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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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England und die Neutralen in den napoleonischen Kriegen

Tapferkeit bei der erdrückenden Übermacht der Feinde bald geschlagen. Schon
vom 1. September ab donnerten 110 Geschütze drei Tage und drei Nächte
ununterbrochen gegen die unglückliche Stadt. Was verschlug es dem Sieger,
daß achtundzwanzig schöne Straßen mit all ihren ragenden Kirchen und Palästen
in Trümmer fielen, daß das wütende Höllenfeuer zweitausend friedliche Bürger
begrub? Das Geschäft war gemacht, man konnte den Gewinn jetzt ruhig in
die Tasche stecken. -- General Penmann, der Befehlshaber von Kopenhagen,
hatte keinen anderen Ausweg, als das Haupt der Belagerer, Arthur Wellesley,
um Waffenstillstand zu bitten und sich der Kapitulation zu unterwerfen. Und
der Sieger ließ sich die "Heldentat" gut bezahlen. Der ganze Kriegshafen
mußte ihm geräumt, die ganze Kriegsflotte ihm übergeben werden. Was an
Maschinen und Geräten in den Werften lag und nicht mitgenommen werden
konnte, wurde von den Engländern gänzlich zertrümmert und zerstört. "Es
war," wie Oncken sagt, "eine Gewalttat ohne gleichen, mitten im Frieden aus¬
geführt wider einen neutralen Staat, dessen einziges Verbrechen seine geringe
Stärke war, und der dafür in Banditenweise aus dem Hinterhalt überfallen,
auf den Tod gewürgt, ausgeraubt und dann röchelnd liegen gelassen ward --
dies war das erste Lebenszeichen einer Politik, die an diesem grellen Beispiel
zeigt, welch tyrannischer Ruchlosigkeit der bewaffnete Krämergeist fähig M, der
auf seinem Element keinen Nebenbuhler duldet."




England und die Neutralen in den napoleonischen Kriegen

Tapferkeit bei der erdrückenden Übermacht der Feinde bald geschlagen. Schon
vom 1. September ab donnerten 110 Geschütze drei Tage und drei Nächte
ununterbrochen gegen die unglückliche Stadt. Was verschlug es dem Sieger,
daß achtundzwanzig schöne Straßen mit all ihren ragenden Kirchen und Palästen
in Trümmer fielen, daß das wütende Höllenfeuer zweitausend friedliche Bürger
begrub? Das Geschäft war gemacht, man konnte den Gewinn jetzt ruhig in
die Tasche stecken. — General Penmann, der Befehlshaber von Kopenhagen,
hatte keinen anderen Ausweg, als das Haupt der Belagerer, Arthur Wellesley,
um Waffenstillstand zu bitten und sich der Kapitulation zu unterwerfen. Und
der Sieger ließ sich die „Heldentat" gut bezahlen. Der ganze Kriegshafen
mußte ihm geräumt, die ganze Kriegsflotte ihm übergeben werden. Was an
Maschinen und Geräten in den Werften lag und nicht mitgenommen werden
konnte, wurde von den Engländern gänzlich zertrümmert und zerstört. „Es
war," wie Oncken sagt, „eine Gewalttat ohne gleichen, mitten im Frieden aus¬
geführt wider einen neutralen Staat, dessen einziges Verbrechen seine geringe
Stärke war, und der dafür in Banditenweise aus dem Hinterhalt überfallen,
auf den Tod gewürgt, ausgeraubt und dann röchelnd liegen gelassen ward —
dies war das erste Lebenszeichen einer Politik, die an diesem grellen Beispiel
zeigt, welch tyrannischer Ruchlosigkeit der bewaffnete Krämergeist fähig M, der
auf seinem Element keinen Nebenbuhler duldet."




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[0409] England und die Neutralen in den napoleonischen Kriegen Tapferkeit bei der erdrückenden Übermacht der Feinde bald geschlagen. Schon vom 1. September ab donnerten 110 Geschütze drei Tage und drei Nächte ununterbrochen gegen die unglückliche Stadt. Was verschlug es dem Sieger, daß achtundzwanzig schöne Straßen mit all ihren ragenden Kirchen und Palästen in Trümmer fielen, daß das wütende Höllenfeuer zweitausend friedliche Bürger begrub? Das Geschäft war gemacht, man konnte den Gewinn jetzt ruhig in die Tasche stecken. — General Penmann, der Befehlshaber von Kopenhagen, hatte keinen anderen Ausweg, als das Haupt der Belagerer, Arthur Wellesley, um Waffenstillstand zu bitten und sich der Kapitulation zu unterwerfen. Und der Sieger ließ sich die „Heldentat" gut bezahlen. Der ganze Kriegshafen mußte ihm geräumt, die ganze Kriegsflotte ihm übergeben werden. Was an Maschinen und Geräten in den Werften lag und nicht mitgenommen werden konnte, wurde von den Engländern gänzlich zertrümmert und zerstört. „Es war," wie Oncken sagt, „eine Gewalttat ohne gleichen, mitten im Frieden aus¬ geführt wider einen neutralen Staat, dessen einziges Verbrechen seine geringe Stärke war, und der dafür in Banditenweise aus dem Hinterhalt überfallen, auf den Tod gewürgt, ausgeraubt und dann röchelnd liegen gelassen ward — dies war das erste Lebenszeichen einer Politik, die an diesem grellen Beispiel zeigt, welch tyrannischer Ruchlosigkeit der bewaffnete Krämergeist fähig M, der auf seinem Element keinen Nebenbuhler duldet."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/409>, abgerufen am 02.07.2024.