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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Zufriedenheit

Bei uns dagegen ist zwar der äußere Wohlstand auch gestiegen, unsere
geistigen und gesellschaftlichen Maßstäbe aber -- wir bitten um Verzeihung für
unsere Offenheit -- sind klein geblieben. Wir sind nicht läßlich genug unter¬
einander. Glauben immer noch, jeden nach seinem Verdienst behandeln zu
dürfen. Vielfach sogar möglichst ein wenig schlechter. "Potz Wetter, Mann,
viel besser" -- empfiehlt schon Shakespeare -- "behandelt jeden Menschen nach
seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher? Behandelt sie nach eurer
eignen Ehr' und Würdigkeit; je weniger sie verdienen, desto mehr Verdienst hat
eure Güte!"

Großzügigkeit tut Wunder I Die Wendung hat auch uns wieder zusammen¬
geschlossen, Freiwillige und freudigen Zug gebracht bis ins letzte Glied. Wo
liegt denn der Erfolg in einer gutgeführten Kompagnie, einem gutgeleiteter
industriellen Unternehmen, einem blühenden Staat? Beim großen Augenmaß
und dem Geschick, mit denen ein Chef die Kräfte gleichzurichten, alle tüchtigen
Elemente an seine Seite zu bringen weiß. Sie verstehen, fühlen sich geehrt,
ihr Beispiel zieht, Zug ist in der Sache!

Mit bloßen Verboten kamen wir nicht vorwärts!

Etwas mehr Herz, haben wir gesehen, und ein allgemeiner Sonnenschein
zog ein in Deutschland, stärkte jeden guten Willen und lichtete den Druck der
Methode!

Der Ton macht die Musik und so wenig uns das "Lllaviter in
moäo" im Blut liegt, es muß ein für allemal gelernt, das deutsche
Verkehrsklima muß sonniger werden. Haben wir den für uns Teutonen
recht schweren Umgang nach oben gelernt, so ist es nunmehr höchste Zeit,
Leutseligkeit nach unten zu üben. Sie ist ein unentbehrliches Requisit
jeder wahren Bildung, alten oder neuen, und kommt weiter, als die
Stelzennnrtschaft Subalterner Plattfüße! Kann einer ohne gelegentliche Grob¬
heit nicht leben -- und deren sind, Gott sei Dank, viele bei uns -- so bitten
wir ihn freundschaftlichst, sie nach oben hin zu adressieren. Das ist verdienst¬
voller und erleichtert das gepreßte Herz ganz anders, als das bequeme An¬
donnern hilfloser Untergebener! Ist auch (cum Zrano 8all8!) für einen
intelligenten Vorgesetzten wie eine Huldigung -- solchen Mann hält er warm,
er weiß, was er an dem hat! Charaktere braucht er. keine Bücklinge! Das
wirkt im stillen und ist die einzig richtige Sozialpolitik. Die der Person!

Aus einer gänzlich aussichtslosen Quantitätsfrage muß eine Frage werden
von Qualitäten, die Geltung beanspruchen können und Anerkennung finden.
Auch in rauher Schale. Dann geht der Mann für den Führer durchs Feuer!

Der Mensch lebt, einmal nicht vom Brot allein: jedem, der seinen Mann
stellt, muß auf deutschem Boden auch einiges Selbstgefühl zugestanden werden!
Gleichviel ob er diesem Beruf angehört oder jenem. Schwachköpfe, deren
enger Verstand für solche vornehmere Bewertung ihrer Mitmenschen nicht
ausreicht, sollten nunmehr schleunigst den Abschied bekommen: sie ziehen


Zufriedenheit

Bei uns dagegen ist zwar der äußere Wohlstand auch gestiegen, unsere
geistigen und gesellschaftlichen Maßstäbe aber — wir bitten um Verzeihung für
unsere Offenheit — sind klein geblieben. Wir sind nicht läßlich genug unter¬
einander. Glauben immer noch, jeden nach seinem Verdienst behandeln zu
dürfen. Vielfach sogar möglichst ein wenig schlechter. „Potz Wetter, Mann,
viel besser" — empfiehlt schon Shakespeare — „behandelt jeden Menschen nach
seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher? Behandelt sie nach eurer
eignen Ehr' und Würdigkeit; je weniger sie verdienen, desto mehr Verdienst hat
eure Güte!"

Großzügigkeit tut Wunder I Die Wendung hat auch uns wieder zusammen¬
geschlossen, Freiwillige und freudigen Zug gebracht bis ins letzte Glied. Wo
liegt denn der Erfolg in einer gutgeführten Kompagnie, einem gutgeleiteter
industriellen Unternehmen, einem blühenden Staat? Beim großen Augenmaß
und dem Geschick, mit denen ein Chef die Kräfte gleichzurichten, alle tüchtigen
Elemente an seine Seite zu bringen weiß. Sie verstehen, fühlen sich geehrt,
ihr Beispiel zieht, Zug ist in der Sache!

Mit bloßen Verboten kamen wir nicht vorwärts!

Etwas mehr Herz, haben wir gesehen, und ein allgemeiner Sonnenschein
zog ein in Deutschland, stärkte jeden guten Willen und lichtete den Druck der
Methode!

Der Ton macht die Musik und so wenig uns das „Lllaviter in
moäo" im Blut liegt, es muß ein für allemal gelernt, das deutsche
Verkehrsklima muß sonniger werden. Haben wir den für uns Teutonen
recht schweren Umgang nach oben gelernt, so ist es nunmehr höchste Zeit,
Leutseligkeit nach unten zu üben. Sie ist ein unentbehrliches Requisit
jeder wahren Bildung, alten oder neuen, und kommt weiter, als die
Stelzennnrtschaft Subalterner Plattfüße! Kann einer ohne gelegentliche Grob¬
heit nicht leben — und deren sind, Gott sei Dank, viele bei uns — so bitten
wir ihn freundschaftlichst, sie nach oben hin zu adressieren. Das ist verdienst¬
voller und erleichtert das gepreßte Herz ganz anders, als das bequeme An¬
donnern hilfloser Untergebener! Ist auch (cum Zrano 8all8!) für einen
intelligenten Vorgesetzten wie eine Huldigung — solchen Mann hält er warm,
er weiß, was er an dem hat! Charaktere braucht er. keine Bücklinge! Das
wirkt im stillen und ist die einzig richtige Sozialpolitik. Die der Person!

Aus einer gänzlich aussichtslosen Quantitätsfrage muß eine Frage werden
von Qualitäten, die Geltung beanspruchen können und Anerkennung finden.
Auch in rauher Schale. Dann geht der Mann für den Führer durchs Feuer!

Der Mensch lebt, einmal nicht vom Brot allein: jedem, der seinen Mann
stellt, muß auf deutschem Boden auch einiges Selbstgefühl zugestanden werden!
Gleichviel ob er diesem Beruf angehört oder jenem. Schwachköpfe, deren
enger Verstand für solche vornehmere Bewertung ihrer Mitmenschen nicht
ausreicht, sollten nunmehr schleunigst den Abschied bekommen: sie ziehen


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[0207] Zufriedenheit Bei uns dagegen ist zwar der äußere Wohlstand auch gestiegen, unsere geistigen und gesellschaftlichen Maßstäbe aber — wir bitten um Verzeihung für unsere Offenheit — sind klein geblieben. Wir sind nicht läßlich genug unter¬ einander. Glauben immer noch, jeden nach seinem Verdienst behandeln zu dürfen. Vielfach sogar möglichst ein wenig schlechter. „Potz Wetter, Mann, viel besser" — empfiehlt schon Shakespeare — „behandelt jeden Menschen nach seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher? Behandelt sie nach eurer eignen Ehr' und Würdigkeit; je weniger sie verdienen, desto mehr Verdienst hat eure Güte!" Großzügigkeit tut Wunder I Die Wendung hat auch uns wieder zusammen¬ geschlossen, Freiwillige und freudigen Zug gebracht bis ins letzte Glied. Wo liegt denn der Erfolg in einer gutgeführten Kompagnie, einem gutgeleiteter industriellen Unternehmen, einem blühenden Staat? Beim großen Augenmaß und dem Geschick, mit denen ein Chef die Kräfte gleichzurichten, alle tüchtigen Elemente an seine Seite zu bringen weiß. Sie verstehen, fühlen sich geehrt, ihr Beispiel zieht, Zug ist in der Sache! Mit bloßen Verboten kamen wir nicht vorwärts! Etwas mehr Herz, haben wir gesehen, und ein allgemeiner Sonnenschein zog ein in Deutschland, stärkte jeden guten Willen und lichtete den Druck der Methode! Der Ton macht die Musik und so wenig uns das „Lllaviter in moäo" im Blut liegt, es muß ein für allemal gelernt, das deutsche Verkehrsklima muß sonniger werden. Haben wir den für uns Teutonen recht schweren Umgang nach oben gelernt, so ist es nunmehr höchste Zeit, Leutseligkeit nach unten zu üben. Sie ist ein unentbehrliches Requisit jeder wahren Bildung, alten oder neuen, und kommt weiter, als die Stelzennnrtschaft Subalterner Plattfüße! Kann einer ohne gelegentliche Grob¬ heit nicht leben — und deren sind, Gott sei Dank, viele bei uns — so bitten wir ihn freundschaftlichst, sie nach oben hin zu adressieren. Das ist verdienst¬ voller und erleichtert das gepreßte Herz ganz anders, als das bequeme An¬ donnern hilfloser Untergebener! Ist auch (cum Zrano 8all8!) für einen intelligenten Vorgesetzten wie eine Huldigung — solchen Mann hält er warm, er weiß, was er an dem hat! Charaktere braucht er. keine Bücklinge! Das wirkt im stillen und ist die einzig richtige Sozialpolitik. Die der Person! Aus einer gänzlich aussichtslosen Quantitätsfrage muß eine Frage werden von Qualitäten, die Geltung beanspruchen können und Anerkennung finden. Auch in rauher Schale. Dann geht der Mann für den Führer durchs Feuer! Der Mensch lebt, einmal nicht vom Brot allein: jedem, der seinen Mann stellt, muß auf deutschem Boden auch einiges Selbstgefühl zugestanden werden! Gleichviel ob er diesem Beruf angehört oder jenem. Schwachköpfe, deren enger Verstand für solche vornehmere Bewertung ihrer Mitmenschen nicht ausreicht, sollten nunmehr schleunigst den Abschied bekommen: sie ziehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/207>, abgerufen am 28.09.2024.