Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.Das belgische Problem also an die Entscheidung über das Schicksal Belgiens herantritt, müßten diese Man sieht, der Schwierigkeiten sind nicht wenige, um es nach Friedens¬ Das belgische Problem also an die Entscheidung über das Schicksal Belgiens herantritt, müßten diese Man sieht, der Schwierigkeiten sind nicht wenige, um es nach Friedens¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329258"/> <fw type="header" place="top"> Das belgische Problem</fw><lb/> <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> also an die Entscheidung über das Schicksal Belgiens herantritt, müßten diese<lb/> Länder doch wohl zunächst befragt werden, welche Stellung sie für die Folge<lb/> dem Deutschen Reiche gegenüber einzunehmen gedenken? Auch hierüber müssen wir<lb/> uns erst klar sein, auch in dieser Beziehung muß reiner Tisch gemacht werden.<lb/> Haben wir doch an Belgien gesehen, daß NeutralitätsVerträge und Erklärungen<lb/> zu biegen und zu brechen sind und vor allem ein verdächtiges Spiel mit der<lb/> leicht zu öffnenden Hintertür erlauben. Beide Länder haben Anspruch auf<lb/> unseren Dank in faßbarer, materieller Form. Dieser Dank jedoch kann nur<lb/> an der Hand des neuen Verhältnisses abgemessen werden, in das sie zu uns<lb/> zu treten gewillt sind. Entspricht dasselbe unseren Wünschen und unserer<lb/> Sicherheit Frankreich und England gegenüber, dann dürfte es wohl angebracht<lb/> sein, von Belgien auch etwas für Holland und Luxemburg zu entnehmen und<lb/> sie auf Kosten Belgiens zu vergrößern. So dürfte man dann Luxemburg sehr<lb/> wohl die belgische Provinz gleichen Namens einräumen und damit eine feste<lb/> Verbindung zwischen Deutsch-Lüttich. der deutschen Eiffel und dem unmittelbar an¬<lb/> schließenden deutsch-verbündeten Luxemburg herstellen, die nie wieder französischer<lb/> seits durchbrochen werden könnte. So dürfte man dann sehr wohl Antwerpen<lb/> und die flandrischen Provinzen bis zur Kaste, einschließlich Dünlirchens und<lb/> Calais an Holland abtreten und damit das vlämisch-niederländische Reich<lb/> vervollständigen. Wir besäßen dann im Westen einen Stützpunkt in den zwei<lb/> großen Häfen, die. während sie bis jetzt rivalisierten, im gemeinsamen Ausbau<lb/> eine gemeinsame Größe finden würden. Es könnte alsdann endlich der durch¬<lb/> aus wünschenswerte Großschiffahrtsweg vom Rhein zur Scheide ausgeführt<lb/> werden, weil die bisherige Opposition Hollands verschwinden würde. Wir<lb/> hätten schließlich nicht die Sorgen und Lasten der eigenen Verwaltung. Werden<lb/> uns aber Holland und Luxemburg die gewünschten Garantien sür ein sicheres,<lb/> bundesstaatliches Verhältnis geben wollen? Würden nicht hier wie dort immer<lb/> wieder und vielleicht stärker noch als bisher die Befürchtungen laut werden,<lb/> daß das neue Verhältnis eigentlich nichts anderes sei als ein Verlust der nationalen<lb/> Selbständigkeit, ein Weiterleben unter Deutschlands Oberaufsicht und<lb/> Kontrolle?</p><lb/> <p xml:id="ID_50" next="#ID_51"> Man sieht, der Schwierigkeiten sind nicht wenige, um es nach Friedens¬<lb/> schluß aller Welt und namentlich uns selbst recht zu machen, und zwar so. daß<lb/> im europäischen Westen die Ruhe für unabsehbare Zeiten gewahrt werden kann.<lb/> Wir haben ja auch schließlich für eine Stärkung und Vergrößerung unserer<lb/> Grenzen im Osten zu sorgen; man möchte fast sagen, namentlich, um Rußland<lb/> jeden Wunsch zu nehmen, nochmals mit uns anzubinden. Und da scheint es<lb/> mir nun ein großes Glück, daß der uns feindliche europäische Westen, der<lb/> unter allen Umständen dauernd geschwächt werden muß, schon eine so dicht-<lb/> sitzende Bevölkerung besitzt, der auch verhältnißmäßig leicht ohne Entsendung<lb/> zahlreicher deutscher Kolonnen deutsche Dressur und Kultur beigebracht werden<lb/> kann. Auf diese Weise werden wir unsere überzähligen Kräfte fast ausschließlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
Das belgische Problem
also an die Entscheidung über das Schicksal Belgiens herantritt, müßten diese
Länder doch wohl zunächst befragt werden, welche Stellung sie für die Folge
dem Deutschen Reiche gegenüber einzunehmen gedenken? Auch hierüber müssen wir
uns erst klar sein, auch in dieser Beziehung muß reiner Tisch gemacht werden.
Haben wir doch an Belgien gesehen, daß NeutralitätsVerträge und Erklärungen
zu biegen und zu brechen sind und vor allem ein verdächtiges Spiel mit der
leicht zu öffnenden Hintertür erlauben. Beide Länder haben Anspruch auf
unseren Dank in faßbarer, materieller Form. Dieser Dank jedoch kann nur
an der Hand des neuen Verhältnisses abgemessen werden, in das sie zu uns
zu treten gewillt sind. Entspricht dasselbe unseren Wünschen und unserer
Sicherheit Frankreich und England gegenüber, dann dürfte es wohl angebracht
sein, von Belgien auch etwas für Holland und Luxemburg zu entnehmen und
sie auf Kosten Belgiens zu vergrößern. So dürfte man dann Luxemburg sehr
wohl die belgische Provinz gleichen Namens einräumen und damit eine feste
Verbindung zwischen Deutsch-Lüttich. der deutschen Eiffel und dem unmittelbar an¬
schließenden deutsch-verbündeten Luxemburg herstellen, die nie wieder französischer
seits durchbrochen werden könnte. So dürfte man dann sehr wohl Antwerpen
und die flandrischen Provinzen bis zur Kaste, einschließlich Dünlirchens und
Calais an Holland abtreten und damit das vlämisch-niederländische Reich
vervollständigen. Wir besäßen dann im Westen einen Stützpunkt in den zwei
großen Häfen, die. während sie bis jetzt rivalisierten, im gemeinsamen Ausbau
eine gemeinsame Größe finden würden. Es könnte alsdann endlich der durch¬
aus wünschenswerte Großschiffahrtsweg vom Rhein zur Scheide ausgeführt
werden, weil die bisherige Opposition Hollands verschwinden würde. Wir
hätten schließlich nicht die Sorgen und Lasten der eigenen Verwaltung. Werden
uns aber Holland und Luxemburg die gewünschten Garantien sür ein sicheres,
bundesstaatliches Verhältnis geben wollen? Würden nicht hier wie dort immer
wieder und vielleicht stärker noch als bisher die Befürchtungen laut werden,
daß das neue Verhältnis eigentlich nichts anderes sei als ein Verlust der nationalen
Selbständigkeit, ein Weiterleben unter Deutschlands Oberaufsicht und
Kontrolle?
Man sieht, der Schwierigkeiten sind nicht wenige, um es nach Friedens¬
schluß aller Welt und namentlich uns selbst recht zu machen, und zwar so. daß
im europäischen Westen die Ruhe für unabsehbare Zeiten gewahrt werden kann.
Wir haben ja auch schließlich für eine Stärkung und Vergrößerung unserer
Grenzen im Osten zu sorgen; man möchte fast sagen, namentlich, um Rußland
jeden Wunsch zu nehmen, nochmals mit uns anzubinden. Und da scheint es
mir nun ein großes Glück, daß der uns feindliche europäische Westen, der
unter allen Umständen dauernd geschwächt werden muß, schon eine so dicht-
sitzende Bevölkerung besitzt, der auch verhältnißmäßig leicht ohne Entsendung
zahlreicher deutscher Kolonnen deutsche Dressur und Kultur beigebracht werden
kann. Auf diese Weise werden wir unsere überzähligen Kräfte fast ausschließlich
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