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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Gcwcrkschaftsorganisationen und der Arieg

Unterstützung. Eine Einheitlichkeit ließ sich naturgemäß nicht erzielen, weil die
Verhältnisse in den verschiedenen Vereinigungen verschiedenartig sind, und weil
auch die Vermögensbestände nicht überall die gleichen sind. Eine der Aus¬
nahmen, die noch so ungefähr alle statutarischen Bestimmungen in punkto der
Unterstützungseinrichtungen aufrecht erhalten haben, ist beispielsweise die frei¬
gewerkschaftliche Organisation der Buchdrucker, die überhaupt als eine der vor¬
bildlichsten Arbeiterorganisationen in der deutschen Arbeiterbewegung angesehen
werden kann.

Während anfänglich, ehe die Unterstützung an die Familien der Kriegs¬
teilnehmer durch das Reich und die Gemeinden ausgezahlt wurde, eine vorläufige
Hilfeleistung der Gewerkschaften in einzelnen Fällen notwendig war, hielt man
es, nachdem vom Reich und zahlreichen Gemeinden die Unterstützung durch¬
geführt worden war, für dringend geboten, diese Unterstützung dem Reich und
den Gemeinden zu überlassen und die vorhandenen Mittel der Gewerkschaften
zur Unterstützung der Arbeitslosen zu verwenden.

Auf der Konferenz der freigewerkschaftlichen Verbandsvorstände am
15. November 1914 wurde beschlossen, daß "Unterstützung an die Familien
der Kriegsteilnehmer nur in besonderen Notfällen oder aus freiwilligen Bei¬
trägen der Mitglieder gewährt werden soll". Nach diesem Beschlusse ist denn
auch verfahren worden. So hat beispielsweise der Verband der Sattler und
Portefeuiller beschlossen, daß nach dem 10. Oktober 1914 neben den ordent¬
lichen Beiträgen Extrabeiträge abgeführt werden und zwar:

bei einem Wochenverdienst bis 24 Mark nichts
300.50 Mark
360.75 "
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Aus dem Ergebnis dieser Sammlung sollen alle arbeitslosen Mitglieder
und die Familien, deren Ernährer zum Kriegsdienst berufen sind, eine Weihnachts¬
unterstützung erhalten. Vorstand und Ausschuß haben aus Verbandsmttteln
zu dieseni Zwecke außerdem noch 10 000 Mark zur Verfügung gestellt. Der
freigewerkschaftliche Malerverband hat an die Frauen seiner zum Kriegsdienst
eingezogenen Mitglieder eine einmalige Unterstützung in Höhe von 5 bis 8 Mark
gezahlt. Der freigewerkschaftliche Textilarbeiteroerband beschloß, den Frauen
und Kindern der ins Feld einberufenen Mitglieder ein Viertel der statuten¬
mäßigen Arbeitslosenunterstützung zu zahlen. Der deutsche Bergarbeiterverband,
der am 18. August 1914 auf ein fünfundzwanzigjähriges Bestehen zurückblicken
konnte, hat für die Familien seiner zum Kriegsdienst einberufenen Mitglieder
eine Million Mark bereitgestellt. Nach den Beschlüssen des Deutschen Trans--
portarbeiteroerbandes haben die Familien der ins Feld einberufenen Mitglieder


Die deutschen Gcwcrkschaftsorganisationen und der Arieg

Unterstützung. Eine Einheitlichkeit ließ sich naturgemäß nicht erzielen, weil die
Verhältnisse in den verschiedenen Vereinigungen verschiedenartig sind, und weil
auch die Vermögensbestände nicht überall die gleichen sind. Eine der Aus¬
nahmen, die noch so ungefähr alle statutarischen Bestimmungen in punkto der
Unterstützungseinrichtungen aufrecht erhalten haben, ist beispielsweise die frei¬
gewerkschaftliche Organisation der Buchdrucker, die überhaupt als eine der vor¬
bildlichsten Arbeiterorganisationen in der deutschen Arbeiterbewegung angesehen
werden kann.

Während anfänglich, ehe die Unterstützung an die Familien der Kriegs¬
teilnehmer durch das Reich und die Gemeinden ausgezahlt wurde, eine vorläufige
Hilfeleistung der Gewerkschaften in einzelnen Fällen notwendig war, hielt man
es, nachdem vom Reich und zahlreichen Gemeinden die Unterstützung durch¬
geführt worden war, für dringend geboten, diese Unterstützung dem Reich und
den Gemeinden zu überlassen und die vorhandenen Mittel der Gewerkschaften
zur Unterstützung der Arbeitslosen zu verwenden.

Auf der Konferenz der freigewerkschaftlichen Verbandsvorstände am
15. November 1914 wurde beschlossen, daß „Unterstützung an die Familien
der Kriegsteilnehmer nur in besonderen Notfällen oder aus freiwilligen Bei¬
trägen der Mitglieder gewährt werden soll". Nach diesem Beschlusse ist denn
auch verfahren worden. So hat beispielsweise der Verband der Sattler und
Portefeuiller beschlossen, daß nach dem 10. Oktober 1914 neben den ordent¬
lichen Beiträgen Extrabeiträge abgeführt werden und zwar:

bei einem Wochenverdienst bis 24 Mark nichts
300.50 Mark
360.75 „
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Aus dem Ergebnis dieser Sammlung sollen alle arbeitslosen Mitglieder
und die Familien, deren Ernährer zum Kriegsdienst berufen sind, eine Weihnachts¬
unterstützung erhalten. Vorstand und Ausschuß haben aus Verbandsmttteln
zu dieseni Zwecke außerdem noch 10 000 Mark zur Verfügung gestellt. Der
freigewerkschaftliche Malerverband hat an die Frauen seiner zum Kriegsdienst
eingezogenen Mitglieder eine einmalige Unterstützung in Höhe von 5 bis 8 Mark
gezahlt. Der freigewerkschaftliche Textilarbeiteroerband beschloß, den Frauen
und Kindern der ins Feld einberufenen Mitglieder ein Viertel der statuten¬
mäßigen Arbeitslosenunterstützung zu zahlen. Der deutsche Bergarbeiterverband,
der am 18. August 1914 auf ein fünfundzwanzigjähriges Bestehen zurückblicken
konnte, hat für die Familien seiner zum Kriegsdienst einberufenen Mitglieder
eine Million Mark bereitgestellt. Nach den Beschlüssen des Deutschen Trans--
portarbeiteroerbandes haben die Familien der ins Feld einberufenen Mitglieder


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[0386] Die deutschen Gcwcrkschaftsorganisationen und der Arieg Unterstützung. Eine Einheitlichkeit ließ sich naturgemäß nicht erzielen, weil die Verhältnisse in den verschiedenen Vereinigungen verschiedenartig sind, und weil auch die Vermögensbestände nicht überall die gleichen sind. Eine der Aus¬ nahmen, die noch so ungefähr alle statutarischen Bestimmungen in punkto der Unterstützungseinrichtungen aufrecht erhalten haben, ist beispielsweise die frei¬ gewerkschaftliche Organisation der Buchdrucker, die überhaupt als eine der vor¬ bildlichsten Arbeiterorganisationen in der deutschen Arbeiterbewegung angesehen werden kann. Während anfänglich, ehe die Unterstützung an die Familien der Kriegs¬ teilnehmer durch das Reich und die Gemeinden ausgezahlt wurde, eine vorläufige Hilfeleistung der Gewerkschaften in einzelnen Fällen notwendig war, hielt man es, nachdem vom Reich und zahlreichen Gemeinden die Unterstützung durch¬ geführt worden war, für dringend geboten, diese Unterstützung dem Reich und den Gemeinden zu überlassen und die vorhandenen Mittel der Gewerkschaften zur Unterstützung der Arbeitslosen zu verwenden. Auf der Konferenz der freigewerkschaftlichen Verbandsvorstände am 15. November 1914 wurde beschlossen, daß „Unterstützung an die Familien der Kriegsteilnehmer nur in besonderen Notfällen oder aus freiwilligen Bei¬ trägen der Mitglieder gewährt werden soll". Nach diesem Beschlusse ist denn auch verfahren worden. So hat beispielsweise der Verband der Sattler und Portefeuiller beschlossen, daß nach dem 10. Oktober 1914 neben den ordent¬ lichen Beiträgen Extrabeiträge abgeführt werden und zwar: bei einem Wochenverdienst bis 24 Mark nichts 300.50 Mark 360.75 „ 42 48 Aus dem Ergebnis dieser Sammlung sollen alle arbeitslosen Mitglieder und die Familien, deren Ernährer zum Kriegsdienst berufen sind, eine Weihnachts¬ unterstützung erhalten. Vorstand und Ausschuß haben aus Verbandsmttteln zu dieseni Zwecke außerdem noch 10 000 Mark zur Verfügung gestellt. Der freigewerkschaftliche Malerverband hat an die Frauen seiner zum Kriegsdienst eingezogenen Mitglieder eine einmalige Unterstützung in Höhe von 5 bis 8 Mark gezahlt. Der freigewerkschaftliche Textilarbeiteroerband beschloß, den Frauen und Kindern der ins Feld einberufenen Mitglieder ein Viertel der statuten¬ mäßigen Arbeitslosenunterstützung zu zahlen. Der deutsche Bergarbeiterverband, der am 18. August 1914 auf ein fünfundzwanzigjähriges Bestehen zurückblicken konnte, hat für die Familien seiner zum Kriegsdienst einberufenen Mitglieder eine Million Mark bereitgestellt. Nach den Beschlüssen des Deutschen Trans-- portarbeiteroerbandes haben die Familien der ins Feld einberufenen Mitglieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/386>, abgerufen am 04.07.2024.