum Abfluß diente. Im Westen reihen sich nun die eigentlichen<lb/>
baltischen Provinzen an mit einer Reihe von Plateaustücken, die von breiten<lb/>
Niederungen unterbrochen werden. Am Südufer des finnischen Meerbusens erhebt<lb/>
sich die schon erwähnte, nur teilweise von Gletscherschnee bedeckte Tafel alt¬<lb/>
paläozoischen Gesteins. Besonders im Westen tritt sie dicht an die Küste heran,<lb/>
ist stark gebuchtet und von zahllosen Felsinselchen (Schären) begleitet, deren<lb/>
Klippen dem kleinen Kreuzer &#x201E;Magdeburg" so verhängnisvoll geworden waren.<lb/>
Die tiefe senke des Peipussees teilt die Tafel in das westliche Estland und das<lb/>
östliche Ingermanland mit der Newaniederung. Die silurischen flachen Inseln<lb/>
Dagö, Ösel und Moon engen den Eingang zu der seichten Rigaer Bucht ein.<lb/>
Zwischen deren niedriger Küste und dem Peipussee dehnt sich Livland aus, ein<lb/>
welliges, von Gletscherschnee verhülltes Devonplateau, das in der &#x201E;livländischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Militärgeographische Skizze der russischen Gstseeknste berühmte Sternwarte von Pulkowo gelegen sind. Während also der Untergrund Finnlands aus steil aufgerichteten Urgesteinen, vorwaltend Gneiß, mächtigen Granitmassen und anderen alten Eruptivgesteinen und kristallinen Schiefern besteht, die zu einer flachwelligen Rumpffläche abgehobelt war. ehe die gestaltende Kraft des Eises die feineren Skulpturen im Gelände besorgte, sehen wir in den Ostseeprovinzen die von Norden nach Süden immer jünger werdenden, fast wagerecht gelagerten und meist ungestörten Schichten, die nach Deutschland zu allmählich in das zerstückelte mitteleuropäische Schollenland übergehen. Ein schmaler Küstenstreifen am finnischen Meerbusen besteht aus Kambrium, dann folgen südlich die Kalksteine des Untcrsilur und die Dolomite des Obersilur auf der Höhe der Insel Ösel, dann bis Riga etwa die Sandsteine des Mitteldevön und ihre Dolomitabteilungen mit großen Gipslagern im Dünagebiet und Kur¬ land, schließlich oberdevonische Sandsteine sowie Peru und Jurakalke bis zur deutschen Grenze hin. Alle diese Sedimentgruppen, über deren Ausdehnung und Mächtigkeit uns zahlreiche Tiefbohrungen belehren, sind meist ganz von den diluvialen Ablagerungen der Eiszeit verhüllt, denen diese Provinzen ihre Ackerkrume verdanken. Will man im einzelnen natürliche Landschaften sondern, so kann man am besten in Zonen parallel dem Ostseegestade gliedern. In einer Entfernung von 300 bis 400 Kilometer vom Meere umschließt der westrussische Landrücken die russischen Ostseeprovinzen. Er bildet die Fortsetzung des verzwickten Endmoränen- gebiets der ostpreußischen Seenregion, die Hindenburgs kluge Berechnung zur Vernichtung der Russen benutzte. Dieser Rücken trägt auch bis zu den Waldai- höhen südlich des Ladogasees denselben Landschaftscharakter. Nur mäßig hoch, wenig über 300 Meter, wechseln dichtgedrängte Moränenzüge mit zahlreichen buntgestalteteu Wasserflächen und mit dichten Wald- und Sumpfgebieten. strecken¬ weise bildet er die kontinentale Hauptwasserscheide, nur Dura und Njemen durchbrechen ihn. Westlich dieses Höhenrückens folgt nun zunächst ein breiter Tieflandsstreifen vom unteren Njemen über die Dura bis zum Ladogasee, vielleicht ein Urstromtal, das einst den Schmelzwässern des zurückweichenden Eisrandes zum Abfluß diente. Im Westen reihen sich nun die eigentlichen baltischen Provinzen an mit einer Reihe von Plateaustücken, die von breiten Niederungen unterbrochen werden. Am Südufer des finnischen Meerbusens erhebt sich die schon erwähnte, nur teilweise von Gletscherschnee bedeckte Tafel alt¬ paläozoischen Gesteins. Besonders im Westen tritt sie dicht an die Küste heran, ist stark gebuchtet und von zahllosen Felsinselchen (Schären) begleitet, deren Klippen dem kleinen Kreuzer „Magdeburg" so verhängnisvoll geworden waren. Die tiefe senke des Peipussees teilt die Tafel in das westliche Estland und das östliche Ingermanland mit der Newaniederung. Die silurischen flachen Inseln Dagö, Ösel und Moon engen den Eingang zu der seichten Rigaer Bucht ein. Zwischen deren niedriger Küste und dem Peipussee dehnt sich Livland aus, ein welliges, von Gletscherschnee verhülltes Devonplateau, das in der „livländischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/81>, abgerufen am 02.07.2024.