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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Freiheit und Eigentum in Frieden und Krieg

letzten, tiefsten Grundlage von Freiheit (persönlicher Sicherheit) und Eigentum,
der Summe schutzwerter Beziehungen von Mensch und Sache.

Schon früh hat der Staat diese Persönlichkeitsgüter in Form von feier¬
lichen Versicherungen und Gesetzen anerkannt. Die englische Magna Charta ist
ein Vorläufer dieser Garantien. Dann hat man in steigendem Maße die
Staatsbürger zur Verwaltung ihrer Angelegenheiten, zunächst im engeren Kreise
von Dorf. Sendt und Provinz herangezogen. Damit Hand in Hand geht der
weitere Schritt der Teilnahme der Staatsangehörigen an der Festsetzung der
Bestimmungen, nach denen diese Verwaltung ausgeübt werden sollte: der Gesetz¬
gebung. Seinen Schlußstein findet diese Entwicklung in der Idee des Rechts¬
staates. Ein. Gedanke, der zwei Folgen in sich schließt: zunächst, daß bei jeder
Bestimmung, die auf Eigentum und Freiheit der Staatsbürger von Einfluß
sein kann, ein Gesetz nötig ist, und zum Gesetz die Mitwirkung der Betroffenen,
des Volkes. Ferner, daß zur allgemeinen Rechtssicherheit nichts eine Eingriffs¬
möglichkeit in die Persönlichkeitssphäre der einzelnen verleihen soll, als was
allen durch solches Gesetz auch zur Kenntnis und Möglichkeit der Mitbestimmung
gebracht worden ist, das heißt, daß außerhalb der geschriebenen und anerkannten
Gesetze kein Recht existieren kann.

In Deutschland geht diese Entwicklung in hervorragendem Maße auf die
Zeit der Freiheitskriege und deren Vorbereitung zurück und knüpft sich an den
Namen eines der größten Männer, die wir je besessen haben: an Stein.

Dieser Mann hat erkannt, daß man Kriege in moderner Zeit nur sühren
kann, wenn das Interesse der Massen mit dem Schicksale des Staates aufs
engste verbunden ist, daß man die Liebe und Aufopferung der einzelnen für
die Existenz des Staates nur erwarten und in Anspruch nehmen darf, wenn
mau ihnen Mitwirkung bei den staatlichen Aufgaben einräumt, ihnen an der
vornehmsten staatlichen Pflicht, der Sicherung der persönlichen Freiheit und des
Eigentums, bestimmenden Einfluß gewährt. Daß der Geist des Volkes, des
Volkes in Waffen, das Gut und Blut für sein Vaterland einsetzt, es ist, der
im Ringen der Schlachten den Ausschlag gibt, daß die Wucht des Gesamtwillens
zur Erhaltung des Heimatstaates die Unwiderstehlichkeit auf dem blutigen
Feife verleiht. Teilnahme des Volkes am Staatsleben ist die Voraussetzung
der allgemeinen Wehrpflicht, wie diese heute die Grundlage der Erhaltung unseres
Staates im Völkerringen bildet.

Wir sehen in dieser großen schweren Zeit, daß in unserem Volke die alte
germanische Idee der Selbstbestimmung und damit der Verantwortlichkeit an
dem Geschicke des Vaterlandes fortlebt; daß sie sich ergänzt und verbindet
mit der von der allgemeinen Wehrpflicht, die sich heute in den Tagen nationaler
Erhebung wieder zu wandeln scheint in die uralte Überlieferung unserer Väter
vom allgemeinen Wehrrecht, dem Recht jedes Freien, für den Staat, den Schützer
seiner heiligsten Persönlichkeitsgüter, mit der Waffe in der Hand einzutreten.
Das sittliche Gefühl der Dankbarkeit, das den Bürger an den Staat knüpft, dem


Freiheit und Eigentum in Frieden und Krieg

letzten, tiefsten Grundlage von Freiheit (persönlicher Sicherheit) und Eigentum,
der Summe schutzwerter Beziehungen von Mensch und Sache.

Schon früh hat der Staat diese Persönlichkeitsgüter in Form von feier¬
lichen Versicherungen und Gesetzen anerkannt. Die englische Magna Charta ist
ein Vorläufer dieser Garantien. Dann hat man in steigendem Maße die
Staatsbürger zur Verwaltung ihrer Angelegenheiten, zunächst im engeren Kreise
von Dorf. Sendt und Provinz herangezogen. Damit Hand in Hand geht der
weitere Schritt der Teilnahme der Staatsangehörigen an der Festsetzung der
Bestimmungen, nach denen diese Verwaltung ausgeübt werden sollte: der Gesetz¬
gebung. Seinen Schlußstein findet diese Entwicklung in der Idee des Rechts¬
staates. Ein. Gedanke, der zwei Folgen in sich schließt: zunächst, daß bei jeder
Bestimmung, die auf Eigentum und Freiheit der Staatsbürger von Einfluß
sein kann, ein Gesetz nötig ist, und zum Gesetz die Mitwirkung der Betroffenen,
des Volkes. Ferner, daß zur allgemeinen Rechtssicherheit nichts eine Eingriffs¬
möglichkeit in die Persönlichkeitssphäre der einzelnen verleihen soll, als was
allen durch solches Gesetz auch zur Kenntnis und Möglichkeit der Mitbestimmung
gebracht worden ist, das heißt, daß außerhalb der geschriebenen und anerkannten
Gesetze kein Recht existieren kann.

In Deutschland geht diese Entwicklung in hervorragendem Maße auf die
Zeit der Freiheitskriege und deren Vorbereitung zurück und knüpft sich an den
Namen eines der größten Männer, die wir je besessen haben: an Stein.

Dieser Mann hat erkannt, daß man Kriege in moderner Zeit nur sühren
kann, wenn das Interesse der Massen mit dem Schicksale des Staates aufs
engste verbunden ist, daß man die Liebe und Aufopferung der einzelnen für
die Existenz des Staates nur erwarten und in Anspruch nehmen darf, wenn
mau ihnen Mitwirkung bei den staatlichen Aufgaben einräumt, ihnen an der
vornehmsten staatlichen Pflicht, der Sicherung der persönlichen Freiheit und des
Eigentums, bestimmenden Einfluß gewährt. Daß der Geist des Volkes, des
Volkes in Waffen, das Gut und Blut für sein Vaterland einsetzt, es ist, der
im Ringen der Schlachten den Ausschlag gibt, daß die Wucht des Gesamtwillens
zur Erhaltung des Heimatstaates die Unwiderstehlichkeit auf dem blutigen
Feife verleiht. Teilnahme des Volkes am Staatsleben ist die Voraussetzung
der allgemeinen Wehrpflicht, wie diese heute die Grundlage der Erhaltung unseres
Staates im Völkerringen bildet.

Wir sehen in dieser großen schweren Zeit, daß in unserem Volke die alte
germanische Idee der Selbstbestimmung und damit der Verantwortlichkeit an
dem Geschicke des Vaterlandes fortlebt; daß sie sich ergänzt und verbindet
mit der von der allgemeinen Wehrpflicht, die sich heute in den Tagen nationaler
Erhebung wieder zu wandeln scheint in die uralte Überlieferung unserer Väter
vom allgemeinen Wehrrecht, dem Recht jedes Freien, für den Staat, den Schützer
seiner heiligsten Persönlichkeitsgüter, mit der Waffe in der Hand einzutreten.
Das sittliche Gefühl der Dankbarkeit, das den Bürger an den Staat knüpft, dem


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[0377] Freiheit und Eigentum in Frieden und Krieg letzten, tiefsten Grundlage von Freiheit (persönlicher Sicherheit) und Eigentum, der Summe schutzwerter Beziehungen von Mensch und Sache. Schon früh hat der Staat diese Persönlichkeitsgüter in Form von feier¬ lichen Versicherungen und Gesetzen anerkannt. Die englische Magna Charta ist ein Vorläufer dieser Garantien. Dann hat man in steigendem Maße die Staatsbürger zur Verwaltung ihrer Angelegenheiten, zunächst im engeren Kreise von Dorf. Sendt und Provinz herangezogen. Damit Hand in Hand geht der weitere Schritt der Teilnahme der Staatsangehörigen an der Festsetzung der Bestimmungen, nach denen diese Verwaltung ausgeübt werden sollte: der Gesetz¬ gebung. Seinen Schlußstein findet diese Entwicklung in der Idee des Rechts¬ staates. Ein. Gedanke, der zwei Folgen in sich schließt: zunächst, daß bei jeder Bestimmung, die auf Eigentum und Freiheit der Staatsbürger von Einfluß sein kann, ein Gesetz nötig ist, und zum Gesetz die Mitwirkung der Betroffenen, des Volkes. Ferner, daß zur allgemeinen Rechtssicherheit nichts eine Eingriffs¬ möglichkeit in die Persönlichkeitssphäre der einzelnen verleihen soll, als was allen durch solches Gesetz auch zur Kenntnis und Möglichkeit der Mitbestimmung gebracht worden ist, das heißt, daß außerhalb der geschriebenen und anerkannten Gesetze kein Recht existieren kann. In Deutschland geht diese Entwicklung in hervorragendem Maße auf die Zeit der Freiheitskriege und deren Vorbereitung zurück und knüpft sich an den Namen eines der größten Männer, die wir je besessen haben: an Stein. Dieser Mann hat erkannt, daß man Kriege in moderner Zeit nur sühren kann, wenn das Interesse der Massen mit dem Schicksale des Staates aufs engste verbunden ist, daß man die Liebe und Aufopferung der einzelnen für die Existenz des Staates nur erwarten und in Anspruch nehmen darf, wenn mau ihnen Mitwirkung bei den staatlichen Aufgaben einräumt, ihnen an der vornehmsten staatlichen Pflicht, der Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums, bestimmenden Einfluß gewährt. Daß der Geist des Volkes, des Volkes in Waffen, das Gut und Blut für sein Vaterland einsetzt, es ist, der im Ringen der Schlachten den Ausschlag gibt, daß die Wucht des Gesamtwillens zur Erhaltung des Heimatstaates die Unwiderstehlichkeit auf dem blutigen Feife verleiht. Teilnahme des Volkes am Staatsleben ist die Voraussetzung der allgemeinen Wehrpflicht, wie diese heute die Grundlage der Erhaltung unseres Staates im Völkerringen bildet. Wir sehen in dieser großen schweren Zeit, daß in unserem Volke die alte germanische Idee der Selbstbestimmung und damit der Verantwortlichkeit an dem Geschicke des Vaterlandes fortlebt; daß sie sich ergänzt und verbindet mit der von der allgemeinen Wehrpflicht, die sich heute in den Tagen nationaler Erhebung wieder zu wandeln scheint in die uralte Überlieferung unserer Väter vom allgemeinen Wehrrecht, dem Recht jedes Freien, für den Staat, den Schützer seiner heiligsten Persönlichkeitsgüter, mit der Waffe in der Hand einzutreten. Das sittliche Gefühl der Dankbarkeit, das den Bürger an den Staat knüpft, dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/377>, abgerufen am 04.07.2024.