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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Der Vernichtungskampf gegen das Deutschtum in Rußland

Reservisten der deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen seien. Im Jahre
1910 wurde auf diese Erscheinung die Aufmerksamkeit der höheren Kreise gelenkt,
worauf der deutsche Landbesitz im Südwest- und Nordwestgebiet als gefährlich
anerkannt wurde. Die Änderung in der Bewertung der deutschen Siedlung
eit 1880 ist dadurch hervorgerufen, daß Deutschland, das nach dem deutsch¬
französischen Kriege begann, sich sür eine Offensive gegen Osten vorzubereiten,
seit Anfang der 1880er Jahre angefangen hat, die Ansiedler in Rußland für
die Durchführung der späteren Aufgaben nutzbar zu machen (!).

"Am 1. Juni 1870 wurde ein Gesetz erlassen, wonach zum Austritt aus
der deutschen Untertanenschaft eine besondere Erlaubnis der Regierung notwendig
ist; deutsche Untertanen, die formell in die Untertanenschaft eines anderen Staates
übertraten, behielten somit solange die alte Verbindung zum Vaterlande, und
trugen solange die Pflichten gegen dasselbe, bis sie nicht durch besondere Urkunde
davon befreit wurden. Mit diesem Gesetz hatte die deutsche Regierung die
Absicht, sich der in Rußland befindlichen deutschen Auswanderer sür ihre Ziele
zu bedienen. In den Jahren der Unruhe von 1905 und 1906 sind zahlreiche
deutsche Kolonisten ins Ausland abgereist ohne wiederzukehren. Dieselbe
Erscheinung machte sich zur Zeit der Bedrängung der polnischen Lande in der
preußischen Ostmark durch die preußische innere Politik bemerkbar. Gerade um
diese Zeit war das Gouvernement Wolhvnien überschwemmt von ausländischen
Proklamationen, worin die deutschen Ansiedler aufgefordert wurden, Land von
den Polen in Posen zu erwerben, um diese zu verdrängen."

Ferner wird vom Minister festgestellt, daß der deutsche Bodenbesitz den
deutschen Einbruch in die westlichen Gouvernements Rußlands unterstützen sollte.
Hier die Beweise, die lebhaft an Krupps vorbereitete Geschützstände in Belgien
und Frankreich erinnern:

"Im Südwestgebiet konzentriert sich der deutsche Bodenbesitz längst der Militär¬
bahn Shitormir--Nowograd-Wolynsk--Goretz, Die Ansiedlung deutscher Aus¬
wanderer wurde an die strategischen Eisenbahnen seitlich der Linie Kijew--Brest
geleitet. (Zu beachten ist hier, daß unter dem Begriff "Deutsche Auswanderer"
hiernach auch die Auswanderer aus Russisch-Polen gerechnet werden; aus
Deutschland direkt kommende Auswanderer haben schon seit 1886 kein Recht
mehr, Land im russischen Westgebiet zu erwerben. G. El.)

"Im Jahre 1912 beabsichtigte der Deutsche Hasbach (notabene eine Per¬
sönlichkeit, die sich, wie jeder Bewohner von Bjalystok bezeugen wird, russischer
gab wie die Russen! G. El.), der russischer Untertan geworden war, ein von
ihm am Flusse Bohr in der Nähe der Festung Ossowiec erworbenes Stück
Land trocken zu legen. Durch diese Trockenlegung wären für die deutschen Truppen
günstige Bedingungen geschaffen worden, falls sie das genannte Flußtal hätten
überschreiten wollen.

"Im Jahre 1913 wurde der Ankauf der ganzen westlichen Hälfte der
Insel Dagö durch eine ausländische Gesellschaft bekannt.


Der Vernichtungskampf gegen das Deutschtum in Rußland

Reservisten der deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen seien. Im Jahre
1910 wurde auf diese Erscheinung die Aufmerksamkeit der höheren Kreise gelenkt,
worauf der deutsche Landbesitz im Südwest- und Nordwestgebiet als gefährlich
anerkannt wurde. Die Änderung in der Bewertung der deutschen Siedlung
eit 1880 ist dadurch hervorgerufen, daß Deutschland, das nach dem deutsch¬
französischen Kriege begann, sich sür eine Offensive gegen Osten vorzubereiten,
seit Anfang der 1880er Jahre angefangen hat, die Ansiedler in Rußland für
die Durchführung der späteren Aufgaben nutzbar zu machen (!).

„Am 1. Juni 1870 wurde ein Gesetz erlassen, wonach zum Austritt aus
der deutschen Untertanenschaft eine besondere Erlaubnis der Regierung notwendig
ist; deutsche Untertanen, die formell in die Untertanenschaft eines anderen Staates
übertraten, behielten somit solange die alte Verbindung zum Vaterlande, und
trugen solange die Pflichten gegen dasselbe, bis sie nicht durch besondere Urkunde
davon befreit wurden. Mit diesem Gesetz hatte die deutsche Regierung die
Absicht, sich der in Rußland befindlichen deutschen Auswanderer sür ihre Ziele
zu bedienen. In den Jahren der Unruhe von 1905 und 1906 sind zahlreiche
deutsche Kolonisten ins Ausland abgereist ohne wiederzukehren. Dieselbe
Erscheinung machte sich zur Zeit der Bedrängung der polnischen Lande in der
preußischen Ostmark durch die preußische innere Politik bemerkbar. Gerade um
diese Zeit war das Gouvernement Wolhvnien überschwemmt von ausländischen
Proklamationen, worin die deutschen Ansiedler aufgefordert wurden, Land von
den Polen in Posen zu erwerben, um diese zu verdrängen."

Ferner wird vom Minister festgestellt, daß der deutsche Bodenbesitz den
deutschen Einbruch in die westlichen Gouvernements Rußlands unterstützen sollte.
Hier die Beweise, die lebhaft an Krupps vorbereitete Geschützstände in Belgien
und Frankreich erinnern:

„Im Südwestgebiet konzentriert sich der deutsche Bodenbesitz längst der Militär¬
bahn Shitormir—Nowograd-Wolynsk—Goretz, Die Ansiedlung deutscher Aus¬
wanderer wurde an die strategischen Eisenbahnen seitlich der Linie Kijew—Brest
geleitet. (Zu beachten ist hier, daß unter dem Begriff „Deutsche Auswanderer"
hiernach auch die Auswanderer aus Russisch-Polen gerechnet werden; aus
Deutschland direkt kommende Auswanderer haben schon seit 1886 kein Recht
mehr, Land im russischen Westgebiet zu erwerben. G. El.)

„Im Jahre 1912 beabsichtigte der Deutsche Hasbach (notabene eine Per¬
sönlichkeit, die sich, wie jeder Bewohner von Bjalystok bezeugen wird, russischer
gab wie die Russen! G. El.), der russischer Untertan geworden war, ein von
ihm am Flusse Bohr in der Nähe der Festung Ossowiec erworbenes Stück
Land trocken zu legen. Durch diese Trockenlegung wären für die deutschen Truppen
günstige Bedingungen geschaffen worden, falls sie das genannte Flußtal hätten
überschreiten wollen.

„Im Jahre 1913 wurde der Ankauf der ganzen westlichen Hälfte der
Insel Dagö durch eine ausländische Gesellschaft bekannt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/214>, abgerufen am 02.07.2024.