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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Handel und Freiheit in den englischen Kolonien

Reichtümer an Zink, Blei, Silber, Kupfer und Gold. Die blühendsten Thee-
und Neisgebiete, -- Ceylon, Assam und Burma, -- die ergiebigsten, vielleicht
nur den sibirischen an Erträgnis unterlegenen Binnenfischereien der Erde, die¬
jenigen Britisch-Columbias, sind in englischen Händen. Drei Viertel des
Kapitals aller Teepflanzungsgesellschaften Indiens und Ceylons liegen in
Londoner Sasch, neunzig Prozent des gesamten Verbrauchs wird nach England
verschifft. -- Gleichen Schritt mit der raschen Ausdehnung des britischen Macht¬
bereichs, ja eher noch schneller, ist die wirtschaftliche Erschließung und Nutzbar¬
machung der vom Mutterlande zu verwertenden Gebiete gegangen. Schon
reichen beispielsweise die Schächte australischer Bergwerke tausend und mehr Meter
in die Erde, und aus oft noch tieferen Schichten hat man das nicht minder
wichtige Wasser erbohrt, dessen köstliche Adern in künftigen Zeiten vielleicht
Australiens edelsten Reichtum eröffnen werden. Leitungen sind hier schon
in Dienst, die jene der alten römischen Provinz Africa um ein Vielfaches über¬
treffen und selbst denen des Jraq zur babylonischen Blütezeit nicht nachstehen
mögen. Sammelbehälter von oft mehreren Millionen Gallonen (zu 4^ Liter)
Fassung, gemauerte Leitungen von über 1000 Kilometer Länge tränken riesige
Herden von Rindern und Schafen; und ganze Provinzen reichsten Weidelandes,
wo noch vor kaum zwei Generationen der einsame Kurnai seinen Bumerah
gegen das Steppenwild schleuderte, blühen auf. Junge Wälder grünen, Wein¬
berge und Gärten voll Obst geben Frucht, und das Tosen der Güterzüge
durchschneidet die frühere Öde: schon ist der Tag nicht mehr fern, da die erste
Eisenbahn den fünften Erdteil ganz durchqueren wird, gleich den Telegraphen¬
pfählen, die schon seit Jahren Adelaide mit Port Darwin verbinden.

Nicht geringer erscheint die kommerzielle Erschließung der anderen großen
Bezirke englischer Macht: waren doch schon im Jahre 1902 nach K. Dooes
Angabe weit über 100000 Kilometer Eisenbahnlinien in Englisch-Übersee in
Betrieb, d. h. die dreifache Länge des heimischen Netzes, und zweieinhalbmal
die Länge des Äquators; und diese Bautätigkeit ist seither, besonders auch in
Afrika, beständig im Wachsen. So hat sich z. B. der Strang der indischen
Eisenbahnen nach englischen Berichten von 1903 bis 1912 um insgesamt etwa
fünfundzwanzig Prozent verlängert und erreichte in diesen: Jahre weit über
50000 Kilometer, etwa die Länge des preußisch-hessischen Eisenbahnnetzes,
während das darin arbeitende Kapital den Betrag von über 300 Millionen
Pfund darstellte! Allein das Netz der vorderindischen Kanäle, die ebensowohl
zum Transport wie zu Zwecken der Bewässerung des Landes dienen, ergibt
insgesamt eine Linie, die von Madrid bis Wladiwostock reicht; und die Wasser¬
fülle der Staubecken Ägyptens ertränkt ganze Ruinenstädte von tausendjährigem
Alter, um an ihrer Stelle blühende Dörfer und Baumwollfelder erstehen zu
lassen. Der Gesamthandel des alten Nillandes hat sich seit 1882 -- dem
Datum der anglo-ägyptischen Gemeinschaftsverwaltung -- um siebzig Prozent
gehoben, während die Reineinnahmen trotz kostspieliger Deich- und Wehrbauten


Handel und Freiheit in den englischen Kolonien

Reichtümer an Zink, Blei, Silber, Kupfer und Gold. Die blühendsten Thee-
und Neisgebiete, — Ceylon, Assam und Burma, — die ergiebigsten, vielleicht
nur den sibirischen an Erträgnis unterlegenen Binnenfischereien der Erde, die¬
jenigen Britisch-Columbias, sind in englischen Händen. Drei Viertel des
Kapitals aller Teepflanzungsgesellschaften Indiens und Ceylons liegen in
Londoner Sasch, neunzig Prozent des gesamten Verbrauchs wird nach England
verschifft. — Gleichen Schritt mit der raschen Ausdehnung des britischen Macht¬
bereichs, ja eher noch schneller, ist die wirtschaftliche Erschließung und Nutzbar¬
machung der vom Mutterlande zu verwertenden Gebiete gegangen. Schon
reichen beispielsweise die Schächte australischer Bergwerke tausend und mehr Meter
in die Erde, und aus oft noch tieferen Schichten hat man das nicht minder
wichtige Wasser erbohrt, dessen köstliche Adern in künftigen Zeiten vielleicht
Australiens edelsten Reichtum eröffnen werden. Leitungen sind hier schon
in Dienst, die jene der alten römischen Provinz Africa um ein Vielfaches über¬
treffen und selbst denen des Jraq zur babylonischen Blütezeit nicht nachstehen
mögen. Sammelbehälter von oft mehreren Millionen Gallonen (zu 4^ Liter)
Fassung, gemauerte Leitungen von über 1000 Kilometer Länge tränken riesige
Herden von Rindern und Schafen; und ganze Provinzen reichsten Weidelandes,
wo noch vor kaum zwei Generationen der einsame Kurnai seinen Bumerah
gegen das Steppenwild schleuderte, blühen auf. Junge Wälder grünen, Wein¬
berge und Gärten voll Obst geben Frucht, und das Tosen der Güterzüge
durchschneidet die frühere Öde: schon ist der Tag nicht mehr fern, da die erste
Eisenbahn den fünften Erdteil ganz durchqueren wird, gleich den Telegraphen¬
pfählen, die schon seit Jahren Adelaide mit Port Darwin verbinden.

Nicht geringer erscheint die kommerzielle Erschließung der anderen großen
Bezirke englischer Macht: waren doch schon im Jahre 1902 nach K. Dooes
Angabe weit über 100000 Kilometer Eisenbahnlinien in Englisch-Übersee in
Betrieb, d. h. die dreifache Länge des heimischen Netzes, und zweieinhalbmal
die Länge des Äquators; und diese Bautätigkeit ist seither, besonders auch in
Afrika, beständig im Wachsen. So hat sich z. B. der Strang der indischen
Eisenbahnen nach englischen Berichten von 1903 bis 1912 um insgesamt etwa
fünfundzwanzig Prozent verlängert und erreichte in diesen: Jahre weit über
50000 Kilometer, etwa die Länge des preußisch-hessischen Eisenbahnnetzes,
während das darin arbeitende Kapital den Betrag von über 300 Millionen
Pfund darstellte! Allein das Netz der vorderindischen Kanäle, die ebensowohl
zum Transport wie zu Zwecken der Bewässerung des Landes dienen, ergibt
insgesamt eine Linie, die von Madrid bis Wladiwostock reicht; und die Wasser¬
fülle der Staubecken Ägyptens ertränkt ganze Ruinenstädte von tausendjährigem
Alter, um an ihrer Stelle blühende Dörfer und Baumwollfelder erstehen zu
lassen. Der Gesamthandel des alten Nillandes hat sich seit 1882 — dem
Datum der anglo-ägyptischen Gemeinschaftsverwaltung — um siebzig Prozent
gehoben, während die Reineinnahmen trotz kostspieliger Deich- und Wehrbauten


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[0242] Handel und Freiheit in den englischen Kolonien Reichtümer an Zink, Blei, Silber, Kupfer und Gold. Die blühendsten Thee- und Neisgebiete, — Ceylon, Assam und Burma, — die ergiebigsten, vielleicht nur den sibirischen an Erträgnis unterlegenen Binnenfischereien der Erde, die¬ jenigen Britisch-Columbias, sind in englischen Händen. Drei Viertel des Kapitals aller Teepflanzungsgesellschaften Indiens und Ceylons liegen in Londoner Sasch, neunzig Prozent des gesamten Verbrauchs wird nach England verschifft. — Gleichen Schritt mit der raschen Ausdehnung des britischen Macht¬ bereichs, ja eher noch schneller, ist die wirtschaftliche Erschließung und Nutzbar¬ machung der vom Mutterlande zu verwertenden Gebiete gegangen. Schon reichen beispielsweise die Schächte australischer Bergwerke tausend und mehr Meter in die Erde, und aus oft noch tieferen Schichten hat man das nicht minder wichtige Wasser erbohrt, dessen köstliche Adern in künftigen Zeiten vielleicht Australiens edelsten Reichtum eröffnen werden. Leitungen sind hier schon in Dienst, die jene der alten römischen Provinz Africa um ein Vielfaches über¬ treffen und selbst denen des Jraq zur babylonischen Blütezeit nicht nachstehen mögen. Sammelbehälter von oft mehreren Millionen Gallonen (zu 4^ Liter) Fassung, gemauerte Leitungen von über 1000 Kilometer Länge tränken riesige Herden von Rindern und Schafen; und ganze Provinzen reichsten Weidelandes, wo noch vor kaum zwei Generationen der einsame Kurnai seinen Bumerah gegen das Steppenwild schleuderte, blühen auf. Junge Wälder grünen, Wein¬ berge und Gärten voll Obst geben Frucht, und das Tosen der Güterzüge durchschneidet die frühere Öde: schon ist der Tag nicht mehr fern, da die erste Eisenbahn den fünften Erdteil ganz durchqueren wird, gleich den Telegraphen¬ pfählen, die schon seit Jahren Adelaide mit Port Darwin verbinden. Nicht geringer erscheint die kommerzielle Erschließung der anderen großen Bezirke englischer Macht: waren doch schon im Jahre 1902 nach K. Dooes Angabe weit über 100000 Kilometer Eisenbahnlinien in Englisch-Übersee in Betrieb, d. h. die dreifache Länge des heimischen Netzes, und zweieinhalbmal die Länge des Äquators; und diese Bautätigkeit ist seither, besonders auch in Afrika, beständig im Wachsen. So hat sich z. B. der Strang der indischen Eisenbahnen nach englischen Berichten von 1903 bis 1912 um insgesamt etwa fünfundzwanzig Prozent verlängert und erreichte in diesen: Jahre weit über 50000 Kilometer, etwa die Länge des preußisch-hessischen Eisenbahnnetzes, während das darin arbeitende Kapital den Betrag von über 300 Millionen Pfund darstellte! Allein das Netz der vorderindischen Kanäle, die ebensowohl zum Transport wie zu Zwecken der Bewässerung des Landes dienen, ergibt insgesamt eine Linie, die von Madrid bis Wladiwostock reicht; und die Wasser¬ fülle der Staubecken Ägyptens ertränkt ganze Ruinenstädte von tausendjährigem Alter, um an ihrer Stelle blühende Dörfer und Baumwollfelder erstehen zu lassen. Der Gesamthandel des alten Nillandes hat sich seit 1882 — dem Datum der anglo-ägyptischen Gemeinschaftsverwaltung — um siebzig Prozent gehoben, während die Reineinnahmen trotz kostspieliger Deich- und Wehrbauten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/242>, abgerufen am 02.07.2024.