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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Petersburg oder Petrograd?

n meinen Aufsätzen über Rußland verwende ich als Bezeichnung
für seine Hauptstadt teils den Namen Se. Petersburg, teils
Petrograd. Einmal abgesehen von allem Politischen, lasse ich
mich dazu von philologischer Korrektheit leiten, deren Wert jeder
historische Forscher oft genug schätzen gelernt hat. Dinge, die vor der
Kriegserklärung liegen und mit Rußlands Hauptstadt im Zusammenhange stehen,
lasse ich in "Petersburg", Dinge, die nach dem Ausbruch des Krieges statt¬
gefunden haben, in "Petrograd" geschehen.

Nun sind den Grenzboten und auch anderen Organen, in denen ich von
"Petrograd" schrieb, so der Kölnischen Zeitung, aus dem Leserkreise zahlreiche Be¬
merkungen zugegangen, die im Grunde genommen in der Frage gipfelten,
ob ich denn auch dazu beitragen wollte, die Erinnerung an die
Leistungen des Deutschtums, die doch in dem Namen Petersburg
verkörpert ist, so schnell als möglich auszulöschen.

Das will ich selbstverständlich nicht. Aber ich halte es doch sür not¬
wendig, wenigstens für die Dauer des Krieges, überall da an der Bezeichnung Petro¬
grad festzuhalten, wo es sich darum handelt, Fragen zu erörtern, die seit dem Kriegs¬
ausbruch aktuell sind. Denn Petrograd ist nicht eine Unterdrückung jener
Erinnerung an die Leistungen des Deutschtums, sie ist in erster Linie ein
Kampfruf für alle Freunde des deutschen Volkes in Rußland und für die geistigen
Führer der Russen, die einen Zusammenhang mit Europa anstreben und die
Peter den Ersten gerade darum den Großen nennen, weil er mit Peters-


Grenzboten IV 1914 5


Petersburg oder Petrograd?

n meinen Aufsätzen über Rußland verwende ich als Bezeichnung
für seine Hauptstadt teils den Namen Se. Petersburg, teils
Petrograd. Einmal abgesehen von allem Politischen, lasse ich
mich dazu von philologischer Korrektheit leiten, deren Wert jeder
historische Forscher oft genug schätzen gelernt hat. Dinge, die vor der
Kriegserklärung liegen und mit Rußlands Hauptstadt im Zusammenhange stehen,
lasse ich in „Petersburg", Dinge, die nach dem Ausbruch des Krieges statt¬
gefunden haben, in „Petrograd" geschehen.

Nun sind den Grenzboten und auch anderen Organen, in denen ich von
„Petrograd" schrieb, so der Kölnischen Zeitung, aus dem Leserkreise zahlreiche Be¬
merkungen zugegangen, die im Grunde genommen in der Frage gipfelten,
ob ich denn auch dazu beitragen wollte, die Erinnerung an die
Leistungen des Deutschtums, die doch in dem Namen Petersburg
verkörpert ist, so schnell als möglich auszulöschen.

Das will ich selbstverständlich nicht. Aber ich halte es doch sür not¬
wendig, wenigstens für die Dauer des Krieges, überall da an der Bezeichnung Petro¬
grad festzuhalten, wo es sich darum handelt, Fragen zu erörtern, die seit dem Kriegs¬
ausbruch aktuell sind. Denn Petrograd ist nicht eine Unterdrückung jener
Erinnerung an die Leistungen des Deutschtums, sie ist in erster Linie ein
Kampfruf für alle Freunde des deutschen Volkes in Rußland und für die geistigen
Führer der Russen, die einen Zusammenhang mit Europa anstreben und die
Peter den Ersten gerade darum den Großen nennen, weil er mit Peters-


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[0077] [Abbildung] Petersburg oder Petrograd? n meinen Aufsätzen über Rußland verwende ich als Bezeichnung für seine Hauptstadt teils den Namen Se. Petersburg, teils Petrograd. Einmal abgesehen von allem Politischen, lasse ich mich dazu von philologischer Korrektheit leiten, deren Wert jeder historische Forscher oft genug schätzen gelernt hat. Dinge, die vor der Kriegserklärung liegen und mit Rußlands Hauptstadt im Zusammenhange stehen, lasse ich in „Petersburg", Dinge, die nach dem Ausbruch des Krieges statt¬ gefunden haben, in „Petrograd" geschehen. Nun sind den Grenzboten und auch anderen Organen, in denen ich von „Petrograd" schrieb, so der Kölnischen Zeitung, aus dem Leserkreise zahlreiche Be¬ merkungen zugegangen, die im Grunde genommen in der Frage gipfelten, ob ich denn auch dazu beitragen wollte, die Erinnerung an die Leistungen des Deutschtums, die doch in dem Namen Petersburg verkörpert ist, so schnell als möglich auszulöschen. Das will ich selbstverständlich nicht. Aber ich halte es doch sür not¬ wendig, wenigstens für die Dauer des Krieges, überall da an der Bezeichnung Petro¬ grad festzuhalten, wo es sich darum handelt, Fragen zu erörtern, die seit dem Kriegs¬ ausbruch aktuell sind. Denn Petrograd ist nicht eine Unterdrückung jener Erinnerung an die Leistungen des Deutschtums, sie ist in erster Linie ein Kampfruf für alle Freunde des deutschen Volkes in Rußland und für die geistigen Führer der Russen, die einen Zusammenhang mit Europa anstreben und die Peter den Ersten gerade darum den Großen nennen, weil er mit Peters- Grenzboten IV 1914 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/77>, abgerufen am 02.07.2024.