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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Der vernichtmia>kampf gegen das Deutschtum in Rußland

Augenblicks, wie auch durch die Tatsache, daß die jetzt offenkundiger Einzel¬
heiten der Frage des deutschen Landbesitzes die öffentliche Aufmerksamkeit erregt
haben. In den gesetzgebenden Körperschaften wird man jetzt kaum Stimmen
von der .unbedingten Loyalität' der deutschen Kolonisten vernehmen, die sich in
Wirklichkeit nur so lang betätigte, bis das russische Staatswesen nicht mit den
ihm feindlichen, aggressiven Bestrebungen der deutschen Staaten zusammenprallte."

Zum Schluß beginnt es Herrn Maklakow aber doch etwas schwül zu werden.
Er gibt zu, daß "im Vergleich mit den vorangegangenen zaghaften Versuchen
des behördlichen Kampfes gegen den deutschen Landbesitz die Durchführung der
dargelegten Grundsätze einige (!) Härten mit sich bringen". Dann aber heißt
es in der Denkschrift weiter: "Aber man darf nicht übersehen, daß gerade der
ganze bisherige Gang der Entwicklung der Frage den feindlichen Mächten die
Möglichkeit gegeben hat, die wohlwollende Haltung Rußlands gegen die deutschen
Auswanderer zum Schaden von Rußlands Einheit auszubeuten. Wie grausam
die vorgeschlagenen Maßnahmen auch sein mögen, -- auf sie darf nicht anders
gesehen werden, wie auf eine notwendige Verteidigung des Reiches und seiner
Völker gegen einen Ansturm von außen. Wendet man sich dem eingehenden
Studium der vorgeschlagenen Maßnahmen zu, so wird man zu dem Schluß
kommen, daß ihre Härte fast geringfügig ist im Vergleich mit den Ursachen,
die sie hervorrufen, -- wobei gar nicht daran gedacht zu werden braucht, daß
durch sie der Bedarf an Land gerade der russischen Bevölkerung in den Grenz¬
gouvernements gedeckt zu werden vermag, die ohne Frage nicht imstande ist,
gegen die deutschen Aufkäufer auszukommen und die infolgedessen schon lange
unter der deutschen Bedrückung leidet. Es ist notwendig darauf hinzuweisen,
daß in anderen Staaten, die sich gegenwärtig ebenso wie Rußland im Kriegs-
zustande befinden, viel härtere Maßnahmen ergriffen werden. So ist in Frank¬
reich das Eigentum der deutschen Untertanen requiriert worden. In Deutschland
wurden die russischen Einlagen in staatlichen und privaten Banken konfisziert.
(Merkwürdige Logik I weil kriegführende Mächte sich gegenseitig materiell zu
schädigen suchen, muß Rußland sich selbst schädigen durch Enteignung seiner
tüchtigsten Staatsbürger und Steuerzahler! G. CI.)

"Durch diese Maßnahmen gegen die deutschen Ansiedler im Russischen Reich
soll das Eigentum nicht ohne Vergütung abgenommen werden, sondern unter Bedin¬
gungen, die an die Regeln bei Enteigung zu staatlichen Zwecken erinnern. Vor der
Durchführung der Maßregeln zurückzuschrecken, wäre gleichbedeutend mit Absage
von der Hauptaufgabe des gegenwärtigen alleuropäischen Kampfes Rußlands
und seiner Verbündeten, der den Zweck hat, die militärische Macht (I) des Deutschen
Reichs zu vernichten; denn die Nichterfüllung dieser Aufgabe in dem
Teil, der die inneren Verhältnisse Rußlands betrifft, hieße dem
gegenwärtigen Kriege alle ideelle Bedeutung nehmen. Schließlich
darf die russische Regierung, die der Heimat für die Erfüllung ihrer Pflichten
verantwortlich ist, nicht die Interessen derjenigen preisgeben, die in friedlichen


Der vernichtmia>kampf gegen das Deutschtum in Rußland

Augenblicks, wie auch durch die Tatsache, daß die jetzt offenkundiger Einzel¬
heiten der Frage des deutschen Landbesitzes die öffentliche Aufmerksamkeit erregt
haben. In den gesetzgebenden Körperschaften wird man jetzt kaum Stimmen
von der .unbedingten Loyalität' der deutschen Kolonisten vernehmen, die sich in
Wirklichkeit nur so lang betätigte, bis das russische Staatswesen nicht mit den
ihm feindlichen, aggressiven Bestrebungen der deutschen Staaten zusammenprallte."

Zum Schluß beginnt es Herrn Maklakow aber doch etwas schwül zu werden.
Er gibt zu, daß „im Vergleich mit den vorangegangenen zaghaften Versuchen
des behördlichen Kampfes gegen den deutschen Landbesitz die Durchführung der
dargelegten Grundsätze einige (!) Härten mit sich bringen". Dann aber heißt
es in der Denkschrift weiter: „Aber man darf nicht übersehen, daß gerade der
ganze bisherige Gang der Entwicklung der Frage den feindlichen Mächten die
Möglichkeit gegeben hat, die wohlwollende Haltung Rußlands gegen die deutschen
Auswanderer zum Schaden von Rußlands Einheit auszubeuten. Wie grausam
die vorgeschlagenen Maßnahmen auch sein mögen, — auf sie darf nicht anders
gesehen werden, wie auf eine notwendige Verteidigung des Reiches und seiner
Völker gegen einen Ansturm von außen. Wendet man sich dem eingehenden
Studium der vorgeschlagenen Maßnahmen zu, so wird man zu dem Schluß
kommen, daß ihre Härte fast geringfügig ist im Vergleich mit den Ursachen,
die sie hervorrufen, — wobei gar nicht daran gedacht zu werden braucht, daß
durch sie der Bedarf an Land gerade der russischen Bevölkerung in den Grenz¬
gouvernements gedeckt zu werden vermag, die ohne Frage nicht imstande ist,
gegen die deutschen Aufkäufer auszukommen und die infolgedessen schon lange
unter der deutschen Bedrückung leidet. Es ist notwendig darauf hinzuweisen,
daß in anderen Staaten, die sich gegenwärtig ebenso wie Rußland im Kriegs-
zustande befinden, viel härtere Maßnahmen ergriffen werden. So ist in Frank¬
reich das Eigentum der deutschen Untertanen requiriert worden. In Deutschland
wurden die russischen Einlagen in staatlichen und privaten Banken konfisziert.
(Merkwürdige Logik I weil kriegführende Mächte sich gegenseitig materiell zu
schädigen suchen, muß Rußland sich selbst schädigen durch Enteignung seiner
tüchtigsten Staatsbürger und Steuerzahler! G. CI.)

„Durch diese Maßnahmen gegen die deutschen Ansiedler im Russischen Reich
soll das Eigentum nicht ohne Vergütung abgenommen werden, sondern unter Bedin¬
gungen, die an die Regeln bei Enteigung zu staatlichen Zwecken erinnern. Vor der
Durchführung der Maßregeln zurückzuschrecken, wäre gleichbedeutend mit Absage
von der Hauptaufgabe des gegenwärtigen alleuropäischen Kampfes Rußlands
und seiner Verbündeten, der den Zweck hat, die militärische Macht (I) des Deutschen
Reichs zu vernichten; denn die Nichterfüllung dieser Aufgabe in dem
Teil, der die inneren Verhältnisse Rußlands betrifft, hieße dem
gegenwärtigen Kriege alle ideelle Bedeutung nehmen. Schließlich
darf die russische Regierung, die der Heimat für die Erfüllung ihrer Pflichten
verantwortlich ist, nicht die Interessen derjenigen preisgeben, die in friedlichen


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[0217] Der vernichtmia>kampf gegen das Deutschtum in Rußland Augenblicks, wie auch durch die Tatsache, daß die jetzt offenkundiger Einzel¬ heiten der Frage des deutschen Landbesitzes die öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben. In den gesetzgebenden Körperschaften wird man jetzt kaum Stimmen von der .unbedingten Loyalität' der deutschen Kolonisten vernehmen, die sich in Wirklichkeit nur so lang betätigte, bis das russische Staatswesen nicht mit den ihm feindlichen, aggressiven Bestrebungen der deutschen Staaten zusammenprallte." Zum Schluß beginnt es Herrn Maklakow aber doch etwas schwül zu werden. Er gibt zu, daß „im Vergleich mit den vorangegangenen zaghaften Versuchen des behördlichen Kampfes gegen den deutschen Landbesitz die Durchführung der dargelegten Grundsätze einige (!) Härten mit sich bringen". Dann aber heißt es in der Denkschrift weiter: „Aber man darf nicht übersehen, daß gerade der ganze bisherige Gang der Entwicklung der Frage den feindlichen Mächten die Möglichkeit gegeben hat, die wohlwollende Haltung Rußlands gegen die deutschen Auswanderer zum Schaden von Rußlands Einheit auszubeuten. Wie grausam die vorgeschlagenen Maßnahmen auch sein mögen, — auf sie darf nicht anders gesehen werden, wie auf eine notwendige Verteidigung des Reiches und seiner Völker gegen einen Ansturm von außen. Wendet man sich dem eingehenden Studium der vorgeschlagenen Maßnahmen zu, so wird man zu dem Schluß kommen, daß ihre Härte fast geringfügig ist im Vergleich mit den Ursachen, die sie hervorrufen, — wobei gar nicht daran gedacht zu werden braucht, daß durch sie der Bedarf an Land gerade der russischen Bevölkerung in den Grenz¬ gouvernements gedeckt zu werden vermag, die ohne Frage nicht imstande ist, gegen die deutschen Aufkäufer auszukommen und die infolgedessen schon lange unter der deutschen Bedrückung leidet. Es ist notwendig darauf hinzuweisen, daß in anderen Staaten, die sich gegenwärtig ebenso wie Rußland im Kriegs- zustande befinden, viel härtere Maßnahmen ergriffen werden. So ist in Frank¬ reich das Eigentum der deutschen Untertanen requiriert worden. In Deutschland wurden die russischen Einlagen in staatlichen und privaten Banken konfisziert. (Merkwürdige Logik I weil kriegführende Mächte sich gegenseitig materiell zu schädigen suchen, muß Rußland sich selbst schädigen durch Enteignung seiner tüchtigsten Staatsbürger und Steuerzahler! G. CI.) „Durch diese Maßnahmen gegen die deutschen Ansiedler im Russischen Reich soll das Eigentum nicht ohne Vergütung abgenommen werden, sondern unter Bedin¬ gungen, die an die Regeln bei Enteigung zu staatlichen Zwecken erinnern. Vor der Durchführung der Maßregeln zurückzuschrecken, wäre gleichbedeutend mit Absage von der Hauptaufgabe des gegenwärtigen alleuropäischen Kampfes Rußlands und seiner Verbündeten, der den Zweck hat, die militärische Macht (I) des Deutschen Reichs zu vernichten; denn die Nichterfüllung dieser Aufgabe in dem Teil, der die inneren Verhältnisse Rußlands betrifft, hieße dem gegenwärtigen Kriege alle ideelle Bedeutung nehmen. Schließlich darf die russische Regierung, die der Heimat für die Erfüllung ihrer Pflichten verantwortlich ist, nicht die Interessen derjenigen preisgeben, die in friedlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/217>, abgerufen am 02.07.2024.