Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vie deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Arieg

Anspruch auf die Notfallunterstützung, wenn wirklich eine außerordentliche Not¬
lage vorhanden ist. Der Bericht des freigewerkschaftlichen Fabrikarbeiterverbandes
bemerkt, daß an die Familien der zum Kriegsdienst eingezogenen Mitglieder
auf Grund des Statuts Arbeitslosenunterstützung nicht ausgezahlt werden kann,
doch sollen Erwägungen angestellt werden, ob, in welcher Form und in welchem
Umfange an die Familien der im Felde stehenden Mitglieder Unterstützung
gezahlt werden kann.

Dies ist ein kleiner Auszug aus den Maßnahmen der freigewerkschaftlichen
Arbeiterorganisationen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Arbeiterorgani¬
sationen der anderen Richtungen. So hat beispielsweise der Gewerkverein der
deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter seine seit langen Jahren bestehende
und im vorigen Jahre zu einer Volksversicherung aufgebaute Sterbekasse auch
für die einberufenen Mitglieder weiter bestehen lassen. Den Angehörigen solcher
Mitglieder, welche infolge des Krieges sterben, wird daher die volle versicherte
Summe ausgezahlt.

Die Mitglieder der christlichen Gewerkschaften in Hamburg haben beschlossen,
pro Woche 1 Mark bis 2.50 Mark zu opfern, um die Hinterbliebenen zu
unterstützen und die kommende Not zu lindern. Auch die wirtschaftsfriedlichen
Arbeiterorganisationen kennen gar wohl ihre Pflicht in diesen schweren Zeiten.
Der überaus größte Teil der hier in Frage kommenden Vereine zeigt, daß er
in dem großen Wettkampf des ganzen Volkes um das Wohl des Vaterlandes
nicht zurücksteht. So beschloß beispielsweise die außerordentliche General¬
versammlung des Vereins der Decksunteroffiziere Hamburgs unter anderem,
daß die Unterstützungen für die im Felde Verwundeten und Gefallenen, soweit
es die Verhältnisse gestatten, voll ausgezahlt werden; ferner, daß für die zur
Kriegsdienstleistung Einberufenen die Beitragszahlung richt, die erworbenen
Rechte dadurch aber nicht berührt werden. Der Werkoerein "Mathias Stinnes
1/2", Karnap, zahlt Krankengeld bis zur Hälfte, Sterbegeld voll; der Arbeiter¬
verein der badischen Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen a. Rhein, hat gegen
25000 Mark zur Hinterbliebenenunterstützung bereitgestellt; von dem Werkverein
der Siemenswerke Berlin sind bisher 7000 Mark zur Familienunterstützung
bewilligt worden usw. Hierzu kommt dann vielfach noch die freiwillige Opfer¬
willigkeit der Arbeiter selbst. So hat beispielsweise die gesamte Arbeiterschaft
der Kruppwerke beschlossen, während der Dauer des Krieges einen bestimmten
Prozentsatz ihres Arbeitsverdienstes fortlaufend bei jeder Lohnzahlung als Bei¬
trag zur Kriegsfürsorge zur Verfügung zu stellen.

Eine anerkennenswerte Tätigkeit der gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen
in diesen Zeiten ist das energische Vorgehen gegen die in manchen Orten ganz
unberechtigte und unbegreifliche Preissteigerung der notwendigsten Lebensmittel.
So richtete beispielsweise der Vorstand des Gesamtverbandes christlicher Gewerk¬
schaften an die Regierungs-, Militär- und Kommunalbehörden das dringende
Ersuchen, durch geeignete Gegenmaßregeln jedem Lebensmittelwucher vor-


Vie deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Arieg

Anspruch auf die Notfallunterstützung, wenn wirklich eine außerordentliche Not¬
lage vorhanden ist. Der Bericht des freigewerkschaftlichen Fabrikarbeiterverbandes
bemerkt, daß an die Familien der zum Kriegsdienst eingezogenen Mitglieder
auf Grund des Statuts Arbeitslosenunterstützung nicht ausgezahlt werden kann,
doch sollen Erwägungen angestellt werden, ob, in welcher Form und in welchem
Umfange an die Familien der im Felde stehenden Mitglieder Unterstützung
gezahlt werden kann.

Dies ist ein kleiner Auszug aus den Maßnahmen der freigewerkschaftlichen
Arbeiterorganisationen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Arbeiterorgani¬
sationen der anderen Richtungen. So hat beispielsweise der Gewerkverein der
deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter seine seit langen Jahren bestehende
und im vorigen Jahre zu einer Volksversicherung aufgebaute Sterbekasse auch
für die einberufenen Mitglieder weiter bestehen lassen. Den Angehörigen solcher
Mitglieder, welche infolge des Krieges sterben, wird daher die volle versicherte
Summe ausgezahlt.

Die Mitglieder der christlichen Gewerkschaften in Hamburg haben beschlossen,
pro Woche 1 Mark bis 2.50 Mark zu opfern, um die Hinterbliebenen zu
unterstützen und die kommende Not zu lindern. Auch die wirtschaftsfriedlichen
Arbeiterorganisationen kennen gar wohl ihre Pflicht in diesen schweren Zeiten.
Der überaus größte Teil der hier in Frage kommenden Vereine zeigt, daß er
in dem großen Wettkampf des ganzen Volkes um das Wohl des Vaterlandes
nicht zurücksteht. So beschloß beispielsweise die außerordentliche General¬
versammlung des Vereins der Decksunteroffiziere Hamburgs unter anderem,
daß die Unterstützungen für die im Felde Verwundeten und Gefallenen, soweit
es die Verhältnisse gestatten, voll ausgezahlt werden; ferner, daß für die zur
Kriegsdienstleistung Einberufenen die Beitragszahlung richt, die erworbenen
Rechte dadurch aber nicht berührt werden. Der Werkoerein „Mathias Stinnes
1/2", Karnap, zahlt Krankengeld bis zur Hälfte, Sterbegeld voll; der Arbeiter¬
verein der badischen Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen a. Rhein, hat gegen
25000 Mark zur Hinterbliebenenunterstützung bereitgestellt; von dem Werkverein
der Siemenswerke Berlin sind bisher 7000 Mark zur Familienunterstützung
bewilligt worden usw. Hierzu kommt dann vielfach noch die freiwillige Opfer¬
willigkeit der Arbeiter selbst. So hat beispielsweise die gesamte Arbeiterschaft
der Kruppwerke beschlossen, während der Dauer des Krieges einen bestimmten
Prozentsatz ihres Arbeitsverdienstes fortlaufend bei jeder Lohnzahlung als Bei¬
trag zur Kriegsfürsorge zur Verfügung zu stellen.

Eine anerkennenswerte Tätigkeit der gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen
in diesen Zeiten ist das energische Vorgehen gegen die in manchen Orten ganz
unberechtigte und unbegreifliche Preissteigerung der notwendigsten Lebensmittel.
So richtete beispielsweise der Vorstand des Gesamtverbandes christlicher Gewerk¬
schaften an die Regierungs-, Militär- und Kommunalbehörden das dringende
Ersuchen, durch geeignete Gegenmaßregeln jedem Lebensmittelwucher vor-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329615"/>
          <fw type="header" place="top"> Vie deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Arieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1349" prev="#ID_1348"> Anspruch auf die Notfallunterstützung, wenn wirklich eine außerordentliche Not¬<lb/>
lage vorhanden ist. Der Bericht des freigewerkschaftlichen Fabrikarbeiterverbandes<lb/>
bemerkt, daß an die Familien der zum Kriegsdienst eingezogenen Mitglieder<lb/>
auf Grund des Statuts Arbeitslosenunterstützung nicht ausgezahlt werden kann,<lb/>
doch sollen Erwägungen angestellt werden, ob, in welcher Form und in welchem<lb/>
Umfange an die Familien der im Felde stehenden Mitglieder Unterstützung<lb/>
gezahlt werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1350"> Dies ist ein kleiner Auszug aus den Maßnahmen der freigewerkschaftlichen<lb/>
Arbeiterorganisationen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Arbeiterorgani¬<lb/>
sationen der anderen Richtungen. So hat beispielsweise der Gewerkverein der<lb/>
deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter seine seit langen Jahren bestehende<lb/>
und im vorigen Jahre zu einer Volksversicherung aufgebaute Sterbekasse auch<lb/>
für die einberufenen Mitglieder weiter bestehen lassen. Den Angehörigen solcher<lb/>
Mitglieder, welche infolge des Krieges sterben, wird daher die volle versicherte<lb/>
Summe ausgezahlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1351"> Die Mitglieder der christlichen Gewerkschaften in Hamburg haben beschlossen,<lb/>
pro Woche 1 Mark bis 2.50 Mark zu opfern, um die Hinterbliebenen zu<lb/>
unterstützen und die kommende Not zu lindern. Auch die wirtschaftsfriedlichen<lb/>
Arbeiterorganisationen kennen gar wohl ihre Pflicht in diesen schweren Zeiten.<lb/>
Der überaus größte Teil der hier in Frage kommenden Vereine zeigt, daß er<lb/>
in dem großen Wettkampf des ganzen Volkes um das Wohl des Vaterlandes<lb/>
nicht zurücksteht. So beschloß beispielsweise die außerordentliche General¬<lb/>
versammlung des Vereins der Decksunteroffiziere Hamburgs unter anderem,<lb/>
daß die Unterstützungen für die im Felde Verwundeten und Gefallenen, soweit<lb/>
es die Verhältnisse gestatten, voll ausgezahlt werden; ferner, daß für die zur<lb/>
Kriegsdienstleistung Einberufenen die Beitragszahlung richt, die erworbenen<lb/>
Rechte dadurch aber nicht berührt werden. Der Werkoerein &#x201E;Mathias Stinnes<lb/>
1/2", Karnap, zahlt Krankengeld bis zur Hälfte, Sterbegeld voll; der Arbeiter¬<lb/>
verein der badischen Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen a. Rhein, hat gegen<lb/>
25000 Mark zur Hinterbliebenenunterstützung bereitgestellt; von dem Werkverein<lb/>
der Siemenswerke Berlin sind bisher 7000 Mark zur Familienunterstützung<lb/>
bewilligt worden usw. Hierzu kommt dann vielfach noch die freiwillige Opfer¬<lb/>
willigkeit der Arbeiter selbst. So hat beispielsweise die gesamte Arbeiterschaft<lb/>
der Kruppwerke beschlossen, während der Dauer des Krieges einen bestimmten<lb/>
Prozentsatz ihres Arbeitsverdienstes fortlaufend bei jeder Lohnzahlung als Bei¬<lb/>
trag zur Kriegsfürsorge zur Verfügung zu stellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1352" next="#ID_1353"> Eine anerkennenswerte Tätigkeit der gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen<lb/>
in diesen Zeiten ist das energische Vorgehen gegen die in manchen Orten ganz<lb/>
unberechtigte und unbegreifliche Preissteigerung der notwendigsten Lebensmittel.<lb/>
So richtete beispielsweise der Vorstand des Gesamtverbandes christlicher Gewerk¬<lb/>
schaften an die Regierungs-, Militär- und Kommunalbehörden das dringende<lb/>
Ersuchen,  durch geeignete Gegenmaßregeln jedem Lebensmittelwucher vor-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0387] Vie deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Arieg Anspruch auf die Notfallunterstützung, wenn wirklich eine außerordentliche Not¬ lage vorhanden ist. Der Bericht des freigewerkschaftlichen Fabrikarbeiterverbandes bemerkt, daß an die Familien der zum Kriegsdienst eingezogenen Mitglieder auf Grund des Statuts Arbeitslosenunterstützung nicht ausgezahlt werden kann, doch sollen Erwägungen angestellt werden, ob, in welcher Form und in welchem Umfange an die Familien der im Felde stehenden Mitglieder Unterstützung gezahlt werden kann. Dies ist ein kleiner Auszug aus den Maßnahmen der freigewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Arbeiterorgani¬ sationen der anderen Richtungen. So hat beispielsweise der Gewerkverein der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter seine seit langen Jahren bestehende und im vorigen Jahre zu einer Volksversicherung aufgebaute Sterbekasse auch für die einberufenen Mitglieder weiter bestehen lassen. Den Angehörigen solcher Mitglieder, welche infolge des Krieges sterben, wird daher die volle versicherte Summe ausgezahlt. Die Mitglieder der christlichen Gewerkschaften in Hamburg haben beschlossen, pro Woche 1 Mark bis 2.50 Mark zu opfern, um die Hinterbliebenen zu unterstützen und die kommende Not zu lindern. Auch die wirtschaftsfriedlichen Arbeiterorganisationen kennen gar wohl ihre Pflicht in diesen schweren Zeiten. Der überaus größte Teil der hier in Frage kommenden Vereine zeigt, daß er in dem großen Wettkampf des ganzen Volkes um das Wohl des Vaterlandes nicht zurücksteht. So beschloß beispielsweise die außerordentliche General¬ versammlung des Vereins der Decksunteroffiziere Hamburgs unter anderem, daß die Unterstützungen für die im Felde Verwundeten und Gefallenen, soweit es die Verhältnisse gestatten, voll ausgezahlt werden; ferner, daß für die zur Kriegsdienstleistung Einberufenen die Beitragszahlung richt, die erworbenen Rechte dadurch aber nicht berührt werden. Der Werkoerein „Mathias Stinnes 1/2", Karnap, zahlt Krankengeld bis zur Hälfte, Sterbegeld voll; der Arbeiter¬ verein der badischen Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen a. Rhein, hat gegen 25000 Mark zur Hinterbliebenenunterstützung bereitgestellt; von dem Werkverein der Siemenswerke Berlin sind bisher 7000 Mark zur Familienunterstützung bewilligt worden usw. Hierzu kommt dann vielfach noch die freiwillige Opfer¬ willigkeit der Arbeiter selbst. So hat beispielsweise die gesamte Arbeiterschaft der Kruppwerke beschlossen, während der Dauer des Krieges einen bestimmten Prozentsatz ihres Arbeitsverdienstes fortlaufend bei jeder Lohnzahlung als Bei¬ trag zur Kriegsfürsorge zur Verfügung zu stellen. Eine anerkennenswerte Tätigkeit der gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen in diesen Zeiten ist das energische Vorgehen gegen die in manchen Orten ganz unberechtigte und unbegreifliche Preissteigerung der notwendigsten Lebensmittel. So richtete beispielsweise der Vorstand des Gesamtverbandes christlicher Gewerk¬ schaften an die Regierungs-, Militär- und Kommunalbehörden das dringende Ersuchen, durch geeignete Gegenmaßregeln jedem Lebensmittelwucher vor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/387
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/387>, abgerufen am 04.07.2024.