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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Kapital im Auslande

Der Betrag von 165 Millionen Pfund Sterling, den England im Jahre
1910 im Auslande angelegt hat, stellt nur einen Teil der Ersparnisse dar, die
die britische Bevölkerung gemacht hat. Weit größer ist das Kapital, das zu
Neuanlagen in England selbst verwendet wurde. Der Statist schätzt die
Ersparnisse des Landes im Jahre 1910 auf 350 Millionen Pfund Sterling,
wovon 209 Millionen durch öffentliche Subskriptionen aufgebraucht wurden,
während der Rest auf private Investitionen entfällt.

Aus den Kapitalanlagen im Auslande zieht Großbritannien Milliarden¬
gewinne, und diesen Gewinnen dankt es in erster Linie die britische Volks¬
wirtschaft, daß sie ohne weiteres eine passive Handelsbilanz zu tragen vermag.
Dieser volkswirtschaftliche Vorteil der ausländischen Kapitalanlagen liegt auf
der Hand; nicht geringer ist der weltpolitische Vorteil, der England daraus
erwächst, daß es sich in so gewaltigem Umfange andere Länder tributpflichtig
macht und sich an der Wirtschaftserschließung fremder Länder beteiligt. Es ist
aber leicht einzusehen, daß es sich dabei auch um eine für England bedenkliche
wirtschaftliche Erscheinung handelt, denn das im Auslande Anlage suchende
englische Kapital verringert den Lohnfonds in der englischen Industrie und es
braucht daher nicht wunder zu nehmen, daß die enorme Zunahme der Summen,
die als Anlagekapital aus England ins Ausland abfließen, in demselben Zeit¬
raume vor sich geht, wo die Beschäftigungslosigkeit in England einen nie
gekannten Umfang erreicht hat. Am bedenklichsten war es, daß man in England
die Landwirtschaft fallen ließ, um Industrie und Handel zu fördern, und daß
man es für vorteilhafter hielt, billigeres Getreide aus überseeischen Ländern
zu beziehen und es mit Fabrikaten zu bezahlen. Die Landwirtschaft ist eben
mehr als eine Quelle des Reichtums, sie ist für jedes Land eine Voraussetzung
seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit, für ein Jnselland wie England geradezu
eine Grundbedingung seiner politischen Sicherheit. Die Jnsellage zeigt da ihre
Kehrseite. England muß die Vernachlässigung, ja die Preisgabe seiner Land¬
wirtschaft teuer bezahlen und dabei erkennen, daß die Sorge und die Sicherung
seiner Volksernährung in Zukunft sich noch verschärfen und sein Geschick früher
oder später bestimmen wird. Eine Niederlage zur See würde England in
unabsehbare Gefahren stürzen.




Alle" Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Slufsiitzc nur "it ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags ""stattet.
Berantwirtlich: der Herausgeber George Cleinow in Bcrliii-Schöneberg, -- Manuskriptsendungen und Brief"
werden erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grenzboten in Berlin-Friedenau, Hcdwigstr. 1".
Femsprech-r der Schristl-itung: Amt Maid ZKW, des Verlags: Amt Lützow "510.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in, S. H, in Berlin SV It.
Druck: .Der Neichibote" "> in. b, H. in Berlin SV 11, Dessauer Striche 3S/27.
Das englische Kapital im Auslande

Der Betrag von 165 Millionen Pfund Sterling, den England im Jahre
1910 im Auslande angelegt hat, stellt nur einen Teil der Ersparnisse dar, die
die britische Bevölkerung gemacht hat. Weit größer ist das Kapital, das zu
Neuanlagen in England selbst verwendet wurde. Der Statist schätzt die
Ersparnisse des Landes im Jahre 1910 auf 350 Millionen Pfund Sterling,
wovon 209 Millionen durch öffentliche Subskriptionen aufgebraucht wurden,
während der Rest auf private Investitionen entfällt.

Aus den Kapitalanlagen im Auslande zieht Großbritannien Milliarden¬
gewinne, und diesen Gewinnen dankt es in erster Linie die britische Volks¬
wirtschaft, daß sie ohne weiteres eine passive Handelsbilanz zu tragen vermag.
Dieser volkswirtschaftliche Vorteil der ausländischen Kapitalanlagen liegt auf
der Hand; nicht geringer ist der weltpolitische Vorteil, der England daraus
erwächst, daß es sich in so gewaltigem Umfange andere Länder tributpflichtig
macht und sich an der Wirtschaftserschließung fremder Länder beteiligt. Es ist
aber leicht einzusehen, daß es sich dabei auch um eine für England bedenkliche
wirtschaftliche Erscheinung handelt, denn das im Auslande Anlage suchende
englische Kapital verringert den Lohnfonds in der englischen Industrie und es
braucht daher nicht wunder zu nehmen, daß die enorme Zunahme der Summen,
die als Anlagekapital aus England ins Ausland abfließen, in demselben Zeit¬
raume vor sich geht, wo die Beschäftigungslosigkeit in England einen nie
gekannten Umfang erreicht hat. Am bedenklichsten war es, daß man in England
die Landwirtschaft fallen ließ, um Industrie und Handel zu fördern, und daß
man es für vorteilhafter hielt, billigeres Getreide aus überseeischen Ländern
zu beziehen und es mit Fabrikaten zu bezahlen. Die Landwirtschaft ist eben
mehr als eine Quelle des Reichtums, sie ist für jedes Land eine Voraussetzung
seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit, für ein Jnselland wie England geradezu
eine Grundbedingung seiner politischen Sicherheit. Die Jnsellage zeigt da ihre
Kehrseite. England muß die Vernachlässigung, ja die Preisgabe seiner Land¬
wirtschaft teuer bezahlen und dabei erkennen, daß die Sorge und die Sicherung
seiner Volksernährung in Zukunft sich noch verschärfen und sein Geschick früher
oder später bestimmen wird. Eine Niederlage zur See würde England in
unabsehbare Gefahren stürzen.




Alle» Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Slufsiitzc nur «it ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags »«stattet.
Berantwirtlich: der Herausgeber George Cleinow in Bcrliii-Schöneberg, — Manuskriptsendungen und Brief»
werden erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grenzboten in Berlin-Friedenau, Hcdwigstr. 1».
Femsprech-r der Schristl-itung: Amt Maid ZKW, des Verlags: Amt Lützow «510.
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[0076] Das englische Kapital im Auslande Der Betrag von 165 Millionen Pfund Sterling, den England im Jahre 1910 im Auslande angelegt hat, stellt nur einen Teil der Ersparnisse dar, die die britische Bevölkerung gemacht hat. Weit größer ist das Kapital, das zu Neuanlagen in England selbst verwendet wurde. Der Statist schätzt die Ersparnisse des Landes im Jahre 1910 auf 350 Millionen Pfund Sterling, wovon 209 Millionen durch öffentliche Subskriptionen aufgebraucht wurden, während der Rest auf private Investitionen entfällt. Aus den Kapitalanlagen im Auslande zieht Großbritannien Milliarden¬ gewinne, und diesen Gewinnen dankt es in erster Linie die britische Volks¬ wirtschaft, daß sie ohne weiteres eine passive Handelsbilanz zu tragen vermag. Dieser volkswirtschaftliche Vorteil der ausländischen Kapitalanlagen liegt auf der Hand; nicht geringer ist der weltpolitische Vorteil, der England daraus erwächst, daß es sich in so gewaltigem Umfange andere Länder tributpflichtig macht und sich an der Wirtschaftserschließung fremder Länder beteiligt. Es ist aber leicht einzusehen, daß es sich dabei auch um eine für England bedenkliche wirtschaftliche Erscheinung handelt, denn das im Auslande Anlage suchende englische Kapital verringert den Lohnfonds in der englischen Industrie und es braucht daher nicht wunder zu nehmen, daß die enorme Zunahme der Summen, die als Anlagekapital aus England ins Ausland abfließen, in demselben Zeit¬ raume vor sich geht, wo die Beschäftigungslosigkeit in England einen nie gekannten Umfang erreicht hat. Am bedenklichsten war es, daß man in England die Landwirtschaft fallen ließ, um Industrie und Handel zu fördern, und daß man es für vorteilhafter hielt, billigeres Getreide aus überseeischen Ländern zu beziehen und es mit Fabrikaten zu bezahlen. Die Landwirtschaft ist eben mehr als eine Quelle des Reichtums, sie ist für jedes Land eine Voraussetzung seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit, für ein Jnselland wie England geradezu eine Grundbedingung seiner politischen Sicherheit. Die Jnsellage zeigt da ihre Kehrseite. England muß die Vernachlässigung, ja die Preisgabe seiner Land¬ wirtschaft teuer bezahlen und dabei erkennen, daß die Sorge und die Sicherung seiner Volksernährung in Zukunft sich noch verschärfen und sein Geschick früher oder später bestimmen wird. Eine Niederlage zur See würde England in unabsehbare Gefahren stürzen. Alle» Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Nachdruck sämtlicher Slufsiitzc nur «it ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags »«stattet. Berantwirtlich: der Herausgeber George Cleinow in Bcrliii-Schöneberg, — Manuskriptsendungen und Brief» werden erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grenzboten in Berlin-Friedenau, Hcdwigstr. 1». Femsprech-r der Schristl-itung: Amt Maid ZKW, des Verlags: Amt Lützow «510. Verlag: Verlag der Grenzboten G. in, S. H, in Berlin SV It. Druck: .Der Neichibote" »> in. b, H. in Berlin SV 11, Dessauer Striche 3S/27.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/76>, abgerufen am 02.07.2024.