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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Der deutsche Staatsgedanke

Und nun tritt Deutschland auf den Plan. Hat es eine vollkommenere
Lösung des Problems zu bieten? Nur diese vermöchte einem Erfolge seines
Schwertes Dauer zu verleihen, nur ihre Erkenntnis die Waffenbrüderschaft
Österreichs und der Türkei aus der Zufälligkeit der Geschichte ins Licht einer
tieferen Bedeutung zu erheben. Sind die Islamvölker, um sich aus der immer
enger werdenden englisch - russischen Umklammerung zu retten, an Deutschlands
Seite getreten, so geschah dies im Vertrauen, daß auch von einem sieg¬
reichen Deutschland ein ähnliches Vorgehen nicht zu erwarten sei -- eine Über¬
zeugung, die sie aus den neuen Wegen der deutschen Orientpolitik unter Wilhelm
dem Zweiten mit Recht schöpfen konnten. So erscheinen denn auch die alten
Methoden der Einflußsphären, der verdeckten und der offenen Besitznahme, um
die durch einen gemeinsamen Sieg gewonnenen Beziehungen auszunützen, für
immer ungangbar. Und dennoch wird auf beiden Seiten das Bedürfnis bestehen,
das in der Stunde der Gefahr geknüpfte Band nicht wieder zu lösen, dennoch
wird Deutschland auf den weltweiten Ausblick bis an die äußersten Grenzen
Asiens, den ihm diese Verbindung gewährt, nicht verzichten wollen und können.

Nach derselben Richtung weist das Bündnis mit der Habsburger Monarchie.
Kein Zweifel, daß das gemeinsam vergossene Blut Ac beiden Reiche unauf¬
löslich zusammenkittet, kein Zweifel auch, daß bei solchem Verhältnis die Stellung
der Deutschen in Österreich gegen jeden möglichen Rückschlag gesichert ist. Aber
ebenso gewiß ist, daß die acht Völkerschaften, die unter den schwarzgelben Farben
in der Stunde der Gefahr mit überwältigender Einhelligkeit zusammenstehen,
sich gerade dadurch einen unzerstörbaren Anspruch auf freie Bahn für ihre
nationale Entwicklung erwerben. Daß sie mit einer Sicherheit des Entschlusses,
die nicht nur die Feinde, sondern auch manche Schwarzseher unter uns über¬
raschte, ihren Platz in diesem Kriege auch mit dem Herzen gewählt haben,
entspringt ja der tiefen, durch die inneren Streitigkeiten der letzten Jahrzehnte
nur oberflächlich getrübten Überzeugung, daß ihre Zukunft trotz aller russischen
Verlockungen doch nur in Österreich gesichert ist. Auf der Fortdauer dieser
Überzeugung beruht Österreichs Kraft; diese wieder ist eine der Grundvoraus¬
setzungen sür die Weltstellung des deutschen Volkes. Die deutsche Vorherrschaft
haben Österreichs Nationalitäten in hartnäckigen politischen Kämpfen abgelehnt;
der deutschen Führung schlössen sie sich freudig an. Und so steht das deutsche
Volk auch hier wieder vor der Aufgabe, seiue Weltstellung aufzubauen auf ganz
anderem Grund als die Geschichte es bisher gekannt.

In der Lösung dieser Aufgabe, zu der dieser Krieg den blutigen Schlüssel
gibt, sehen wir die weltgeschichtliche Mission des größeren Deutschlands.
Als eine einzige Vorbereitungszeit erscheint seine zweitausendjährige Geschichte,
ebenso reich an glänzenden Großtaten wie an furchtbaren Prüfungen. Zwei
Grundzüge geben ihr ihr Gepräge, die schon zur Zeit des Zusammenstoßes mit
den: Nömerreiche des deutschen Volkes weltgeschichtliche Stellung bestimmen, in
ihrem weiteren Verlaufe stets wieder hervortreten und dabei vornehmlich die


Der deutsche Staatsgedanke

Und nun tritt Deutschland auf den Plan. Hat es eine vollkommenere
Lösung des Problems zu bieten? Nur diese vermöchte einem Erfolge seines
Schwertes Dauer zu verleihen, nur ihre Erkenntnis die Waffenbrüderschaft
Österreichs und der Türkei aus der Zufälligkeit der Geschichte ins Licht einer
tieferen Bedeutung zu erheben. Sind die Islamvölker, um sich aus der immer
enger werdenden englisch - russischen Umklammerung zu retten, an Deutschlands
Seite getreten, so geschah dies im Vertrauen, daß auch von einem sieg¬
reichen Deutschland ein ähnliches Vorgehen nicht zu erwarten sei — eine Über¬
zeugung, die sie aus den neuen Wegen der deutschen Orientpolitik unter Wilhelm
dem Zweiten mit Recht schöpfen konnten. So erscheinen denn auch die alten
Methoden der Einflußsphären, der verdeckten und der offenen Besitznahme, um
die durch einen gemeinsamen Sieg gewonnenen Beziehungen auszunützen, für
immer ungangbar. Und dennoch wird auf beiden Seiten das Bedürfnis bestehen,
das in der Stunde der Gefahr geknüpfte Band nicht wieder zu lösen, dennoch
wird Deutschland auf den weltweiten Ausblick bis an die äußersten Grenzen
Asiens, den ihm diese Verbindung gewährt, nicht verzichten wollen und können.

Nach derselben Richtung weist das Bündnis mit der Habsburger Monarchie.
Kein Zweifel, daß das gemeinsam vergossene Blut Ac beiden Reiche unauf¬
löslich zusammenkittet, kein Zweifel auch, daß bei solchem Verhältnis die Stellung
der Deutschen in Österreich gegen jeden möglichen Rückschlag gesichert ist. Aber
ebenso gewiß ist, daß die acht Völkerschaften, die unter den schwarzgelben Farben
in der Stunde der Gefahr mit überwältigender Einhelligkeit zusammenstehen,
sich gerade dadurch einen unzerstörbaren Anspruch auf freie Bahn für ihre
nationale Entwicklung erwerben. Daß sie mit einer Sicherheit des Entschlusses,
die nicht nur die Feinde, sondern auch manche Schwarzseher unter uns über¬
raschte, ihren Platz in diesem Kriege auch mit dem Herzen gewählt haben,
entspringt ja der tiefen, durch die inneren Streitigkeiten der letzten Jahrzehnte
nur oberflächlich getrübten Überzeugung, daß ihre Zukunft trotz aller russischen
Verlockungen doch nur in Österreich gesichert ist. Auf der Fortdauer dieser
Überzeugung beruht Österreichs Kraft; diese wieder ist eine der Grundvoraus¬
setzungen sür die Weltstellung des deutschen Volkes. Die deutsche Vorherrschaft
haben Österreichs Nationalitäten in hartnäckigen politischen Kämpfen abgelehnt;
der deutschen Führung schlössen sie sich freudig an. Und so steht das deutsche
Volk auch hier wieder vor der Aufgabe, seiue Weltstellung aufzubauen auf ganz
anderem Grund als die Geschichte es bisher gekannt.

In der Lösung dieser Aufgabe, zu der dieser Krieg den blutigen Schlüssel
gibt, sehen wir die weltgeschichtliche Mission des größeren Deutschlands.
Als eine einzige Vorbereitungszeit erscheint seine zweitausendjährige Geschichte,
ebenso reich an glänzenden Großtaten wie an furchtbaren Prüfungen. Zwei
Grundzüge geben ihr ihr Gepräge, die schon zur Zeit des Zusammenstoßes mit
den: Nömerreiche des deutschen Volkes weltgeschichtliche Stellung bestimmen, in
ihrem weiteren Verlaufe stets wieder hervortreten und dabei vornehmlich die


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[0400] Der deutsche Staatsgedanke Und nun tritt Deutschland auf den Plan. Hat es eine vollkommenere Lösung des Problems zu bieten? Nur diese vermöchte einem Erfolge seines Schwertes Dauer zu verleihen, nur ihre Erkenntnis die Waffenbrüderschaft Österreichs und der Türkei aus der Zufälligkeit der Geschichte ins Licht einer tieferen Bedeutung zu erheben. Sind die Islamvölker, um sich aus der immer enger werdenden englisch - russischen Umklammerung zu retten, an Deutschlands Seite getreten, so geschah dies im Vertrauen, daß auch von einem sieg¬ reichen Deutschland ein ähnliches Vorgehen nicht zu erwarten sei — eine Über¬ zeugung, die sie aus den neuen Wegen der deutschen Orientpolitik unter Wilhelm dem Zweiten mit Recht schöpfen konnten. So erscheinen denn auch die alten Methoden der Einflußsphären, der verdeckten und der offenen Besitznahme, um die durch einen gemeinsamen Sieg gewonnenen Beziehungen auszunützen, für immer ungangbar. Und dennoch wird auf beiden Seiten das Bedürfnis bestehen, das in der Stunde der Gefahr geknüpfte Band nicht wieder zu lösen, dennoch wird Deutschland auf den weltweiten Ausblick bis an die äußersten Grenzen Asiens, den ihm diese Verbindung gewährt, nicht verzichten wollen und können. Nach derselben Richtung weist das Bündnis mit der Habsburger Monarchie. Kein Zweifel, daß das gemeinsam vergossene Blut Ac beiden Reiche unauf¬ löslich zusammenkittet, kein Zweifel auch, daß bei solchem Verhältnis die Stellung der Deutschen in Österreich gegen jeden möglichen Rückschlag gesichert ist. Aber ebenso gewiß ist, daß die acht Völkerschaften, die unter den schwarzgelben Farben in der Stunde der Gefahr mit überwältigender Einhelligkeit zusammenstehen, sich gerade dadurch einen unzerstörbaren Anspruch auf freie Bahn für ihre nationale Entwicklung erwerben. Daß sie mit einer Sicherheit des Entschlusses, die nicht nur die Feinde, sondern auch manche Schwarzseher unter uns über¬ raschte, ihren Platz in diesem Kriege auch mit dem Herzen gewählt haben, entspringt ja der tiefen, durch die inneren Streitigkeiten der letzten Jahrzehnte nur oberflächlich getrübten Überzeugung, daß ihre Zukunft trotz aller russischen Verlockungen doch nur in Österreich gesichert ist. Auf der Fortdauer dieser Überzeugung beruht Österreichs Kraft; diese wieder ist eine der Grundvoraus¬ setzungen sür die Weltstellung des deutschen Volkes. Die deutsche Vorherrschaft haben Österreichs Nationalitäten in hartnäckigen politischen Kämpfen abgelehnt; der deutschen Führung schlössen sie sich freudig an. Und so steht das deutsche Volk auch hier wieder vor der Aufgabe, seiue Weltstellung aufzubauen auf ganz anderem Grund als die Geschichte es bisher gekannt. In der Lösung dieser Aufgabe, zu der dieser Krieg den blutigen Schlüssel gibt, sehen wir die weltgeschichtliche Mission des größeren Deutschlands. Als eine einzige Vorbereitungszeit erscheint seine zweitausendjährige Geschichte, ebenso reich an glänzenden Großtaten wie an furchtbaren Prüfungen. Zwei Grundzüge geben ihr ihr Gepräge, die schon zur Zeit des Zusammenstoßes mit den: Nömerreiche des deutschen Volkes weltgeschichtliche Stellung bestimmen, in ihrem weiteren Verlaufe stets wieder hervortreten und dabei vornehmlich die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/400>, abgerufen am 04.07.2024.